Selbsthilfe Wie der Austausch das Selbstbewusstsein stärkt

Autor: Ingrid Meyer

Niemand kann Menschen nach einer Darmkrebserkrankung besser seelischen Beistand leisten als andere Betroffene. Sie wissen sogar unausgesprochen, womit andere Probleme haben. © Prostock-studio – stock.adobe.com

Darmkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen weltweit. Dank intensiver Forschung verbessern sich die Therapiemöglichkeiten dafür deutlich – und damit auch die Heilungschancen. Nach erfolgreicher Behandlung gilt es, wieder in den Alltag zurückzukehren. Doch das ist für viele Betroffene oft die größte Herausforderung.

Menschen mit Krebsdiagnose werden aus ihrem Alltag gerissen und müssen nach einer oftmals anstrengenden Behandlungszeit wieder zurückfinden. Das gelingt nicht jedem sofort. Gerade nach Darmkrebs fällt einigen der Schritt ins alte Leben schwer. Unterstützung finden sie häufig in Selbsthilfegruppen.

Anfangs war ich frustriert

„Ich hatte nach meiner Darmkrebstherapie echte Probleme, mein Leben normal weiterzuleben. Ich war verunsichert, musste im Umgang mit meinem Stoma erst Sicherheit erlangen. Einfache Dinge des täglichen Lebens wurden zum Problem. Das war frustrierend“, sagt Ulrike S. aus Hannover. Ihr fehlten von ärztlicher Seite fundierte Ratschläge und Tipps für ihren Alltag. Auch Angehörige konnten mangels Erfahrung dabei nicht helfen. „Ich brauchte den Austausch mit Gleichgesinnten, mit Menschen, die mich verstehen und mir Lösungen aufzeigen konnten.“

Ungelöste Probleme

Nach Therapie und Reha versuchte Ulrike S. schnell alltägliche Dinge wieder selbst zu erledigen. „Doch ich hatte ständig Bedenken, das Haus zu verlassen und mich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Anfangs befürchtete ich, dass von meinem Stoma unangenehme Gerüche entweichen könnten. Das machte mir zu schaffen, war mir peinlich“, erinnert sie sich. „Auch vertrug ich unterschiedliche Lebensmittel nicht mehr und musste vieles erst ausprobieren. Mein Leben hatte keine Qualität. Das änderte sich, als ich mich einer Selbsthilfegruppe anschloss. Die beste Idee überhaupt, wie sich herausstellte.“

Offene Gespräche in der Gruppe

Ulrike S. merkte schnell, wie hilfreich der Austausch zwischen Betroffenen sein kann. Der Wissensschatz aus den gemachten Erfahrungen einer Selbsthilfegruppe ist groß. Die meisten Teilnehmenden sprechen ganz offen miteinander, zeigen Lösungen auf für Alltagsprobleme. „Ich profitierte vielseitig von den Gruppentreffen, konnte manche Tipps umsetzen und traute mich schnell wieder in die Stadt. Damit stieg mein Selbstvertrauen“, erzählt sie.

Die Themen in Selbsthilfegruppen sind umfangreich. Es geht um wirksame Hausmittel zur Linderung von Blähungen, um Empfehlungen, wie man sich trotz häufigen Stuhlgangs sicher in der Öffentlichkeit bewegt, oder etwa um Tipps, welche Schwimmvereine spezielle Möglichkeiten für Stomatragende anbieten.

Selbstvertrauen wiedererlangen

„Man kann gar nicht hoch genug bewerten, wie wichtig die Steigerung des Selbstvertrauens ist. Das ist Balsam für die Seele“, schwärmt Ulrike S. und sagt: „Niemand kann Menschen nach einer Darmkrebserkrankung besser seelischen Beistand leisten als andere Betroffene, das liegt in der Natur der Sache. Gleichgesinnte wissen sogar unausgesprochen, womit andere Probleme haben.“

Darüber hinaus wollen viele Betroffene ungern über bestimmte Ängste innerhalb ihrer Familie sprechen, da sie niemanden beunruhigen möchten. In der Selbsthilfegruppe gibt es hingegen viele Zuhörende, die dann basierend auf eigenen Erfahrungen beruhigen können.

Einfach Kontakt aufnehmen

Die Kontaktaufnahme zu Selbsthilfegruppen ist relativ einfach. Oft nehmen sogar Mitarbeitende der Deutschen ILCO e.V. aktiv Kontakt zu Betroffenen auf, zum Beispiel über ihren Besuchsdienst in den Krankenhäusern. Die Deutsche ILCO e.V. ist eine große Selbsthilfevereinigung für Stomaträger und für Menschen mit Darmkrebs sowie deren Angehörigen.

Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Erkrankten beizustehen, damit sie mit ihrer Krankheit oder mit einem Stoma selbstbestimmt leben können. Haben Patient:innen Interesse, bietet die ILCO ein Gespräch vor der ersten Gruppensitzung an. „Niemanden soll bei der ILCO überfordert werden. Man kann eine aktive oder passive Rolle einnehmen. Ganz wie einem gerade zumute ist“, weiß Ulrike S. Bei einem typischen Treffen werden zu Beginn Fragen gestellt, wird über aktuelle Probleme rund um die Krankheit gesprochen und werden neueste Informationen ausgetauscht.

Ängste frühzeitig abbauen

Regelmäßig organisiert die ILCO Vorträge zu unterschiedlichen Themen. Die Gruppe bestimmt dabei mit. Medizinische Themen sind genauso vertreten, wie etwa die Bereiche Sport, Reise oder Freizeitaktivitäten. Zudem werden gemeinsam Ausflüge durchgeführt.

„Ich kann jedem nur empfehlen, an den Sitzungen der Selbsthilfegruppe teilzunehmen. Mir hat das wirklich geholfen. Und ich konnte eine neue Lebensqualität gewinnen. Heute weiß ich, dass meine anfangs große Verunsicherung im Umgang mit der Krankheit unnötig war“, betont Ulrike S. „Fragen sollten auf keinen Fall unbeantwortet bleiben. Nur so können Ängste frühzeitig abgebaut werden.“

Über die Deutsche ILCO

Bundesweit gehören etwa 7.000 Mitglieder zur ILCO. Damit ist sie die größte deutsche Solidargemeinschaft von Stomaträgern, Menschen mit Darmkrebs und deren Angehörigen. Mehr als 650 selbst betroffene Ehrenamtliche stehen im Jahr ca. 20.000 Erkrankten bei Besuchen im Krankenhaus, auf Informationsveranstaltungen und bei Gruppentreffen mit Rat und Tat zur Seite.