Brustkrebs Bestrahlung: Immer präzisere Therapie

Autor: MPL-Redaktion

Oft kann heute der Tumor so behandelt werden, dass die Brust erhalten bleibt. © iStock/YinYang

Mit über 70.000 Neuerkrankungen ist der Brustkrebs die häufigste Krebsart in Deutschland. Wird er früh entdeckt, können sehr viele Frauen geheilt werden. Hierbei wiederum ist die Strahlentherapie ausgesprochen wichtig.

Auch für den Brustkrebs gilt, dass das Alter der größte Risikofaktor für eine Erkrankung ist. Je älter die Menschen im Gesamten werden, umso mehr Krebserkrankungen müssen in Zukunft diagnostiziert werden.

Die häufigste Krebserkrankung überhaupt

Darüber hinaus gilt, dass der Brustkrebs nicht nur die häufigste Krebserkrankung der Frau ist. Brustkrebs ist die häufigste Krebsart überhaupt. „Frühe Stadien und nicht sehr aggressive Tumorarten sind heute fast alle heilbar“, sagt Professor Dr. Daniel Zips, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Radioonkologie in Tübingen.

„Das heißt nicht, dass diese Erkrankungen auf die leichte Schulter genommen werden dürfen. Sondern das heißt, dass die ausgefeilten Behandlungskonzepte von Operation, Medikamenten und Strahlentherapien gut wirken.“

Das Risiko senken

Nach der Chemotherapie, die vor oder nach einer Operation angewendet wird, und der Operation selbst fragen sich viele Frauen: Ist eine Bestrahlung dann überhaupt noch notwendig? Und: Sind die Belastungen durch die Strahlentherapie nicht viel zu groß, in der Relation zum Nutzen? „Die klare Antwort ist ‚nein‘.

Der Nutzen einer Strahlentherapie ist fast immer größer als das Risiko. Daher werden heute fast alle Frauen mit Brustkrebs bestrahlt“, betont Prof. Zips. „Insbesondere bei den sogenannten brusterhaltenden Operationen sind Bestrahlungen meist unumgänglich.“

Das Risiko, dass die Erkrankung wieder aufflammen kann, wird durch die Bestrahlung halbiert. Das haben viele und sehr große Studien längst bewiesen. Die Möglichkeit sollte in jedem Fall genutzt werden.

Gut verträglich

Heute werden die meisten Frauen entsprechend dem Goldstandard bestrahlt. Goldstandard bedeutet in diesem Zusammenhang, dass davon abweichende Vorgehensweisen mindestens die guten Ergebnisse des Standards erbringen müssen – niemals weniger.

Je nachdem, wie hoch das Risiko eines Rezidivs eingeschätzt wird, dauert die klassische Form der Bestrahlung fünf bis sechs Wochen, mit 25 bis 32 Einzelbestrahlungen. Davon werden 25 Einzelbestrahlungen mit einer geringen Dosis auf die gesamte Brust gerichtet. Fünf bis acht Einzelbestrahlungen werden bei einigen Patientinnen nur auf das Tumorbett gerichtet.

Fachleute sprechen dabei von einem sogenannten Boost. Die Dosis pro Sitzung ist beim Boost identisch zur Bestrahlung der gesamten Brust. Als ein neuer Goldstandard kann heute vielen Frauen eine verkürzte Bestrahlung mit 15 bis 20 Sitzungen angeboten werden. Fachleute bezeichnen diese als hypofraktionierte Bestrahlung.

Die Behandlung erfolgt meist ambulant

Diese Behandlungen werden meist ambulant durchgeführt und sind im Allgemeinen auch gut verträglich. „Gravierende Nebenwirkungen, die früher auftraten, gehören längst der Vergangenheit an“, sagt Prof. Zips. „Die heutigen Geräte können ganz gezielt auf das Bestrahlungsfeld ausgerichtet werden.“ Auch die Strahlenintensität kann heute so genau gesteuert werden, dass das hinter dem Strahlenfeld gelegene Gewebe gut geschont bleibt.

„Die Haut wird gegen Ende der Bestrahlung immer ein wenig gereizt sein“, berichtet Prof. Zips. „Daher sollen die Patientinnen die betroffene Haut gut mit einer nicht parfümierten Lotion pflegen, leichte und lockere Kleidung tragen und nicht zum Schwimmen gehen oder Sonnenbäder nehmen.“ Grundsätzlich gilt, dass sich die Haut innerhalb von etwa vier bis acht Wochen vollständig erholt.

Gegen das eher seltene Fatigue-Syndrom bei der Strahlentherapie empfiehlt Prof. Zips viel fordernde Bewegung an der frischen Luft, leichte und mediterrane Ernährung sowie viele anregende Kontakte mit Freunden und Bekannten.

Über den Goldstandard hinaus

Für die Strahlentherapie hat die Zukunft in vielen radioonkologischen Zentren bereits begonnen. Dabei werden im Wesentlichen vier neue Wege beschritten, um den bestehenden Goldstandard in seiner Wirkung zu übertreffen oder den Komfort für die Patientinnen zu erhöhen – ohne die Wirkung der Strahlentherapie einzuschränken. „Dreh- und Angelpunkt dieser Überlegungen ist, die Strahlentherapie der individuellen Situation der Patienten anzupassen“, sagt Prof. Zips. „Wir nennen dies risikoadaptierte Bestrahlungsregime und -arten. Auf diese Weise können wir eine personalisierte Strahlentherapie etablieren.“

Skandinavische Wissenschaftler haben einen wichtigen Zusammenhang von Strahlentherapie und Herzerkrankungen bei Brustkrebs entdeckt. Sie fanden heraus, dass Frauen, die vor mehr als 20 Jahren auf der linken Seite bestrahlt wurden, sehr viel häufiger an Herzerkrankungen leiden als diejenigen, die auf der rechten Seite bestrahlt wurden.

Rasch wurde klar, dass offensichtlich das Herz häufig mit bestrahlt wurde und daraus die Beschwerden resultieren. „Heute können wir das fast vollständig vermeiden“, sagt Prof. Zips. „Durch moderne Bestrahlungstechniken der letzten 10 bis 20 Jahre ist das Risiko deutlich gesunken und nicht mehr signifikant unterschiedlich zwischen Bestrahlung auf der linken und der rechten Seite. Die Grenzdosis, die am Herz nicht überschritten werden darf, ist gut bekannt. Falls die Grenzdosis nicht eingehalten werden kann, wird eine Bestrahlung mit angehaltenem Atem durchgeführt. Während des Ein- und Ausatmens verändert sich die Lage des Herzens. Dies nutzen wir aus, indem wir nur dann bestrahlen, wenn das Herz möglichst weit weg vom Strahlenfeld ist. Wir nennen das die atmungsabhängige Bestrahlung.“

Jeder Einzelfall wird genau geprüft

Neueste Studien zeigen auch, dass besonders ältere Patienten mit weniger aggressivem Tumor von den Boost-Bestrahlungen nicht immer profitieren. Daher wird heute in Tübingen sehr genau geprüft, ob diese zusätzlichen Bestrahlungen im Einzelfall notwendig und nützlich sind. Für diese Patienten kann es darüber hinaus von Vorteil sein, dass sie mit weniger, aber dafür höher dosierten Einzelbestrahlungen behandelt werden.

Bei dieser sogenannten hypofraktionierten Bestrahlung profitieren die Patienten von einer kürzeren Behandlungsdauer bei insgesamt geringerer Strahlendosis. „Derzeit arbeiten wir an Bestrahlungskonzepten, die nur noch wenige, sehr zielgerichtete und intensive Sitzungen vorsehen“, sagt Prof. Zips.

„Mit diesen individualisierten Konzepten leisten wir einen zukunftsweisenden Beitrag, dass immer mehr Frauen den Brustkrebs vollständig besiegen können.“


Prof. Dr. Daniel Zips, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Radioonkologie in Tübingen © Privat