Prostatakrebs Roboter-Diagnostik: Mit neuer Technik zu mehr Gewissheit

Autor: MPL-Redaktion

Die neue Diagnostik bietet mehr Sicherheit für die richtige Entscheidung. © aletia2011 – stock.adobe.com

Besteht ein Verdacht auf ein Prostatakarzinom, muss das verdächtige Tumorgewebe genauer untersucht werden. Standard ist eine Gewebeentnahme mit einer feinen Biopsienadel, wobei sich der Arzt an einem Ultraschallbild orientiert. Dies gelingt leider nicht bei jedem Tumor mit ausreichender Genauigkeit. Für diese Patienten gibt es eine neue Möglichkeit: Roboter entnehmen Gewebeproben aus der Prostata – millimetergenau und im Zentrum des verdächtigen Krebsgewebes.

Hinter der neuen Methode steckt eine komplexe Technik, viel Sachverstand und Forschungsleistung. Für den Patienten mit erhöhtem PSA-Wert oder auffälligem Tastbefund ist der Ablauf denkbar einfach: Wenn eine per Ultraschall überwachte Biopsie trotz dringendem Tumorverdachts unauffällig bleibt oder die verdächtigen Prostataareale schwer zugänglich sind, kann die Methode eingesetzt werden. Mithilfe einer Magnetresonanztomographie (MRT) wird dann die Prostata untersucht. Am Bildschirm werden die verdächtigen Stellen erkannt und auf den Bildern elektronisch markiert.

Zwei Untersuchungen: Ein dreidimensionales Bild

Am Tag des Eingriffs kommt der Patient vormittags in die Klinik. Noch vor der Narkose wird ein Ultraschall der Prostata eingerichtet. Das System spielt nun die Live-Ultraschalldaten mit den gespeicherten Daten des MRT zusammen. Mediziner sprechen von einer MRT-Fusions-Biopsie. Daraus erzeugt das System ein Live-Bild in drei Dimensionen. Es unterscheidet vorne – hinten, oben – unten und rechts – links. Die auffälligen Regionen der Prostata, die vorher mit den MRT-Daten markiert wurden, sind deutlich gekennzeichnet.

Die Prostata

Die Prostata – auch Vorsteherdrüse genannt – gehört zu den inneren Geschlechtsorganen des Mannes. Die Prostata hat die Größe und Form einer Kastanie und wiegt ungefähr 20 Gramm. Sie befindet sich zwischen der Harnblase und dem Beckenboden. Hinter ihr liegt der Mastdarm. Die Vorsteherdrüse umhüllt den Beginn der Harnröhre und besteht aus zahlreichen Drüsen. Die Hauptaufgabe der Prostata ist die Sekretbildung.

Während der Operation, in der die Gewebeproben entnommen werden, schläft der Patient unter dem Narkosemittel. Dann werden die Gewebeproben, auch Biopsien genannt, entnommen. Dafür sticht der Biopsie-Roboter einmal links und rechts durch den Damm in Richtung Prostata. Dort angekommen entnimmt er an den markierten Stellen die Gewebeproben, und zwar millimetergenau und in der vorgeschriebenen Länge – in allen drei Dimensionen. Zusätzlich gibt der Untersucher dem Roboter noch weitere Stellen vor, an denen Proben zu entnehmen sind. So kann er sicher sein, dass er alle kritischen Bereiche der Prostata erreicht hat. Insgesamt werden meist 18 Proben entnommen.

Sichere Entnahme der Proben

Das an der Universitätsklinik in Tübingen eingesetzte Gerät heißt „Mona Lisa“, so Professor Dr. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie. Neben Mona Lisa gibt es weitere Systeme zur MRT-Fusions-Biopsie mit oder ohne Roboterassistenz. Mithilfe des Roboters und dem Zugang über den Damm ist die Entnahme der Proben sicherer und weniger belastend. Selbstverständlich sind die Patienten trotz Robotereinsatzes ständig unter der Beobachtung. Die meisten Patienten werden nach einer kurzen Aufwachphase wieder nach Hause entlassen.

Durch die Robotorassistenz unschlagbare Genauigkeit

„Die sehr hohe Präzision von Mona Lisa schafft kein Operateur der Welt“, sagt Prof. Stenzl. „Diese Präzision und die Tatsache, dass man nach Monaten und Jahren an der gleichen Stelle wieder Gewebeproben zur Verlaufsbeobachtung entnehmen kann, sind entscheidende Vorteile für die Patienten. Wir können sehr viel sicherer zwischen der Operation und der aktiven Überwachung ohne Operation als Behandlungsoptionen entscheiden.“ Ob die Kosten dafür übernommen werden, muss dabei mit der jeweiligen Krankenkasse geklärt werden.

Die gute Nachricht ist: Mithilfe der neuen Methoden gelingt es, dass bis zu 25 % der Patienten mit ihrem Prostatakrebs in der aktiven Überwachung bleiben können. „Ohne diese neue hochpräzise Methode müssten wir diese Patienten operieren oder bestrahlen“, betont Prof. Stenzl. „Die Unsicherheit wäre zu groß, dass die Erkrankungen doch aggressiv und damit auch gefährlich sind.“

Viele Vorteile für den Patienten

Diese Vorteile können Systeme zur roboterassistierten MRT-Fusions-Biopsie sogar mehrfach bei ein und demselben Patienten ausspielen. Denn sind die verdächtigen Areale der Prostata einmal markiert, gespeichert und biopsiert, können die Geräte genau diese Punkte später millimetergenau wieder auffinden helfen, um erneut eine Probe zu entnehmen. Der Arzt weiß dann ganz genau, ob und wie sich das verdächtige Gewebe verändert hat. Diese Nachuntersuchungen werden bei der aktiven Überwachung immer dann notwendig, wenn der PSA-Wert ansteigt oder Ultraschall oder Kernspin neue Anhaltspunkte liefern, dass der Tumor sich aggressiver als ursprünglich vermutet entwickelt.

Nicht vom Darm aus, sondern vom Damm

Ein weiterer wichtiger Vorteil des Diagnose-Systems per MRT-Fusions-Biopise liegt im gewählten Zugangsweg zur Prostata. Die meisten bisherigen Biopsien werden durch den Enddarm vorgenommen – was die Gefahr von Infektionen erhöht.

Im Gegensatz dazu erfolgt bei der MRT-Fusions-Biopsie die Biopsie vom Damm aus. Ein Eindringen von Darmbakterien in die Blutbahn kann so vermieden werden. Darüber hinaus werden sämtliche Gewebeproben von ausschließlich zwei kleinen Einstichstellen im Dammbereich entnommen. Eine Mehrfachpunktion der Haut ist damit nicht nötig.


Professor Dr. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie der Universitätsklinik Tübingen © privat