Brustkrebs So werden Krebszellen heute gezielt zerstört

Autor: Perspektive LEBEN

Dank neuer Wirkstoffe können moderne Medikamente heute gezielt den Tumor am Wachstum hindern. © iStock/akinbostanci

Den Tumor und seine Eigenheiten genau erkennen und individuell bekämpfen: Das ist das Ziel der neuen personalisierten oder zielgerichteten Therapien. Wie diese wirken und eingesetzt werden, lesen Sie hier.

Die Wirkstoffe der Chemotherapien sind Zellgifte. Besonders gut wirken diese Gifte auf Zellen, die sich schnell und häufig teilen. Daher bekämpfen diese Gifte die Krebszellen meist besonders gut.

Aber in unserem Körper teilen sich auch gesunde Zellen schnell und häufig. Werden diese Zellen von der Chemotherapie auch bekämpft, kommt es zu Nebenwirkungen: Haarausfall, Infektionsanfälligkeit, Müdigkeit sind die häufigsten Folgen.

Seit Jahren werden daher Medikamente gesucht und auch gefunden, die möglichst ganz genau nur die Krebszellen zerstören oder ihr Wachstum behindern. Heerscharen von Wissenschaftlern sind tagaus, tagein auf der Suche nach solchen neuen zielgerichteten Therapien. Die einen versuchen Botenstoffe außer Kraft zu setzen, die die krankhaften Zellteilungen auslösen. Die anderen versuchen Bindestellen zu blockieren, damit die Botenstoffe nicht andocken und so das Zellwachstum nicht stimulieren können. Wieder andere versuchen, in der Zelle selbst Vorgänge zu unterbrechen, um das Wachstum des Tumors zu verhindern.

Botenstoffe außer Kraft setzen

Tumorzellen brauchen für ihr unkontrolliertes Wachstum Sauerstoff und Nährstoffe. Ist der Tumor noch klein, versorgt er sich aus den vorhandenen Blutgefäßen in der unmittelbaren Umgebung. Ab einer bestimmten Größe müssen der Sauerstoff und die Nährstoffe mit neuen und größeren Blutgefäßen herangeschafft werden. Damit diese neuen Blutgefäße gebildet werden, sendet der Tumor einen Botenstoff aus, den sogenannten Wachstumsfaktor VEGF. Er sorgt dafür, dass neue Blutgefäße zum Tumor hin gebildet werden. Ärzte nennen diesen Vorgang Angiogenese oder Neubildung von Blutadern.

„Hier setzt die zielgerichtete Therapie der sogenannten Angiogenese-Hemmer an“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Janni, Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Ulm. Das Medikament verbindet sich mit dem Wachstumsfaktor und blockiert ihn. Weil der Wachstumsfaktor blockiert ist, kann er nicht mehr an die Zellen der bestehenden Blutadern andocken. Deshalb kann er diese Zellen nicht mehr anregen, neue Adern für den Tumor zu bilden. Der Tumor bekommt nicht mehr genügend Sauerstoff und Nährstoffe: Er schrumpft oder stirbt ab.

„Schon besetzt!“: Wachstumssignale abweisen

Ständig teilen sich Zellen in unserem Körper. Nur so können wir wachsen und unseren Körper am Leben erhalten. Damit sich die Zellen teilen können, benötigen sie Signale. Diese werden ihnen von sogenannten Wachstumsfaktoren gegeben. Diese Faktoren lagern sich an bestimmten Stellen der Zellen an. Ärzte sprechen dann von Rezeptoren. Werden diese Rezeptoren mit Wachstumsfaktoren besetzt, kommt eine Signalkette im Zellinneren in Gang: Die Zelle teilt sich. Auf gesunden und normalen Körperzellen ist der sogenannte HER2-Rezeptor für die normale Zellteilung verantwortlich. Auch im Brustgewebe. Aber bei ungefähr 20 Prozent aller Fälle von Brustkrebs sind diese Rezeptoren bis zu hundert Mal häufiger auf der Zelloberfläche vorhanden.

Diese Tumore wachsen sehr viel schneller und die Krankheit schreitet meist rascher voran. „Wir können die Rezeptoren mit sogenannten HER2-Antikörpern wirksam besetzen“, sagt Prof. Janni. „Sind die Rezeptoren besetzt, können die Wachstumsfaktoren nicht andocken und die Rezeptoren können dann kein Signal zur Teilung weitergeben.“ Die erwünschte Folge: Das Wachstum wird gestoppt oder zumindest verlangsamt.

Wachstumssignale ausschalten

In unserem Körper werden die meisten Zellen immer wieder ersetzt – ein Leben lang. Dies geschieht meist kontrolliert und geordnet. Diese Ordnung wird durch viele Botenstoffe und Beschleuniger sichergestellt. Mediziner sprechen dann meist von Hormonen und Enzymen.

Eines dieser Enzyme ist die Tyrosinkinase. Es überträgt die Wachstumsreize von außen in die Zelle bis hin zum Zellkern. Die Folge dieser Reize oder Signale ist, dass die Zelle sich teilt. Durch Mutationen sind jedoch manche Krebszellen derart verändert, dass die Tyrosinkinasen fortwährend das Signal zur Teilung der Zelle weitergeben. Die Folge ist dann ein unkontrolliertes Wachstum: Krebs. „Heute stehen uns mehrere Medikamente zur Verfügung, die die Signale zur Zellteilung unterbinden“, sagt Prof. Janni. „Die Tyrosinkinase-Hemmer (TKI) sind winzige Moleküle, die durch die Zellwand in die krankhaften Krebszellen eindringen und die Wirkung der Tyrosinkinase hemmen. So wird innerhalb der Zelle die Übertragung des Teilungssignals gestört; die Zellteilung bleibt aus.“ Das Krebswachstum wird gestoppt oder verlangsamt.

Zielgerichtete Therapien: ein hilfreicher Weg

Die neuen Therapieformen können die herkömmlichen Chemo- oder Antihormontherapien in vielen Fällen gut unterstützen, manchmal sogar ersetzen. Manche werden prophylaktisch über einen längeren Zeitraum eingesetzt. „Heute bauen wir die medikamentöse Therapie von Brustkrebs auf drei Säulen auf“, betont Prof. Janni. „Das sind die Chemo- und Antihormon- sowie die zielgerichteten Therapien. Wie diese im Einzelnen eigesetzt werden, hängt von sehr vielen Faktoren ab und ist sehr spezifisch auf das Krankheitsbild der Patienten abgestimmt.“ Und gerade damit werden oft ermutigende Erfolge erzielt.


Prof. Dr. Wolfgang Janni, Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Ulm © Privat