Prostatakrebs Vier Ziele beim Prostatakarzinom: In Ruhe entscheiden

Autor: Heiko Schwöbel

Die ausführliche Beratung durch den Arzt hilft den Patienten, den für sie richtigen Behandlungspfad zu finden. © goodluz – stock.adobe.com

Bei Prostatakrebs haben die meisten Patienten ausreichend Zeit, um mit dem Arzt die weitere Vorgehensweise festzulegen und eine gute Wahl zu treffen. Mit der Zweitmeinung eines weiteren Arztes können sich Betroffene sehr sicher sein, das Richtige zu tun. Je nach Stadium, Aggressivität des Tumors und Verfassung des Patienten kann zwischen der reinen Überwachung, einer Operation oder Bestrahlung entschieden werden. Medikamente können die Therapie unterstützen.

In Deutschland wird pro Jahr bei etwa 60.000 Männern Prostatakrebs neu diagnostiziert. Viele Patienten und deren Angehörige werden davon aus der Bahn geworfen. „Zeit nehmen!“, fordert Professor Dr. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Urologischen Universitätsklinik Tübingen, seine Patienten auf.

Für Entscheidungen ist meist genug Zeit, um sich mit der neuen Situation zu beschäftigen, eine Zweitmeinung einzuholen und Informationen zu sammeln. „Wichtig ist, dass sich die Patienten in diesem Prozess mit ihren Sichtweisen und Wünschen ganz intensiv einbringen. Dann können gute Entscheidungen getroffen werden“, betont Prof. Stenzl.  

Die Entscheidung

Patienten und ihre Angehörigen müssen mit dem Arzt eine Abwägung zwischen vier Zielen vornehmen:

  1. gute weitere Lebenserwartung,
  2. gute Lebensqualität,
  3. hohe sexuelle Aktivität/Kontinenz und
  4. physische und psychische Beschwerdefreiheit.

Denn je nach Behandlungsmethode können unterschiedliche Ziele besser oder schlechter erreicht werden. Ein Beispiel macht dies deutlich. Mit der raschen Operation wird das Ziel Lebenszeit besonders gut verfolgt. Allerdings kann dies zulasten anderer Ziele wie der Lebensqualität gehen. Auch die Frage, ob eine OP überhaupt sinnvoll ist, kann bei einer voreiligen Entscheidung unklar bleiben.

Ziel des Behandlungsgesprächs muss also sein, die gute Balance für den Patienten zu finden und dann die Behandlungsmethode darauf abzustimmen. Generell gilt, dass die Spielräume für die aktive Überwachung, Bestrahlung und Operation umso größer sind, je früher der Krebs entdeckt wurde und umso geringer seine Aggressivität ist.  

Am besten wird die Balance im Rahmen einer interdisziplinären Sprechstunde gefunden. Das Team aus Urologen, Strahlenmedizinern, Radiologen, Pathologen und Psychologen berät die Patienten über alle Vor- und Nachteilen der möglichen Behandlungen. „Allen ist dabei bewusst, dass die Entscheidung des Patienten letztlich nicht aus dem Bauch heraus getroffen wird“, sagt Prof. Stenzl. „Bei Zweifeln oder komplexeren Fällen rate ich unsicheren Patienten dazu, eine zweite Meinung in einem anderen Prostatakrebs-Zentrum einzuholen und die Entscheidung damit abzusichern.“

Lokal begrenzt

In frühen Erkrankungsstadien, wenn der Tumor die Kapsel der Prostata nicht überschritten hat, können die Vor- und Nachteile der aktiven Überwachung, Operation und Bestrahlung gegeneinander abgewogen werden. In der aktiven Überwachung ist die Lebensqualität lediglich durch die engmaschigen Kontrollen eingeschränkt. „Zudem gilt, dass durch die Überwachung keine Zeit verloren geht oder Chancen verpasst werden“, sagt Prof. Stenzl. „Mit der Überwachung können wir sicherstellen, dass wir rechtzeitig eingreifen können, wenn der Tumor weiter wächst.“

Ist der Tumor schon fortgeschritten?

Hat der Tumor die Prostata überschritten, muss er operiert oder bestrahlt werden. Dabei gilt, dass die Bestrahlung die Kontinenz erst mit zeitlicher Verzögerung von einigen Jahren beeinträchtigt. Die Potenz und Lust bzw. das Verlangen wird durch die begleitende medikamentöse Kastration vorübergehend stark beeinträchtigt. Wird die Prostata entnommen, wird die Potenz unmittelbar nach der Operation sehr stark reduziert, die Lust und die Orgasmusfähigkeit ist aber vorhanden.

Wenn ausreichend viele Nerven im Operationsfeld geschont werden konnten, stellt sich je nach körperlicher Verfassung die Potenz nach etwa sechs Monaten wieder vollständig, manchmal sehr spontan, ein. Die Kontinenz kann mittlerweile meist gut erhalten bleiben.

Patienten mit befallenen Lymphknoten beziehungsweise Fernmetastasen werden mit Chemo- und Hormontherapien behandelt, um den Krebs in Schach zu halten. Behandlungsziel dabei ist, die Lebensqualität der Patienten möglichst lange und gut zu erhalten.

Alternative Behandlungen? Bitte Vorsicht!

Auf der Suche nach Informationen zum Prostatakrebs stoßen viele Patienten immer wieder auf sogenannte „Alternative Behandlungsmethoden“ bei Prostatakrebs. Diese Methoden nutzen zum Beispiel fokussierten Ultraschall, der mit großer Hitze den Krebs zerstören soll. Behandlungen mit gezielter Kälte, Strom und Laser werden auch immer wieder gegen den Prostatakrebs propagiert.

Keine dieser Methoden ist in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. und Deutschen Krebshilfe e. V. zur Behandlung von Prostatakrebs vorgesehen. Und das mit gutem Grund: Die besonders aggressiven Prostatakrebszellen sitzen meist am äußeren Rand der Prostata. Soll der Krebs wirksam bekämpft werden, müssen also genau diese Bereiche besonders sorgfältig operiert oder bestrahlt werden. „Das können die sogenannten Alternativen genau nicht. Sie wirken meist von innen nach außen und versagen weitgehend in den kritischen Randzonen“, sagt Prof. Stenzl. „Deswegen sind sie mit gutem Grund nicht in die Leitlinien aufgenommen worden.“

Die beste Hilfe: zertifizierte Zentren

Trotz zahlreicher Warnungen wählen Patienten immer wieder diese Methoden mit der Folge, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt nach den Grundsätzen der Leitlinien behandelt werden müssen. „Auf diesem Umweg geht oft sehr viel Zeit, Lebensqualität und Geld verloren“, sagt Prof. Stenzl. „Daher rate ich allen Patienten, diese Behandlungen nur mit äußerster Vorsicht oder am besten gar nicht in Betracht zu ziehen!“


Prof. Dr. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Urologischen Universitätsklinik Tübingen © Privat