Erwerbsminderungsrente Wenn die staatliche Vorsorge nicht reicht

Autor: Heiko Schwöbel

Wer sich um eine private Vorsorge kümmert, solange er gesund ist, kann gelassen in die Zukunft blicken. © iStock/martinwimmer

In Deutschland erkranken etwa 500.000 Menschen pro Jahr an Krebs. Etwa 20.000 Patienten gehen pro Jahr deswegen in die Erwerbsminderungsrente. Diese Rente soll das finanzielle Risiko der Krankheit absichern. Das Versprechen kann der Staat meist nicht halten. Lesen Sie welche Fallstricke es zu beachten gilt.

Mit der Rentenreform im Jahr 2001 wurde das Niveau der Erwerbsminderungsrenten um fast 20 % gesenkt. Sie übersteigt heute meist kaum die Grundsicherungsleistung des Arbeitslosengelds II. Die Renteninformation zeigt den Betrag, der zu erwarten ist. Aber nur dann, wenn das Leistungsvermögen so reduziert ist, dass weniger als drei Stunden pro Tag gearbeitet werden kann. Im Durchschnitt werden weniger als 900 Euro bezahlt. Je nach Lebenssituation kann der Schritt in die Erwerbsminderungsrente ein Schritt in die Armut sein – vor allem für Alleinverdiener mit unterhaltsberechtigten Kindern. Viele Erkrankte, insbesondere junge Menschen, empfinden daher die Aussicht auf Erwerbsminderungsrente eher als Bedrohung denn als Entlastung.

Wer Anspruch auf die Rente hat

Ob jemand Erwerbsminderungsrente bekommt oder nicht, hängt einzig von seiner Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Dies ist völlig unabhängig vom bisher ausgeübten Beruf oder der sozialen Stellung. Ein Ingenieur zum Beispiel, der nicht mehr in seinem Beruf arbeiten kann, aber noch eine andere, auch geringer qualifizierte Tätigkeit verrichten kann, hat keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Erst wenn das allgemeine Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich liegt, besteht der Anspruch auf die volle, bei einem Leistungsvermögen zwischen drei und sechs Stunden, auf die halbe Erwerbsminderungsrente.

Eigenvorsorge

Die Absicht der Politiker mit der Rentenreform war, die Vorsorge für gesundheitliche Risiken in den betrieblichen und vor allem privaten Bereich zu verlagern. Um sich im Fall der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit abzusichern, ist es deshalb ratsam, frühzeitig eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine Versicherung, die den Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit abdeckt, abzuschließen. „Diese werden häufig staatlich oder auch betrieblich gefördert“, sagt Marc Liesdorf, Vorsorgespezialist aus Metzingen. „Allen Vorsorgeversicherungen ist gemein, dass sie in aller Regel in der Gesundheit abgeschlossen werden müssen. Aber auch für Menschen mit Vorerkrankungen gibt es Perspektiven, Versicherungsschutz zu erhalten. In bestimmten Fällen wird keine oder eine sehr stark vereinfachte Gesundheitsprüfung gefordert. Dies ist im Einzelfall mit einem Spezialisten zu klären.“

Leistungen

Im Krankheitsfall erhalten Arbeitnehmer sechs Wochen Entgeltfortzahlung in Höhe des bisherigen Nettogehalts, 72 weitere Wochen gesetzliches Krankengeld, nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge etwa 70 % vom letzten Nettogehalt. Bei weiter andauernder Erkrankung besteht, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, im Anschluss daran Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dies gilt bis eine Prüfung der Erwerbsfähigkeit ergeben hat, dass eine Erwerbsminderung vorliegt beziehungsweise maximal bis zur individuellen Anspruchshöchstdauer. Diese beträgt, je nach Lebensalter, bis zu zwei Jahre.

Achtung!

Liegt der gesetzlichen Krankenkasse ein ärztliches Gutachten vor, aus dem hervorgeht, dass die Erwerbsfähigkeit gefährdet ist, kann sie Versicherte auffordern, eine Rehabilitation zu beantragen. Wird dann im weiteren Verlauf eine Erwerbsminderung festgestellt, gilt der Antrag auf Rehabilitation als Rentenantrag. Dies bedeutet, dass ab diesem Antragsdatum ein Rentenanspruch besteht. Da die Erwerbsminderungsrenten meist viel niedriger als Kranken- und Arbeitslosengeld sind, können für Betroffene dann erhebliche finanzielle Nachteile entstehen. Es ist deshalb sinnvoll, sich im Falle der Aufforderung zur Rehabilitation durch die Krankenkasse an eine qualifizierte Beratungsstelle, einen Sozialverband oder einen Fachanwalt zu wenden.

Arbeit trotz Rente?

Unbedingt Rat suchen Um mögliche Nachteile und Fehlentscheidungen zu vermeiden, ist es wichtig, sich frühzeitig mit beruflichen und finanziellen Fragen zu beschäftigen. Informationen, Unterstützung und Beratung bieten die Sozialdienste in Krankenhäusern, Rehakliniken, ambulante Krebsberatungsstellen oder die Verbände der Selbsthilfe. Dies gilt ganz besonders dann, wenn der Patient trotz festgestellter Erwerbsminderung wieder arbeiten will. Denn die Folge kann eine Ablehnung der Erwerbsminderungsrente sein, die sich negativ auf die weiteren Krankengeldzahlungen auswirken kann. Hilfreiche und qualifizierte Informationen, weiterführende Links und Adressen zu diesen Fragen finden Sie auch beim Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszen­trums: „Sozialrecht und Krebs: Wer ist wofür zuständig?


Marc Liesdorf, Vorsorgespezialist, Metzingen © privat