Hyperthermie Heilende Hitze: So wirkt die Hyperthermie

Autor: MPL-Redaktion

Die Hyperthermie selbst heilt nicht – sie ist eine ergänzende Behandlung. © iStock/RapidEye

Manchmal reichen Standardtherapien allein nicht aus, um ein Tumorwachstum zu stoppen. Der Einsatz der Hyperthermie kann dann helfen, die gewählte Primärtherapie wirksamer werden zu lassen – durch eine äußere Erhitzung des Körpers oder einzelner Regionen auf bis zu 45 Grad Celsius.

Perspektive LEBEN führte ein Fachgespräch über die Einsatzmöglichkeiten der Hyperthermie. Teilnehmer waren zum einen der medizinische Vorstand des Asklepios Tumorzentrums Hamburg, Professor Dr. Dirk Arnold. Er ist zugleich Chefarzt der Abteilung Onkologie mit der Sektion Hämatologie und Palliativmedizin in der Asklepios Klinik Altona. Des Weiteren nahm die Privatdozentin Dr. Silke Tribius teil. Sie ist die Chefärztin der Strahlentherapie in der Asklepios Klinik St. Georg.

1. Den Tumor empfindlicher machen

Hyperthermie ist die gezielte Überwärmung des Körpers oder von einzelnen Körperpartien. Dabei wird die Temperatur auf Werte zwischen 40 und 45 Grad Celsius gesteigert. „Bei der Hyperthermie handelt es sich um eine ergänzende Behandlung zu den etablierten Krebstherapien, wie etwa der Chemo- oder Strahlentherapie. Ihr Ziel ist es nicht, die Krebszellen selbst durch Hitze abzutöten, und sie stellt keinesfalls eine ‚Alternative‘ dar“, betont Prof. Arnold. Zum Zwecke der Temperatursteigerung nutzen Ärzte beispielsweise Mikro-, Radiowellen oder auch Ultraschall. Ziel dieser Erwärmung ist es, die Tumorzellen empfindlicher zu machen und so die Strahlen- und Chemotherapie wirksamer werden zu lassen. „Immer wenn Tumoren nicht besonders sensibel auf eine Chemo- oder Strahlentherapie ansprechen, kann der Einsatz einer Hyperthermie lohnend sein“, erläutert Prof. Arnold und ergänzt: „Bei den Anwendungsformen unterscheiden wir ganz grundsätzlich zwischen einer lokalen und einer Ganzkörperhyperthermie.“

2. Lokale Hyperthermie ergänzend zur Strahlen- und Chemotherapie

„Da eine Strahlentherapie in der Regel lokal erfolgt, lässt sie sich in bestimmten Fällen mit einer lokalen Hyperthermie kombinieren“, sagt Dr. Tribius. „Behandelt werden vornehmlich oberflächliche, dicht unter der Haut liegende Primärtumoren und Metastasen oder aber hypoxische, also sauerstoffarme Tumoren.“ Letztere sind häufig resistent gegen eine Strahlentherapie. Experten gehen davon aus, dass verschiedene Mechanismen für die Wechselwirkung von Hyperthermie und Strahlentherapie verantwortlich sind. Vor allem aber werden durch die Erwärmung die Blutgefäße erweitert. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Durchblutung, die zu einer gesteigerten Sauerstoffversorgung des Gewebes und damit zu einer erhöhten Strahlensensibilität führt. „Die Wirkung einer Strahlentherapie kann durch eine zeitnahe Hyperthermie gesteigert werden. Bestrahlung verursacht Schäden in der DNA beziehungsweise im Erbgut der Zellen. Während gesunde Zellen gut reparieren können, sind Tumorzellen nur eingeschränkt zur Reparatur fähig. Dieser Effekt kann durch eine zusätzliche Hyperthermie verstärkt werden. Das gesunde Gewebe wird weitestgehend geschont“, erklärt Dr. Tribius.

Ein Anwendungsbeispiel ist die Behandlung eines Rezidivs bei Patientinnen mit Mammakarzinom, vor allem bei sogenannten Brustwandrezidiven. Da die lokale Hyperthermie die Wirkung der Strahlentherapie verstärkt, können eventuell sogar Frauen mit einer niedrigeren Dosis bestrahlt werden, wenn eine Bestrahlung dieser Körperregion bereits erfolgte. Diese Anwendung ist jedoch kein Standard. Eine lokale Hyperthermie dauert circa ein bis zwei Stunden. Die Häufigkeit der Anwendung ist abhängig von der Art des Tumors und der individuellen Krankheitssituation.

„Auch die Wirkung einer Chemotherapie kann durch den Einsatz einer lokalen Hyperthermie gesteigert werden“, so Prof. Arnold. Experten vermuten, dass dabei die erhöhte wärmebedingte Durchlässigkeit der Zellmembranen der wichtigste Effekt ist, da diese zu einer rascheren intrazellulären Aufnahme von Zytostatika im Zellinneren und somit zu einer erhöhten Konzentration von Arzneimitteln im Tumor führt. Durch die gesteigerte Durchblutung gelangen auch in ursprünglich schlecht durchblutete Tumorbezirke höhere Zyto­statika-Mengen, zum Beispiel ins Innere sehr großer Tumoren. So kann die Wirkung der Medikamente auf Zellen, die unter normalen Temperaturen nur schlecht auf die Behandlung ansprechen, verbessert werden. Zudem entfalten Zytostatika in stärker durchbluteten Tumorarealen ihre Wirkung besser.

3. Ganzkörperhyperthermie

Während der Ganzkörperhyperthermie wird der gesamte Körper, mit Ausnahme des Kopfes, überhitzt. Es wird quasi ein hohes Fieber simuliert. Die hohen Temperaturen verstärken die allgemeine Durchblutung. Das ist insbesondere im Bereich des Tumorareals wichtig, denn damit tragen sie zu einer deutlich verbesserten Wirkung von Strahlen- und Chemotherapie bei. Die Ganzkörperhyperthermie wird in erster Linie zur Behandlung von Tumoren eingesetzt, die bereits gestreut beziehungsweise metastasiert haben – so etwa beim fortgeschrittenen Bauchspeicheldrüsen- oder Darmkrebs. Eine Therapiesitzung mit einer Ganzkörperhyperthermie dauert circa zwei bis vier Stunden.

4. Aktivierung des Immunsystems

Neben der verstärkenden Wirkung bei einer Chemo- oder Strahlentherapie kann eine Hyperthermie-Behandlung dazu führen, dass Zellen sogenannte Hitzeschockproteine bilden. Das geschieht vor allem bei einer lang andauernden Therapie in Temperaturbereichen von etwa 41 bis 43 Grad Celsius. „Das kann dazu führen, dass das körpereigene Immunsystem die Tumorzellen besser erkennt und sie effektiver bekämpft“, erklärt Prof. Arnold. Die Hyperthermie zählt in Deutschland bisher noch nicht zu den Standardbehandlungen bei Krebs. Patienten sollten sich demzufolge stets eine Zweitmeinung einholen. Experten empfehlen darüber hinaus, eine Behandlung nur im Rahmen von klinischen Studien oder unter wissenschaftlich kontrollierten und dokumentierten Bedingungen durchzuführen.


Prof. Dr. Dirk Arnold; Chefarzt der Abteilung Onkologie mit der Sektion Hämatologie und Palliativmedizin, Asklepios Klinik Altona © privat
Privatdozentin Dr. Silke Tribius; Chefärztin der Strahlentherapie, Asklepios Klinik St. Georg © privat