Wirkstoffgruppen Chronische lymphatische Leukämie: Zielgerichtet gegen den Blutkrebs

Autor: Perspektive Leben

Eine chronisch lymphatische Leukämie kann heutzutage durchaus gut in Schach gehalten werden. © Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com

Die chronische lymphatische Leukämie ist eine Blutkrebserkrankung. Der Körper wird bei dieser Krankheit nach und nach von weißen Blutkörperchen überflutet. Die Folgen sind Infektionsanfälligkeit, Müdigkeit und Vergrößerung von Lymphknoten, Milz und Leber. Lesen Sie, was die moderne Medizin dieser Krankheit entgegenstellen kann.

Die chronische lymphatische Leukämie, kurz CLL genannt, wird jährlich bei etwa 3.000 Menschen in Deutschland diagnostiziert. Derzeit leben ungefähr 18.000 Menschen mit dieser Krankheit in Deutschland. Sie ist eine Krebserkrankung, die meist erst im Alter von 65 bis 75 Jahren diagnostiziert wird. „Chronisch“ steht dafür, dass es keinen bestimmten Ausgangspunkt der Erkrankung gibt und dass sie sich langsam und zunächst völlig unbemerkt einschleicht. „Lymphatisch“ steht dafür, dass diese Krebsart das lymphatische System betrifft.

Das lymphatische System ist ein wichtiger Bestandteil unseres Immunsystems, das Erreger und Fremdkörper in unserem Körper bekämpft und herausbefördert. „Leukämie“ ist die medizinische Bezeichnung für Blutkrebs.

1. Gut organisiert

Das menschliche lymphatische System besteht im Wesentlichen aus drei Elementen. Zum einen sind dies die lymphatischen weißen Blutkörperchen oder Lymphozyten, die landläufig auch Abwehrzellen genannt werden. Zum Zweiten das Transportsystem, über das die Abwehrzellen durch unseren Körper transportiert werden. Dieses Transportsystem durchzieht, wie der Blutkreislauf, fast unseren ganzen Körper. Und zum Dritten die Organe und Knochen, die die weißen Blutkörperchen herstellen. Der Blutkreislauf und das lymphatische System sind eng verbunden.

2. Aus dem Gleichgewicht

Bei gesunden Menschen werden in den Knochen und manchen anderen Organen permanent neue Zellen für das Abwehrsystem entwickelt. Diese Zellen machen sich über das Blut oder die lymphatischen Bahnen auf die Reise durch den Körper. Immer auf der Suche nach Erregern und Fremdkörpern, die es auszuschalten gilt. Nach einer gewissen Zeit sterben diese Zellen wieder ab. Der Körper sorgt so dafür, dass immer genügend, aber nicht zu viele Abwehrzellen im Körper zirkulieren können. Das System ist somit im gesunden Gleichgewicht.

Bei diesem ständigen Erneuerungsprozess der Abwehrzellen können jedoch auch Fehler in einzelnen Zellen auftreten. Mediziner sprechen dann von sogenannten Mutationen. Diese Fehler in den Zellen werden vom Körper normalerweise erkannt und die entsprechenden Zellen werden unschädlich abgebaut. Werden diese Fehler von unserem Abwehr- oder Immunsystem jedoch nicht erkannt, gerät das Gleichgewicht aus neuen und absterbenden Abwehrzellen in unserem Immunsystem durcheinander.

3. Fehlerhafte Zellen

„Bei einer CLL werden im Knochenmark fehlerhafte sogenannte B-Lymphozyten produziert“, sagt Professor Dr. Dimitrios Mougiakakos, Oberarzt an der Klinik für Hämatologie und Internistische Onkologie, Universität Erlangen. „Diese mutierten Zellen überleben besser als gesunde Abwehrzellen des lymphatischen Systems. Darüber hinaus sind diese Zellen nicht in der Lage, ihre ursprüngliche Aufgabe bei der Immun­abwehr zu erfüllen.“ Diese mutierten und damit funktionsuntüchtigen Zellen lagern sich besonders in den Lymphknoten, in Milz und Leber ab und bringen sie dazu anzuschwellen. Aber auch im Blut und im Knochenmark lassen sich die kranken Zellen in viel zu hoher Anzahl nachweisen.

4. Die Optionen

Wird die CLL in einem frühen Stadium diagnostiziert, werden Betroffene oft nicht sofort behandelt. Vielmehr wird die sogenannte „Beobachten und Abwarten“-Strategie angewendet. Ist die Krankheit weiter fortgeschritten, werden Chemotherapien, sogenannte Antikörper und zielgerichtete Medikamente eingesetzt. Die Chemotherapien wirken gegen Zellen, die sich schnell und unkontrolliert teilen. Mit ihrem Zellgift greifen diese Therapien in den Teilungsprozess der Zellen ein und bringen sie zum Absterben. Lymphozyten reifen schnell und unkontrolliert heran. Daher wirken Chemotherapien auch bei CLL.

Für das Immunsystem sind die kranken Lymphozyten schlecht zu erkennen oder gar unsichtbar und werden daher nicht bekämpft. Forschern ist es aber gelungen, bestimmte künstliche Eiweiße (= Antikörper) zu entwickeln, die sich an die kranken Lymphozyten anheften und sie damit für die körpereigene Abwehr sichtbar machen. Das Immunsystem ist dann in der Lage, die kranken Zellen zu erkennen und in den Zelltod zu schicken.

5. Zielgerichtet gegen den Krebs

Das unkontrollierte Wachstum und Überleben von entarteten Lymphozyten wird über ganz spezielle Botenstoffe und Signalwege in der Krebszelle gesteuert. Das Besondere der zielgerichteten Therapien ist, dass sie nur in Botenstoffe und Signalwege eingreifen, die ganz überwiegend nur bei bestimmten Krebszellen vorhanden sind.

Für die CLL ist es Forschern gelungen, zwei dieser zielgerichteten Ansatzpunkte zu finden. Zum einen kann ein Signalweg ins Zellinnere unterbrochen werden, der u.a. für die übermäßige Zellteilung der Krebszellen verantwortlich ist. Wird dieser Signalweg unterbrochen, stirbt die Zelle ab. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem sogenannten Kinase-Hemmer.

Der zweite Ansatz nimmt den zu späten Tod der entarteten Zellen ins Visier. Für CLL-Zellen ist nämlich typisch, dass sie viel später als gesunde Zellen sterben. Mit zielgerichteten Medikamenten ist es gelungen, den natürlichen Zelltod der CLL-Zelle wieder zu aktivieren. „Welche Medikamente im Einzelfall angewendet werden, hängt von sehr vielen Faktoren ab“, sagt Prof. Mougiakakos.

„Dazu gehören der Gesundheitszustand, der Fortschritt der CLL genauso wie die Art der CLL-Erkrankung.“ In bestimmten Fällen können Patienten auch mit Kombinationen der unterschiedlichen Therapieansätze behandelt werden. „Insgesamt gilt für die CLL, dass diese ernste Erkrankung heutzutage meist in Schach gehalten werden kann“, betont Prof. Mougiakakos.


Prof. Dr. Dimitrios Mougiakakos, Oberarzt an der Klinik für Hämatologie und Internistische Onkologie, Universität Erlangen © Privat