Sport und Krebs Wie Bewegung die Lebensqualität verbessert

Autor: Thomas Kuhn

Wer regelmäßig Sport treibt, kann einer Krebserkrankung vorbeugen. © dietwalther ‒ stock.adobe.com

Über 800 klinische Studien belegen: Eine gezielte Bewegungstherapie hat positiven Einfluss auf den Krankheits- und Behandlungsverlauf von Krebserkrankten. Je früher sie beginnt, desto stärker ist der Effekt.

Das Potential einer begleitenden Bewegungstherapie ist für Krebserkrankte groß. „Immer mehr Studien zeigen, wie vielseitig Bewegung und körperliche Aktivität im onkologischen Zusammenhang eingesetzt werden können“, sagt Prof. Dr. Freerk Baumann. Der Forscher leitet die Arbeitsgruppe Onkologische Bewegungsmedizin im Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) an der Uniklinik Köln. „Unter professioneller Anleitung zählt die Bewegungstherapie zu den wirkungsvollsten unterstützenden Therapien.“

Nebenwirkungen der Medikamente abmildern

Die Bewegungstherapie spielt in der onkologischen Behandlung eine immer größere Rolle. „Je früher wir mit ihr beginnen, desto stärker der Effekt“, weiß Prof. Baumann. Er empfiehlt den Beginn gleich nach der Diagnose – wenn aus medizinischen Gründen nichts dagegenspricht. Selbst eine Chemotherapie sollte mit gezielter Bewegung einhergehen. „Immer öfter wird eine Chemotherapie der Operation vorgeschaltet, um etwa den Tumor operabler zu machen. Auch eine solche neo-adjuvante Therapie sollte mit einer auf den Betroffenen abgestimmten Bewegungstherapie begleitet werden“, rät Prof. Baumann. 

Gezielte Trainingstherapie mildert die Nebenwirkungen der Chemotherapie ab und verbessert den Verlauf der Behandlung. „Wir wenden dabei spezielle Trainingsmethoden an, beispielsweise das Vibrationstraining, das auf einer Vibrationsplatte stattfindet“, so Prof. Baumann. Dieses Training beginnt bei 18 Hz, dauert pro Intervall 40 Sekunden und wird vier bis sechs Mal wiederholt. Es dient dazu, durch die Chemotherapie hervorgerufene Nervenstörungen an Händen und Füßen zu verhindern - oder vorhandene zu reduzieren. Die Vibrationen regen die Nervenzellen an und können vorhandene Restfunktionen wieder aktivieren. 

Eine weitere bewegungstherapeutische Methode ist das sogenannte Impact-Training. Der Übende stampft dabei auf der Stelle. Ein plötzlicher Abbruch der Bewegung hilft gegen Osteoporose, die ebenfalls als Nebenwirkung medikamentöser Therapien auftreten kann. 

Zum Hintergrund: Die Chemotherapie kann Erkrankungen der Herz- und Blutgefäße begünstigen. Fachleute sprechen hier von kardiovaskulären Nebenwirkungen. „Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass Sport und Bewegung diesen Schäden vorbeugen und sie abschwächen könnten.“

Allgemein lässt sich feststellen, dass neben dem Einsatz spezieller Trainingsmethoden und -geräte Bewegung die Lebensqualität der Betroffenen während der Therapie verbessert. „Aktivität steigert die körperliche Leistungsfähigkeit und reduziert psychische Belastungen wie Angst und Depression. Es gibt weniger oder geringere medizinische Komplikationen, der Krankenhausaufenthalt verkürzt sich und Erkrankungen, die durch Bewegungsmangel entstehen, treten seltener auf“, erklärt Prof. Baumann und betont: „Dabei hilft auch Bewegung im Alltag. Diese sollte bewusst aufrechterhalten werden. Es gilt, wenn möglich, die üblichen Wege und Arbeiten weiterhin zu verrichten und diese nicht anderen zu überlassen.“

Sport so gut wie ein Medikament

Wer regelmäßig Sport treibt, hat nachweislich ein um 20 bis 30 Prozent niedrigeres Risiko an Krebs zu erkranken. Auch die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv ist im Erkrankungsfall geringer. Aber auch, wer sich vorher wenig bewegt hat, kann sein Rückfallrisiko durch Bewegung noch senken und die Heilungsaussichten deutlich erhöhen. Das legt die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) auf ihrer Internetseite dar. Der Effekt sei ähnlich gut wie eine Chemo- oder Antihormontherapie, vor allem bei Brust-, Darm- und Prostatakrebs. Aber auch bei Leukämie- und anderen Krebspatient:innen hätten sich in Studien schon derart positive Effekte gezeigt, so die DKG.

Zurück zu alter Stärke

Training und körperliche Belastungen sollten mit dem behandelnden Ärzteteam besprochen werden. Die jeweilige Krebserkrankung gibt nämlich den Behandlungspfad vor: Spezielle Therapien richten die Bewegung nicht nur an der körperlichen Fitness der Betroffenen aus, sondern vor allem auch an der Art und an der Schwere der Krebserkrankung und ihrer medizinischen Behandlung. „Wir bieten dazu Fachleuten in der Physio- und Sporttherapie Fortbildungen mit der Bezeichnung „Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie – OTT“ an. Die Fortbildung schult nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Leitlinien“, so Prof. Baumann.

Projekte für mehr Bewegung

Die Stiftung Leben mit Krebs fördert mit dem Projekt „Sport zum Leben“ an insgesamt 15 Standorten in Deutschland Bewegungsangebote. In Zusammenarbeit mit onkologischen Einrichtungen und sportwissenschaftlichen Institutionen. Individuelle Beratungs- und Sportangebote sollen 
die Folgen der Krebserkrankung und der nötigen Behandlung für die Patient:innen mildern. Wissenschaftliche Studien belegen die positiven Effekte: Das Müdigkeitssyndrom, die „Fatigue“, wird entscheidend verbessert. Betroffene können die Nebenwirkungen der Tumortherapie reduzieren und ihr Immunsystem stärken. 

Hinzu kommt, dass Patient:innen durch Sport körperlich und mental schneller wieder fit werden und durch die Kontakte mit anderen neuen Lebensmut schöpfen. All das kann die Lebensqualität während und nach der Therapie entscheidend verbessern. So gibt es etwa 
Reittherapie für Kinder, Aqua-Training, Rudern oder Pilates. Auch Beratung zu Sport, Bewegung und Krebs mit individualisiertem Trainings- und Rehabilitationssport gehören zu den Angeboten.

Persönliche Ziele definieren

Die sportwissenschaftliche Forschung führt zu immer individuelleren onkologischen Bewegungsprogrammen. Die Betroffenen helfen dabei, persönliche körperlichen Ziele genau zu definieren. Das führt schließlich zu einer personalisierten Bewegungstherapie. Mit unterschiedlicher Intensität, angepassten Inhalten und persönlichen Regenerationsphasen ergibt sich für jeden ein maßgeschneidertes Programm. 

Krebstherapien sind vielfältig und reduzieren nicht selten die körperliche Leistungsfähigkeit. Ob Über- oder Untergewicht, Kraft- oder Antriebslosigkeit, das Ziel lautet: zurück zu alter Stärke. „Für alle Krebserkrankten eignet sich nach einer Therapie dann grundsätzlich ein Kraftaufbautraining kombiniert mit einem Ausdauertraining. „Das baut die Muskulatur wieder auf und bringt das Herz-Kreislauf-System in Schwung“, empfiehlt Prof. Baumann. „Wir wissen aber, dass die Betroffenen von einer Bewegungstherapie unter Anleitung mehr profitieren.“ Deshalb gilt auch hier: Das Trainingsprogramm von einem Bewegungstherapeuten erstellen lassen.