Darmkrebs Immer bessere Chancen durch neue Medikamente

Autor: Dietmar Kupisch

Entdeckt der Arzt bei der Koloskopie Krebsvorstufen, entfernt er sie mit einer Vorrichtung am Endoskop. © ryanking999, phonlamaiphoto – stock.adobe.com

Darmkrebs ist in Deutschland die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Mehr als 60.000 Menschen erkranken jährlich daran. Je früher er erkannt und beseitigt wird, desto größer sind die Heilungschancen.

Die Operation ist die erfolgversprechendste Methode zur Behandlung von Darmkrebs. Der Chirurg entfernt dabei den Tumor, eventuell auch die angrenzenden Lymphknoten und möglichst sämtliche Tochtergeschwülste. Gelingt dies, ist der Patient geheilt.

Chemotherapie kann vor oder nach der Operation eingesetzt werden

Dass eine Operation alleine bereits zu einer Heilung führt, setzt ein niedriges Tumorstadium voraus. Nur wenn die Ärzte sich sicher sind, das keine Tumorreste im Körper verblieben sind, erhält der Patient keine weitere Behandlung. „Oftmals folgt jedoch auf eine Operation eine adjuvante Behandlung in Form einer Chemotherapie“, sagt Professor Dr. ­Jochen Wedemeyer. Der Darmkrebsexperte ist Leiter der Klinik für Innere Medizin im Klinikum Robert Koch im niedersächsischen Gehrden. Diese adjuvante Behandlung soll winzig kleine, auch mit moderner Bildgebung nicht erkennbare Krebsabsiedlungen vernichten, die nicht im Operationsfeld liegen. Prof. Wedemeyer weiß: „Die Erfahrung zeigt, dass wir so für den Patienten das Risiko vermindern, dass in den Folgejahren Tochtergeschwülste, Metastasen genannt, in anderen Organen auftreten.“

In manchen Fällen, etwa beim Darmkrebs im Enddarm, setzen die Ärzte eine Kombination aus Chemotherapie und Bestrahlung auch schon vor einer Operation ein. Diese als neo-adjuvante Therapie bezeichnete Behandlung soll lokale Lymphknotenabsiedlungen bekämpfen oder einen zu großen Tumor so weit verkleinern, dass man ihn wieder operieren kann. „Beim Enddarmkrebs beobachten wir auch immer wieder Fälle, bei denen wir nach der Vorbehandlung keinen Tumor mehr nachweisen können. Hier besteht dann auch die Möglichkeit, auf eine Operation ganz zu verzichten“, erklärt Prof. Wedemeyer. Die Patienten müssten in der Folge aber engmaschig mit Bildgebung und Endoskopie überwacht werden.

Spezifische Medikamente hemmen das Krebswachstum

Das Einsatzgebiet einer Chemotherapie ist breit. Dank der Grundlagenforschung konnte diese medikamentöse Behandlung optimiert und erweitert werden. Wissenschaftler haben mittlerweile Ansätze entwickelt, die zielgerichtete Therapien möglich machen.

Im Unterschied zu den Medikamenten der konventionellen Chemotherapie, die sämtliche im Körper befindlichen sich schnell teilenden Körperzellen bekämpfen, zielen diese neuen Wirkstoffe speziell auf molekulare Prozesse der Krebszellen und des Krebswachstums ab, berichtet der Onkologe. „Ein weiterer Vorteil dieser Behandlungen besteht in der Regel darin, dass Patienten mit deutlich weniger Nebenwirkungen rechnen dürfen“, so Prof. Wedemeyer. Zielgerichtete Medikamente blockieren z.B. das unkontrollierte Wachstum von Tumorzellen oder hemmen die Neubildung der Blutgefäße, die den Tumor versorgen.

Die Tumorbiologie zur Behandlung nutzen

Onkologen befassen sich immer mehr mit der Biologie des Tumors. „Wir wissen, ein Tumor benötigt für sein Wachstum Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut. Um die Versorgung damit sicherzustellen, verbindet er sich mit angrenzenden Blutbahnen. Dabei sendet er chemische Signale aus, die eigene Blutgefäße wachsen lassen“, erläutert Prof. Wedemeyer. Diese Gefäßneubildung bezeichnet man fachsprachlich als Angiogenese. Ein Ziel der Krebsforscher war es somit, die Blutgefäßbildung des Tumors zu hemmen und seine Blutversorgung zu bremsen. Sie entwickelten spezielle Wirkstoffe, sogenannte Angiogenese-Hemmer, die genau dies schaffen.

Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Bildung des Proteins VEGF. Der Tumor schüttet das Protein aus und es dockt an eine Bindungsstelle, dem VEGF-Rezeptor, auf der Oberfläche der Gefäßzellen an. Das führt zu dem Blutgefäßwachstum. Verhindert man das Andocken an den Rezeptor auf den Blutgefäßzellen, kann kein Wachstumssignal erfolgen und die Gefäßneubildung wird gehemmt – der Tumor kann nicht mehr ungehindert wachsen. Mittlerweile sind verschiedene Angiogenese-Hemmer im Einsatz. In der Regel werden sie kombiniert mit einer Chemotherapie eingesetzt.

Mit Antikörpern gegen fortgeschrittene Tumoren

Gesunde Körperzellen teilen sich kontrolliert, Krebszellen hingegen unkontrolliert. Eine Zelle wächst, indem sich Botenstoffe beziehungsweise Wachstumsfaktoren an spezielle Bindungsstellen, den Rezeptoren, auf der Zelloberfläche anlagern. Aktiviert der Botenstoff den Rezeptor, wird ein Prozess in der Zelle gestartet, der zur Zellteilung, also zum Wachstum führt. Forscher schafften es, mit Medikamenten die Rezeptoren für Wachstumsbotenstoffe auf Krebszellen zu blockieren. Diese Art zielgerichteter Medikamente unterdrücken somit direkt das Wachstum von Tumorzellen.

Zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs setzen Onkologen bestimmte Eiweißstoffe, sogenannte monoklonale Antikörper, als Rezeptorblocker ein. Die Antikörper richten sich gegen den Rezeptor des sogenannten EGF-Wachstumsfaktors auf Darmkrebszellen. Die Anwendung findet auch hier meist in Kombination mit einer Chemotherapie statt, erläutert der Experte. „Diese zielgerichteten Therapien sind wichtige Optionen bei der Behandlung des Darmkrebses. Da sie leider noch nicht bei allen Patienten einsetzbar sind, lautet die große Herausforderung der kommenden Jahre, weiter zu forschen, damit immer mehr Betroffene von solchen Medikamenten profitieren können“, betont Prof. Wedemeyer. Angesichts der großen Fortschritte der vergangenen Jahre, dürfe man mit einigem Optimismus in die Zukunft schauen.


Prof. Dr. Jochen Wedemeyer, Leiter der Klinik für Innere Medizin im Klinikum Robert Koch, Gehrden © Privat