Therapiefolgen Fatigue: Jeder Zweite ist betroffen

Autor: Heiko Schwöbel

Warum die Fatigue bestimmte Patienten mehr betrifft als andere, ist bis heute ungeklärt. © iStock/lolostock

Während und nach der Krebsbehandlung fühlen sich viele Patienten ausgelaugt. Körper und Geist wollen nicht so recht auf Touren kommen. Auch ausgiebiger Schlaf bringt keine Besserung. Mediziner sprechen dann von einer Fatigue. Lesen Sie in Perspektive LEBEN, wie die Müdigkeit überwunden werden kann.

Über die Hälfte aller Tumorpatienten ist unter einer laufenden Chemo- oder Strahlentherapie von dieser übermäßigen Müdigkeit und Antriebslosigkeit betroffen. „Wen es trifft und warum Fatigue auftritt, ist noch weitgehend unbekannt“, erklärt Professor Dr. Dr. Frank Mayer, Facharzt für Innere Medizin sowie Hämatologie und Onkologie in Friedrichshafen am Bodensee. „Es scheint so, dass die Fatigue mehr oder weniger zu Tumorerkrankungen mit dazu gehört – es ist nichts besonderes.“

Ganz wichtig ist dabei, dass Fatigue an sich kein schlechtes Vorzeichen für den Behandlungserfolg ist. Allerdings sollen alle Beteiligten darauf achten, dass – trotz der Fatigue – alle geplanten Behandlungsschritte konsequent durchgeführt werden. Zudem gilt, dass sich eine Fatigue meist nach und nach aus dem Leben der Patienten wieder ausschleicht.

Suche nach behandelbaren Auslösern

Treten erste Anzeichen einer Fatigue auf, muss abgeklärt werden, ob für die Antriebslosigkeit und Schlappheit behandelbare körperliche Ursachen vorliegen. „Dies können zum Beispiel veränderte Zusammensetzungen der Blutsalze wie zu wenig Natrium oder zu viel Kalzium, ein Mangel an Schilddrüsen- oder Nebennierenrindenhormonen, Blutarmut, aber auch eine depressive Episode sein“, sagt Prof. Mayer. „Viele dieser Ursachen können mit entsprechenden Medikamenten und Therapien gut beseitigt oder zumindest gelindert werden.“

Davon unabhängig hat sich im Verlauf der letzten Jahre gezeigt, dass eine Fatigue mit körperlicher Bewegung gut zurückgedrängt werden kann. Entscheidend ist dabei, dass mit der fordernden Bewegung die Leistungsfähigkeit des gesamten Körpers gesteigert wird. Völlig unabhängig davon, von welchem Niveau aus gestartet wird, ist dabei wichtig, dass die Steigerung in kleinen Schritten vorgenommen wird.

„Dazu braucht es Zeit und Durchhaltevermögen“, betont Prof. Mayer. „Überforderungen sollen auf jeden Fall vermieden werden. Übermut ist völlig fehl am Platz.“ Die gute Nachricht dabei ist, dass mit der höheren Leistungsfähigkeit auch der Alltag oft viel besser bewältigt werden kann und die Erholungsphasen nach der körperlichen Anstrengungen in der Regel kürzer werden.

Mit Mut gegen die Fatigue

Um der dauernden Ermüdung zu begegnen, bedarf es klarer Entschlossenheit und gutem Durchhaltevermögen:

  • Machen Sie die Bewegung zum täglichen Ritual, das Sie in Ihren Alltag einbauen.
  • Verabreden Sie sich in einer Gruppe, um gemeinsam zu Walken oder zu Joggen.
  • Setzen Sie sich Ziele: etwa, welche Strecke Sie bald schaffen wollen.

Schritt für Schritt aktiv werden

Unter körperlicher Betätigung werden alle Aktivitäten verstanden – nicht nur die mit Sporttrikot und Turnschuhen. Vielmehr geht es darum, in den Alltag ganz selbstverständlich mehr Bewegung einzubauen und diese konsequent umzusetzen. Wie kann solche Bewegung aussehen? „Gartenarbeit, Treppenlaufen, Wandern, Schwimmen, alles hilft“, erläutert Prof. Mayer. „Wichtig ist, dass der Puls ein wenig hoch geht, die Atmung tiefer wird und die Muskeln gespürt werden.

Die Belastung ist dann richtig, wenn während der Betätigung eine Unterhaltung locker und leicht geführt werden kann.“ Das erfordert Geduld, auch vom Partner und von Freunden. Aber es lohnt sich: Denn die gesteigerte körperliche Aktivität kann die Fatigue zurückdrängen. Und werden in kleinen Schritten Intensität und/oder Dauer der Betätigung gesteigert, wirkt sich dies positiv auch auf die Leistungsfähigkeit des Körpers aus.


Unser Experte Prof. Dr. Dr. Frank Mayer ist Facharzt für Innere Medizin sowie Hämatologie/Onkologie in Friedrichshafen am Bodensee. © privat