Wiedereinstieg Das Leben nach der Behandlung

Autor: Perspektive LEBEN

Die Diagnose verändert das Leben. Die Betreuung von Patienten nach der Rehabilitation kann noch verbessert werden. © veneratio – stock.adobe.com

Nach den Behandlungen, der Operation und Rehabilitation gilt es, nun in den normalen Alltag zurückzufinden. Das ist nicht ganz leicht. Lesen Sie, auf was Sie achten sollten. Und wer Ihnen helfen kann.

Krebserkrankungen sind stets ernste Erkrankungen. Zum guten Glück sind viele recht gut und schnell in den Griff zu bekommen, wenn sie konsequent behandelt und überwacht werden. Die Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben sind dann überschaubar oder unter Umständen kaum spürbar. Doch alle Erkrankungen haben eines gemeinsam: Die Diagnose Krebs verändert bei den Patienten und dem Umfeld die Einstellung zum Leben – Werte und Einstellungen werden mit einem Male neu definiert.

Die Krankheit: Ein tiefer Einschnitt

Krebserkrankungen mit Chemotherapien, Operationen, Strahlentherapien und Rehabilitationen haben für die Patienten, Angehörigen und Freunde oft gravierende Folgen für das Berufs- und Privatleben. „Das ist nicht immer leicht zu erkennen“, sagt Dr. Ursula Vehling-Kaiser, Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie in Landshut. „Hinzu kommt, dass in den Rehabilitationsberichten oft der Hinweis steht: Arbeitsfähig in drei Wochen.“ Formal mag das richtig sein. Aber in der Realität sieht dies oft ganz anders aus.

Viele Patienten sind nämlich nach der Rehabilitation noch lange nicht arbeitsfähig und erst recht nicht im alten Beruf. „Häufige Leiden sind das Fatigue-Syndrom, Empfindungsstörungen in den Händen und Füßen und das sogenannte Chemo-Brain“, betont die erfahrene Praktikerin. „Das kann für die Patienten fast unüberwindliche berufliche Probleme verursachen.“

  • Das Fatigue-Syndrom setzt die allgemeine Leistungsfähigkeit oft deutlich herab.
  • Die Empfindungsstörungen in den Händen machen fast alle feinen Arbeiten mit der Hand unmöglich.
  • Viele, besonders hoch dosierte, Chemotherapien vermindern die Merkfähigkeit (Chemo-Brain) – oft über Monate und Jahre.

„Dies sind nur einige Beispiele“, sagt Dr. Vehling-Kaiser. „Sie und viele andere Folgen einer Krebsbehandlung verhindern, dass Patienten rasch in den alten Beruf zurückkehren können.“ Das Fatale dabei ist, dass die Betroffenen an sich oft gesund und durchaus arbeitsfähig und arbeitswillig sind.

Der wichtige Rat: Unbedingt Hilfe suchen

Ärger und Verdruss sind in solchen Situationen programmiert. Deshalb rät Expertin Dr. Vehling-Kaiser, von Beginn an Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Auf der Webseite des Krebsinformationsdienstes sind entsprechende staatliche und private Beratungsstellen zu finden. Eine Hilfe kann auch der Sozialverband VdK Deutschland sein. Dieser Verband berät Patienten auch in sozialrechtlichen Fragestellungen. Diese Stellen können einen wichtigen Überblick über die rechtlichen und organisatorischen Möglichkeiten bieten.

„Wenn immer möglich, rate ich zusätzlich dazu, den behandelnden Arzt mit einzubeziehen“, sagt Dr. Vehling-Kaiser. „Patienten müssen mit ihm offen über ihre Stärken und Schwächen nach der Behandlung sprechen.“ Das ist extrem wichtig. „Nur wenn er alle Stärken und Schwächen der Patienten kennt, kann er die richtigen Ratschläge geben und zusammen mit Arbeitgebern, Krankenkassen und Betriebsärzten gute Lösungen suchen und finden“, so die Expertin.

Bei Entscheidungen: Bitte genau hinschauen

Wenn Patienten dauerhaft nicht arbeiten können oder wenn die Arbeitskraft nicht wiederhergestellt werden kann, erlischt der Anspruch auf Krankengeld der Krankenkassen. Die Folge davon ist, dass die Patienten dann eine Rente oder andere Sozialleistungen beantragen müssen. Meist sind diese Renten aber deutlich geringer als das Krankengeld. Deshalb muss genau geprüft werden, ob eine Arbeit tatsächlich nicht aufgenommen werden kann.

Ist das der Fall, sollte der Rentenantrag so lange wie möglich herausgezögert und das höhere Krankengeld bezogen werden. Das Gefährliche dabei ist, dass Krankenkassen oft dazu neigen, Patienten rasch in Rente zu schicken. Sie versenden entsprechende Anschreiben und Anträge an die Patienten. „Stehen solche Entscheidungen an, empfehle ich den Hausarzt und den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einzuschalten – auch schon im Vorfeld einer Rehabilitation“, sagt Dr. Vehling-Kaiser. „Ohne Hilfe kommen nur wenige Patienten durch diesen Verwaltungsdschungel unbeschadet durch.“ Denn ist die Verrentung erst mal Tatsache, ist eine Rückkehr ins Arbeitsleben noch viel schwieriger.

Daran denken: Ansprüche erhalten

Ein Beispiel verdeutlicht das Problem. Mit 45 Jahren erhält Matthias aus Bayern die Diagnose Knochenkrebs. Dies ist ein Schock für ihn und seine Frau. Der Vater von zwei Kindern mit 18 und 14 Jahren macht sich Sorgen um seine Gesundheit, das Einkommen und die Rente. Zu Recht, denn die Krankenkasse geht fest davon aus, dass spätestens nach der Rehabilitation die Verrentung ansteht. „Aber nicht mit mir“, sagt sich Matthias. Er will unbedingt wieder arbeiten – sich ins Leben zurückkämpfen. Der Widerstand hat sich gelohnt. Das Gericht entschied gegen die Krankenkasse und für den Familienvater. Die Verrentung konnte zunächst abgewehrt werden. Das war wichtig für die Familie. Drei Jahre und während der Zeit der Behandlung konnte er normal Krankengeld beziehen, in die Rentenkasse einzahlen und seine zukünftige Rente erhöhen.

Fazit: „Nach der Akutbehandlung und Rehabilitation ist die Betreuung der Patienten noch nicht optimal durch die Sozialleistungsträger abgedeckt“, sagt Dr. Vehling-Kaiser. „Deshalb haben sich viele, zum Teil privat finanzierte, Netzwerke gebildet.“ Diese sind oft auf die Unterstützung von zusätzlichen Geldgebern angewiesen. Patienten und Sponsoren finden diese regionalen Netzwerke am besten über die niedergelassenen Onkologen, Hausärzte oder unter den entsprechenden Suchbegriffen im Internet.


Dr. Ursula Vehling-Kaiser, Fachärztin für innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, Landshut © Privat