Wirkstoffverteilung Krebs treffen, Körper schonen

Autor: Thomas Kuhn

Antikörper dienen nicht immer als Wirkstoff, sie können auch als Transportmittel fungieren. © iStock/Christian Horz

Krebsmedikamente können verschiedene Wirkprinzipien haben, doch alle sollen bei guter Effektivität wenig Nebenwirkungen verursachen. Viele richten sich deshalb spezifisch gegen den Tumor. Zudem gibt es Tricks, sie dorthin zu lenken.

Das Wachstum der Zellen und ihre Vermehrung sind im Körper normalerweise streng reguliert. Körperzellen wachsen und teilen sich nur dann, wenn sie von außen dazu durch Wachstumsfaktoren angeregt werden. Diese Signalübertragung kann in Krebszellen an unterschiedlichen Stellen verändert sein – dort liegen die Ansatzpunkte der Krebsmedikamente.

Für manche Krebsarten gibt es heutzutage zielgerichtete Behandlungen. Zielgerichtet nennt man die Therapien deshalb, weil sie in Vorgänge eingreifen, die speziell im und am Tumor geschehen. Sie können sich z.B. gegen ein bestimmtes mutiertes Molekül richten – wirken dann allerdings nur, wenn die entsprechende Mutation vorliegt. Ob eine zielgerichtete Therapie für Betroffene infrage kommt, hängt neben der Krebsart und dem Krankheitsstadium daher von den biologischen Eigenschaften des Tumors ab. Auch zielgerichtete Medikamente haben allerdings noch Nebenwirkungen. Denn ihre Angriffsziele kommen auch auf gesunden Zellen vor, wenn auch in geringerer Menge.

Unterschiedliche Angriffspunkte

Zielgerichtete Arzneimittel können das Krebswachstum auf unterschiedliche Weise blockieren:

  • Erstens auf der Zelloberfläche. In diesem Fall ist der Angriffspunkt des Wirkstoffes ein Rezeptor der Zelle.
  • Ein zweiter Ansatzpunkt für Krebsmedikamente direkt am Tumor sind Moleküle, die bestimmte Signale an Krebszellen übertragen. Medikamente können die Signalmoleküle abfangen, bevor sie die Krebszelle erreichen. In diesem Fall liegt der Wirkort des Medikamentes in der unmittelbaren Umgebung der Krebszellen.
  • Eine dritte Wirkstoffgruppe dringt bis in die Krebszellen ein. Hier greifen die Medikamente den Signalweg innerhalb der Zelle an.

Der Transport zum Tumor

Um auch weniger spezifische Therapieformen, u.a. Chemotherapien, besser auf den Tumor auszurichten, besteht die Kunst darin, sie direkt zum Ziel zu lenken. Ob Infusion oder Tabletten, die Verteilung der Medikamente im Körper geschieht in der Regel über das Blut.

Häufigstes Transportmittel, um etwa krebswirksame Zellgifte schnell aus der Blutbahn und zum Tumor zu schicken, sind Antikörper. Eigentlich Teil unseres Immunsystems, sind sie in der Lage, sehr exakt an bestimmte Zielstrukturen zu binden. Wissenschaftler koppeln z.B. Chemotherapien oder radioaktive Substanzen an passende Antikörper. Diese docken an ihre definierten Bindestellen auf den Krebszellen an und bringen so ihre Fracht ans Ziel. Der Wirkort der Arzneimittel im Körper kann auf diese Weise gesteuert werden: Die Therapieeffekte finden fast ausschließlich am oder im Tumor statt.

Im Gegensatz zu anderen Therapieformen mit Antikörpern, dienen diese also nicht immer selbst als Wirkstoff. Sie können auch als Transportmittel fungieren.

Fünf Wirkmechanismen vor Ort

Krebsmedikamente können als Infusion, Spritze unter die Haut oder als Tablette gegeben werden. Sind die entsprechenden Wirkstoffe an der Tumorzelle angelangt, können sie dort ihre Wirkung entfalten. Und so funktionieren die unterschiedlichen Wege.

Antikörper nutzen

Monoklonale Antikörper sind große Eiweißmoleküle, die an bestimmte Bindestellen andocken. Diese Antikörper erhält der Patient als Infusion in eine Vene. Ziel ist es, Rezeptoren auf der Zelloberfläche zu blockieren. Das tun diese Antikörper, indem sie z.B. Andock­stellen von Wachstumsfaktoren besetzen. Die Zellen erhalten kein Signal mehr zur Teilung.

Rezeptoren im Zellinneren blockieren

Rezeptoren ragen auch ins Zellinnere. So können sie das Signal von außen nach innen in die Zelle weiterleiten. Diesen Vorgang kann man blockieren: Mit Medikamenten, die in die Zellen einwandern und von innen an den Rezeptor binden. Der innere Teil des Rezeptors besitzt zur Signalübertragung oft eine Funktion, die man auch Kinase nennt. Medikamente, die diese blockieren, heißen Kinasehemmer. Man kann sie in der Regel als Tablette schlucken.

Signalübertragung stören

Auch die Weiterleitung der Signale im Zellinneren funktioniert zum Teil über Kinasen. Auch wenn diese Enzyme nicht an Rezeptoren hängen, können sie zielgerichtet von Kinasehemmern blockiert werden.

Die Bildung von Blutgefäßen hemmen

Tumoren benötigen wie andere Gewebe Sauerstoff und Nährstoffe zum Wachsen. Diese Stoffe erhalten sie über Blutgefäße. Tumorzellen sind in der Lage, neue Blutgefäße wachsen zu lassen. Diesen Vorgang nennt man die „Angiogenese“. Dafür bilden sie Botenstoffe. Bestimmte Medikamente stören diese Neubildung von Blutgefäßen. Damit verhindern sie, dass der Tumor weiterwächst. Man bezeichnet diese Medikamente als Angiogenesehemmer.

Die Immuntherapie gegen den Krebs

Zielgerichtete Antikörper lösen unter anderem auch eine Immunreaktion aus. Das bedeutet: Mit ihrer Hilfe erkennt das körpereigene Immunsystem die Tumorzellen und bekämpft sie. Ein Sonderfall sind Immun-Checkpoint-Hemmer. Diese Medikamente richten sich gegen körpereigene Bremsen im Immunsystem. So verhindern sie, dass der Tumor eine Immunantwort unterdrückt. Man rechnet sie daher den Immuntherapien zu.