Nierenzellkarzinom Wichtige Fragen rund um die Therapi

Autor: MPL-Redaktion

Nierenzellkarzinom: Knapp 5 Prozent aller Krebsdiagnosen beziehen sich auf diese Krebsart. Betroffen sind vor allem Patienten in höherem Lebensalter. © Henrie – stock.adobe.com

Der bösartige Tumor geht von den Nierenzellen aus und ist mit etwa 90 Prozent die häufigste Tumorerkrankung der Niere. Perspektive LEBEN klärt mit dem Experten Prof. Dr. Joachim W. Thüroff die wichtigsten Fragen rund um die Therapie. Er ist Direktor der Urologischen und Kinderurologischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz.

Wie viele Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einem Nierenzellkarzinom?

Das Nierenzellkarzinom macht 4,7 Prozent aller Krebserkrankungen aus, wobei in Deutschland etwa 9500 Männer und 6000 Frauen jährlich neu erkranken. Bei den Männern steht das Nierenzellkarzinom bezüglich der Häufigkeit der Krebserkrankungen an achter Stelle, bei den Frauen an zehnter Stelle.

In welchem Alter tritt diese Krankheit am häufigsten auf?

Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 68 Jahren und für Frauen bei 71 Jahren. Das heißt, jüngere Menschen sind von dieser Krebsart weniger häufig betroffen, es sei denn, es handelt sich um seltene, genetisch bedingte Tumore.

Das Nierenzellkarzinom wurde diagnostiziert. Wie geht es weiter?

Es kommt darauf an, unter welchen Umständen das Nierenzellkarzinom aufgefallen ist, wie es also zu dieser Diagnose kam. Ist es durch Zufall aufgefallen, zum Beispiel bei einer Ultraschalluntersuchung aufgrund von Gallensteinen, dann hatte der Patient somit bisher keine spezifischen Beschwerden. Solche Zufallsbefunde machen heute etwa zwei Drittel der Fälle aus.

Oder hatte der Betroffene bereits symptomatische Beschwerden, wie Blut im Urin oder Flankenschmerzen? Das deutet darauf hin, dass es sich um einen fortgeschrittenen Tumor handelt.

Wie sehen nun die nächsten Schritte aus?

Wurde der Tumor gefunden, muss er genauer bestimmt werden. Wir reden hier von einem sogenannten Staging. Zuerst schauen wir, ob es sich um einen lokal begrenzten Nierentumor handelt – also einen, der ausschließlich in der Niere gewachsen ist. Oder ob er bereits gestreut beziehungsweise Metastasen gebildet hat. Diese befinden sich dann üblicherweise in Lymphknoten, die in der Nachbarschaft der Niere liegen, in der Lunge, in der Leber und in den Knochen. Diese Organsysteme müssen dann zum Beispiel durch eine Computertomographie auf Metastasen untersucht werden.

Werden Organe und Knochen grundsätzlich untersucht?

Nein, erst ab einer Tumorgröße von vier Zentimetern. Es gilt, je größer der Tumor, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Metastasen bildet.

Welche Maßnahmen zur Behandlung werden nun grundsätzlich ergriffen?

Wenn der Tumor auf die Niere begrenzt ist, ist er heilbar. Da Nierenzellkarzinome weder auf eine Chemo- noch auf eine Strahlentherapie ansprechen, ist die Operation die Behandlung der ersten Wahl – und zugleich die einzige Möglichkeit auf Heilung.

Ist der Tumor sehr groß, wird die Niere vollständig entfernt. Der Fachbegriff hierfür lautet Nephrektomie. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist eine zweite gesunde Niere. Ist der Tumor klein, das heißt, nicht größer als sieben Zentimeter, wird er herausoperiert. Die Niere bleibt also erhalten. Betont werden muss dabei allerdings, dass die Tumorgröße allein nicht entscheidend für die Organerhaltung ist. Liegt er nämlich mitten in der Niere, ist dieser schwieriger zu operieren als bei einer Randlage.

Wie sieht eine solche Operation aus? Gibt es spezielle Methoden?

Ja. Heutzutage bedienen wir uns immer mehr der sogenannten Schlüssellochchirurgie beziehungsweise der laparoskopischen Chirurgie. Das heißt, der Zugang zur Niere erfolgt durch einen kleinen Hautschnitt – die Operation ist minimalinvasiv. Wir benutzen dazu den Da-Vinci-Operationsroboter.

Welche Vorteile hat ein Operationsroboter?

Er ermöglicht dem Operateur neben einer 3D-Sicht auf das Operationsgebiet eine sehr genaue Bewegung und Kontrolle der Operationsinstrumente. Die 3D-Sicht wird durch zwei parallel gerichtete Kameras ermöglicht. Damit kann sich der Operateur schneller und sicherer orientieren. Zudem erfolgt die Sicht in über 10-facher Vergrößerung sehr detailliert. Die Ins­trumente erlauben exaktere Bewegungen mit mehr Freiheitsgraden als es die menschliche Hand erlaubt.

Für viele Patienten bietet das viele Vorteile. Dazu zählen ein kürzerer Krankenhausaufenthalt mit weniger Schmerzen, ein geringeres Infektionsrisiko, weniger Blutverlust und somit weniger Transfusionen. Zudem sind die Narben kleiner und der Patient kehrt schneller zu normalen körperlichen Aktivitäten zurück.

Wie sieht die Behandlung bei Tumoren aus, die bereits Metastasen gebildet haben?

Hier kommen Medikamente zum Einsatz. Da gibt es die Gruppe der zielgerichteten Medikamente: Sogenannte Angiogenesehemmer verhindern zum Beispiel die Bildung von Blutgefäßen im Tumor. Andere Medikamente verhindern das Wachstum der Tumorzellen: Sie hemmen nämlich wichtige Enzyme, sogenannte Tyrosinkinasen. Zudem gibt es Antikörper, die sich gegen bestimmte Merkmale auf den Tumorzellen richten. Eine andere Medikamentengruppe mobilisiert das menschliche Immunsystem. Wir sprechen hier auch von einer Immuntherapie. Die Behandlung erfolgt zum Beispiel mit Botenstoffen des Immunsystems, den Zytokinen.


Prof. Dr. Joachim W. Thüroff, Direktor der Urologischen und Kinderurologischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz © Privat