Immunsystem nutzen Mit neuen Medikamenten den Lungenkrebs attackieren

Autor: MPL-Redaktion

Endlich wieder durchatmen: Neue Behandlungen steigern die Lebensqualität der Patienten. © iStock/Wavebreakmedia

Jährlich erkranken rund 44.000 Menschen in Deutschland an Lungenkrebs. Die Erkrankungsraten bei Frauen steigen weiter an. Gleichzeitig verbessert sich aber auch die Prognose, denn die Therapiemöglichkeiten werden immer individueller.

Gerade in den letzten Jahren konnten Medikamente auf den Markt gebracht werden, die ganz neue Therapie-Optionen bieten. Perspektive LEBEN sprach dazu mit dem Experten Professor Dr. Stefan Andreas. Er ist Chefarzt der Lungenfachklinik Immenhausen bei Kassel, die pneumologische Lehrklinik der Universitätsmedizin Göttingen ist. Bevor Ärzte über die Therapie eines Lungentumors entscheiden, muss zuerst seine Art bestimmt werden. Dies ist ganz entscheidend für den Behandlungserfolg. „Ebenso untersuchen wir, ob der Tumor auf die Lunge begrenzt ist oder ob bereits Metastasen vorliegen.

Erst nach diesen sogenannten Staging-Untersuchungen legen wir die Therapie-Strategie fest“, so Prof. Andreas. „Im Idealfall operieren wir den Tumor. Denn die vollständige Entfernung des Tumors führt meist zu einer vollständigen Heilung.“

Therapie und Diagnostik werden immer komplexer – zum Wohl der Patienten

Ist eine Operation nicht möglich, hilft in einigen Fällen auch eine vorgeschaltete Chemotherapie. Sie soll den Tumor so verändern, dass er besser operiert werden kann. Die Experten sprechen dabei von einer neoadjuvanten Therapie. Allerdings operieren sie nicht alle Tumorarten. Kleinzellige Tumoren können in der Regel nicht entfernt werden. „Bei Patienten mit Lymphknotenmeta­stasen versuchen wir meist, mit einer Chemo- und Strahlentherapie ebenfalls eine Heilung zu erreichen“, lautet die gute Nachricht von Prof. Andreas. In anderen Fällen werden Chemotherapeutika eingesetzt, mit dem Ziel, die Lebensqualität der Patienten zu erhalten und das Leben zu verlängern. „All das passiert stets individuell. Im Rahmen einer Tumorkonferenz setzt sich der Pneumologe mit dem Pathologen, dem Radiologen, dem Onkologen sowie dem Strahlentherapeuten zusammen. Gemeinsam legen sie so die Strategie fest“, betont Prof. Andreas.

Immer modernere Medikamente

Die von den Pathologen durchgeführte feingewebliche Lungentumor-Diagnostik hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Ärzte sind mittlerweile in der Lage, sehr spezifische Therapieverfahren anzuwenden, die genau auf bestimmte Tumorarten zugeschnitten sind. Die Forschung befindet sich in einem erfolgreichen Lernprozess. Durch personalisierte Therapien ist es mittlerweile möglich, die Tumoren durch sogenannte molekulare Marker zu charakterisieren. Nachfolgend bekämpfen die Ärzte diese Tumoren dann zielgerichtet mit speziellen Medikamenten. „So setzen wir beispielsweise bei Lungenkarzinomen mit besonderen Mutationen gezielte Therapien wie Tyrosinkinasehemmer ein. Sie unterbinden die Zellteilung des Tumors, verhindern weiteres Wachstum und lassen ihn absterben“, erklärt Prof. Andreas.

Noch ist die Zahl der Patienten, die für eine solche Behandlung infrage kommen, mit 10–15 Prozent recht gering. Prof. Andreas ist jedoch sehr zuversichtlich, dass sie in den nächsten Jahren ansteigt: „Wir werden in der Zukunft immer mehr Patienten mit diesen Medikamenten gezielt behandeln können.“ Das Fatale bei Krebserkrankungen ist, dass der Tumor lernt, sich gegen das körpereigene Immunsystem zu schützen. Bildlich gesprochen, hat er sich eine Tarnkappe aufgesetzt und wird so von den Immunzellen nicht mehr entdeckt beziehungsweise abgetötet. Der Tumor wächst ungehindert weiter. Dagegen helfen neuerdings sogenannte Immuntherapien.

Den Tumor enttarnen

Hier wird mit Medikamenten das körpereigene Immunsystem so aktiviert, dass es den Tumor zerstört. „Diese neue Therapieform ist ebenfalls sehr vielversprechend. Es gibt dazu laufend neue Studien und Ergebnisse, die bereits eingesetzt werden und für die nahe Zukunft viel Mut machen“, so Prof. Andreas.

Die Nebenwirkungen einer konventionellen Chemotherapie bekommen die Experten schon seit Jahren immer besser in den Griff. Aber auch vor den neuen medikamentösen Behandlungsformen müssen sich Patienten nicht fürchten. Die Nebenwirkungen der zielgerichteten Therapie sind meist Hautveränderungen, die Betroffene mit Cremes gut unterdrücken können. Darüber hinaus können vorübergehend Darmbeschwerden, Müdigkeit und Schlappheit auftreten. Bei der Immuntherapie werden teilweise auch normale Zellen angegriffen. Die Nebenwirkungen sind im Vergleich zur konventionellen Therapie relativ gering ausgeprägt. Sie betreffen die Schilddrüse, den Darm und die Lunge, Letztere in Form von Atembeschwerden.

Behandlung – bitte nur in Zentren!

Die Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten eines Lungenkrebses sind vielfältig. Sie müssen intelligent kombiniert werden. „Das kann am besten in entsprechenden Lungentumor-Zentren geschehen. Hier sitzen die unterschiedlichen Experten, die für eine ganzheitliche Betrachtung und Analyse wichtig sind, regelmäßig an einem Tisch. Gemeinsam legen sie dann die Behandlungsstrategie fest“, betont Prof. Andreas. Etwa 50 solcher Lungentumor-Zentren gibt es in Deutschland. Zu finden sind sie auf der Seite der Deutschen Krebsgesellschaft beziehungsweise hier.

Zu guter Letzt weist Prof. Andreas noch auf das Thema Tabakentwöhnung hin. Im Gegensatz zu früheren Ansichten lautet heutzutage die Empfehlung für Patienten mit Lungenkrebs, mit dem Rauchen aufzuhören. „Wer aufhört zu rauchen, verbessert seine Prognose, der Tumor lässt sich besser behandeln und die Lebensqualität steigt.“


Prof. Dr. Stefan Andreas; Chefarzt der Lungenfachklinik Immenhausen bei Kassel © privat