Arzt mit Lungenkrebs „Vertrauen in die Schulmedizin machte mich stark“

Autor: Dietmar Kupisch

Kann ein Arzt aufgrund seiner fachlichen Kenntnisse seine Emotionen zügeln? © iStock/Chalabala

Die Diagnose kommt unerwartet, verunsichert und macht Angst. Doch wie geht eigentlich ein Mediziner mit einer Krebserkrankung um? Kommt er mit Diagnose und Therapie besser klar als ein medizinischer Laie? Wir sprachen mit Peter S., einem Allgemeinmediziner aus der Region Hannover. Hier erzählt er, wie es ihm erging, als beim ihm Lungenkrebs festgestellt wurde.

Das ist nun schon fast fünf Jahre her. Und so ganz aus dem Schneider bin ich statistisch gesehen noch nicht. Es heißt, man darf mehr als fünf Jahre keinen Rückfall haben. Danach erst gilt man wieder als gesund. Ich fühle mich indes schon länger gesund. Ich glaube ganz fest an die Kraft der Schulmedizin. So stark wie heute war ich – als mich die Diagnose traf – allerdings nicht.

Nervige Ungewissheit

Niemand, so glaube ich, vergisst den Tag seiner Krebsdiagnose. Ich erinnere zumindest noch sehr genau, was ich vorher machte und wie es mir danach ging. Seit Wochen plagte mich ein hartnäckiger Husten, den ich trotz Medikamenten nicht in den Griff bekam – und das im Frühsommer, die Erkältungssaison war eigentlich längst vorbei. Anfänglich dachte ich an eine Pollenal­lergie, die aber schnell mit entsprechenden Tests ausgeschlossen werden konnte. Die Ungewissheit nervte! Morgens wurde mein Husten seit Tagen von einem Auswurf begleitet. Nur an diesem Morgen war es anders: Der Auswurf war blutig! Mein Puls stieg rapide an.

Der Puls musste runter

Erstmals ging die Diagnose bezüglich meines lästigen Hustens in eine ganz andere Richtung. In eine, an die ich bis dato noch nicht gedacht hatte und auch nicht denken wollte. Ich bin zwar kein Onkologe, wusste als Allgemeinmediziner aber sehr genau, dass dies ein Symptom für ein Lungenkarzinom sein konnte. Klar war, ich musste dies abklären. Und zwar so schnell wie möglich. Schließlich wollte ich ruhig schlafen, mit einem normalen Puls. Sofort setzte ich mich ans Telefon und versuchte vormittags einen Termin beim Pneumologen zwecks Abklärung zu bekommen. Nach vielen Fehlversuchen gelang es mir, einen Termin am späten Vormittag zu ergattern, 11:45 Uhr, und ich sollte Wartezeit mitbringen. Kein Problem. Die Stunden davor nahm ich frei. Zum Arbeiten war ich zu nervös. Ich wälzte Fachbücher, suchte nach alternativen Erklärungen für blutigen Auswurf. Um 11:30 Uhr saß ich bereits im Wartezimmer. Um 12:25 Uhr rief man mich auf.

Schlimme Minuten

Das ärztliche Gespräch lief ab wie erwartet. Nach der Frage-Antwort-Runde wurde meine Lunge geröntgt. Anschließend saß ich erneut im Wartebereich. Wartete darauf, zum finalen Gespräch aufgerufen zu werden beziehungsweise über mein Lungenbild sprechen zu müssen. Noch nie in meinem Leben war ich so angespannt, wie in diesen Minuten – nicht einmal vor meinem Staatsexamen. Wieder raste mein Puls. Und ich gebe zu, ich hatte Angst. Als die Tür aufging, versuchte ich cool zu bleiben. Die Mimik des Pneumologen verschaffte mir kurze Erleichterung. Doch ich hatte sie falsch gedeutet. Ohne Umschweife eröffnete er mir, dass auf dem Röntgenbild wohl Lungenkrebs zu sehen sei. Eine genauere Diagnostik müsste das bestätigen und würde zeigen, welche Therapie für mich infrage käme. Ich war platt. Hatte Angst. Und ich musste weinen. Das erste Mal seit meiner Kindheit.

Ein Funken Hoffnung

Bei der nachfolgenden Diagnostik kam heraus, dass ich ein Lungenkarzinom im Stadium I bis II hatte. Es hätte schlechter laufen können. Der behandelnde Onkologe machte mir Hoffnung: Aufgrund neuartiger Medikamente und Behandlungsmethoden, sei eine Heilung möglich. Vorausgesetzt man könne den Tumor operativ entfernen. Das sei aber in meinem Stadium noch machbar. Ich selbst hatte mich in diesen Tagen intensiv mit der Lungenkrebstherapie beschäftigt. Hatte mit vielen Kolleg:innen und Expert:innen gesprochen. Und ich wusste daher, dass in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Therapie gemacht wurden. Ich konnte so mit meiner Krankheit rationaler umgehen. Das half mir. Das war der Schlüssel zur Zuversicht.

Euphorie statt Angst

Die Therapie verlief idealtypisch: Die Medikamente schlugen voll an. Der Tumor konnte operiert werden. Und meine Angst war gewichen, sogar schon vor der ersten Behandlung. Denn ich vertraute der Medizin, dem Fortschritt und der Wissenschaft. Als sich zudem die ersten Erfolge einstellten, war ich geradezu euphorisiert. Und ich war stolz darauf, zu erleben, was Medizin leisten kann. Ich war auch stolz auf meine Kolleg:innen, die sich für mich einsetzten – Tag und Nacht. Es war für mich erstaunlich zu erleben, wie meine Emotionen Schritt für Schritt in eine ganz andere Richtung liefen. Und weinen musste ich nie wieder.