Aromatherapie Nebenwirkungen mit Duft lindern

Autor: Felix Schlepps

Pflanzenextrakte sind hochwirksame Essenzen. © iStock/microgen

Die Anwendung von natürlichen Düften gewinnt als unterstützende Behandlung zur Linderung von Beschwerden während einer Krebstherapie an Bedeutung. Das  Institut für Allgemeinmedizin & Interprofessionelle Versorgung am Universitätsklinikum Tübingen unter Leitung von Prof. Dr. Stefanie Joos berät evidenzbasiert und interprofessionell zu verschiedenen Verfahren der komplementären Medizin und Pflege: darunter auch Aromapflege und -therapie.

Schon im alten Ägypten hieß es: „Kein Tag ist glücklich ohne Wohlgeruch.“ Die Menschen wussten also schon vor 3.000 Jahren um die heilsame Wirkung aromatischer Düfte. Denn damit ist es möglich, Wärme, Geborgenheit und Mitgefühl zu vermitteln, aber auch Beschwerden zu lindern. Sie sind mittlerweile nicht nur dufte für die Nase, sondern tragen auch als Stimmungsaufheller zum Wohlbefinden von Patient:innen bei. Ätherische Öle werden in Form von Bädern, Einreibungen, Auflagen oder zur Inhalation angewandt.

Aromatherapie – was ist das genau?

Die Aromapflege und -therapie befasst sich mit der Erhaltung von Gesundheit und der Linderung von Beschwerden. Um diese Ziele zu erreichen, kommt es zum Einsatz von naturreinen Duftstoffen, die auch ätherische Öle genannt werden. Sie ist immer als eine komplementäre, also eine begleitende Maßnahme (KMP) zu verstehen. Sie ersetzt keinesfalls die medizinische Behandlung.

Aromapflege und-therapie ist Teil der Phytotherapie, die Pflanzenextrakte als hochwirksame Essenzen mit therapeutischem Wert nutzt. Dabei sind ätherische Öle Vielstoffgemische. Zu finden sind außerdem Gerb- und Bitterstoffe, Mineralstoffe, meistens auch Vitamine und natürliche Farbstoffe. Die ätherischen Öle selbst enthalten bis zu 500 verschiedene chemische Verbindungen.

Diverse Studien belegen, dass in Einrichtungen, wo aromatherapeutische oder aromapflegerische Maßnahmen zum Einsatz kommen, der Bedarf an Medikamenten deutlich reduziert werden konnte.

Selbstwirksamkeit stärken

„Unsere CCC-Integrativ-Studie beschäftigt sich mit komplementärer Medizin und Pflege in der Onkologie und in diesem Zusammenhang auch mit der Aromatherapie“, erklärt Birgit Kröger, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeinmedizin & Interprofessionelle Versorgung in Tübingen und eine der Beraterinnen der Studie. „Wir möchten mit unserer Beratung Betroffene dabei unterstützen, ihre Selbstwirksamkeit zu steigern und damit zur Verbesserung der eigenen Gesundheitskompetenzen beitragen.“ Kurzum, es geht um „Empowerment“ für Patient:innen. Im Projekt arbeiten Ärzt:innen und Pflege intensiv als interprofessionelles Team zusammen. Das Ziel: „Verbesserung der Gesundheits- und Entscheidungskompetenzen onkologischer Patient:innen im Bereich naturheilkundlich-komplementärer Verfahren“, so Birgit Kröger.

Bedingungen der Teilnahme

Wer an der CCC-Integrativ-Studie teilnehmen möchte, muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Diagnose oder Rezidiv dürfen nicht länger als sechs Monate zurückliegen
  • die Behandlung oder die Einholung einer Zweitmeinung muss an einer der vier Unikliniken in Heidelberg, Ulm, Tübingen oder Freiburg erfolgen

Erkenntnis auf wissenschaftlicher Basis

„Für unsere Studie ist es wichtig, dass wir evidenzbasiertes Wissen weitergeben,“ erklärt die Wissenschaftlerin. Allerdings fehlen bisher in vielen Bereichen der Aromatherapie noch wissenschaftliche Studien, während es reichlich Erfahrungswissen gibt. „In einem strukturierten Konsensprozess wurde dieses Expertenwissen zusammengetragen und ergänzt somit das bisher vorhandene Wissen aus Studien.“

Eine wichtige Frage bei den Beratungen ist:  Gibt es Wechselwirkungen zwischen KMP-Maßnahmen und der onkologischen Behandlung. Die neue S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patienten“ gibt „Kann“-Empfehlungen für den Einsatz auch von Aromamaßnahmen bei verschiedenen Nebenwirkungen. „Viele Anwendungen beeinflussen die schulmedizinische Therapie nicht“, berichtet Birgit Kröger. Die Wissenschaftlerin nennt Beispiele aus dem Erfahrungswissen, die auch in der Beratung eingesetzt werden:

  • So zeigt sich die Anwendung von Lavendel am Abend als Einreibungen, Duftstick, Fußbad oder Ölauflage als schlaffördernd und beruhigend bei Unruhezuständen.
  • Die Symptome einer Blasenentzündungen lassen sich durch Anwendungen von Eukalyptus citiodora als Ölauflage auf dem Unterbauch lindern.
  • Bei Übelkeit und Erbrechen, die onkologisch Erkrankte bei der Chemotherapie plagen können, erweisen sich Zitronenöl und Bergamotte als hilfreich.
  • Rosmarin (ct. Cineol) trägt dazu bei, die Auswirkungen der Fatigue während und nach einer Krebsbehandlung zu mindern. Dies ist besonders hilfreich in Kombination mit Orange als Duftstick oder als Fußeinreibung. „Diese wiederum sollten Patient:innen nicht zur Nacht anwenden“, merkt Birgit Kröger an, „denn sonst ist der Schlaf gestört, da Rosmarin anregend wirkt“.

Tipps zur Anwendung

Ätherische Stoffe wirken einerseits auf körperlicher und andererseits auf psychischer Ebene. Sie lindern, entspannen oder regen an. „Wenn die Patient:innen eine Anwendung mit Lavendel machen“, so die Erfahrung der Wissenschaftlerin, „kann sowohl das Einschlafen als auch das Durchschlafen gefördert werden.“

Zur Anwendung merkt die Wissenschaftlerin an: „Ätherische Öle sollten nicht pur auf die Haut aufgetragen werden. Für Bäder werden Emulgatoren wie Kaffeesahne, Honig, Salz oder Zucker eingesetzt, für Einreibungen verdünnt man ätherische Öle  mit einem fetten Öl wie Sonnenblumen- oder Mandelöl. Und: Man sollte die Öle vorsichtig dosieren – und stets nur eine 1–2%ige Mischung wählen (2–4 Tropfen auf 10 ml). Allergische Reaktion können Patient:innen am besten testen, wenn sie einen Tropfen der Mischung in die Ellenbogenbeuge tupfen. „Dann kann man rasch feststellen, ob es unerwünschte Reaktionen gibt“, erklärt Birgit Kröger.


Birgit Kröger Birgit Kröger, Wiss. Mitarbeiterin, Institut für Allgemeinmedizin & Interprofessionelle Versorgung, Tübingen © privat