Darmkrebs Gezielt und Schritt für Schritt gegen den Krebs

Autor: MPL-Redaktion

Bei Darmkrebs haben sich in den letzten Jahren immer mehr Erfolg versprechende Therapien etablieren können. © iStock/Ridofranz

Rechtzeitig erkannt, kann Darmkrebs oft mit einer Operation besiegt werden. Strahlentherapie und Medikamente schützen gegen Rezidive und sind bei fortgeschrittener Erkrankung wichtige Instrumente im Kampf gegen den Krebs.

Die Operationstechnik gegen den Darmkrebs ist so weit ausgereift, dass der Krebs, wenn er frühzeitig entdeckt wird, gut und sicher besiegt werden kann. Häufig kann die Operation mit der Schlüssellochtechnik durchgeführt werden. Fachleute sprechen dabei von sogenannten laparoskopischen oder minimal-invasiven Operationen. Patienten können nach einer laparoskopischen Operation das Krankenhaus im Durchschnitt deutlich früher verlassen als nach einer offenen Operation, wie sie früher durchgeführt wurde. Betrifft der Krebs den Enddarm, so wird er in bestimmten Fällen mit einer gezielten Strahlentherapie schon vor der Operation bekämpft und zurückgedrängt. „Mit dieser Strahlentherapie können wir das Rückfallrisiko weiter reduzieren“, sagt Professor Dr. Thomas Herrmann, Chefarzt der Medizinischen Klinik 1 am Westküstenklinikum Heide. „Die Patienten profitieren von dieser Vorgehensweise ganz erheblich.“

Gesunde Zellen möglichst schonen

Wir sind ständig Strahlung aus dem Weltraum und der Erde ausgesetzt. Diese verursacht immer wieder kleine Schäden im Erbgut unserer Zellen. Diese Schäden werden durch einen natürlichen Reparaturmechanismus meist gut beseitigt. Wenn die Strahlung aber zu stark ist, können die Schäden nicht mehr repariert werden. Dann stirbt die betroffene Zelle ab oder sie verändert sich. Das Besondere ist, dass Krebszellen gegenüber den Strahlen meistens deutlich empfindlicher als gesunde Zellen sind. Dies nutzt die Strahlentherapie aus. Dabei wird die Strahlentherapie mit modernen Techniken so exakt geplant, dass die Krebszellen möglichst stark geschädigt und die gesunden Zellen so weit wie möglich geschont werden.

Behandlung fortgeschrittener Tumoren

„Wenn der Krebs aus dem Darm in andere Organe gestreut hat, sprechen wir von einer metastasierten Erkrankung“, sagt Prof. Herrmann. „Meta­stasen treten beim Darmkrebs meistens zunächst in der Leber und dann in der Lunge auf.“ Dies ist mit der Tatsache zu erklären, dass der Abstrom von Flüssigkeit aus dem Dickdarm in den Körper über die Lymphe und das Blut zuerst in die Leber und von dort aus weiter in die Lunge erfolgt. Daher siedeln sich mitgeschleppte Darmkrebszellen oft in der Leber oder der Lunge an und bilden dort Metastasen. Wie fortgeschrittener Darmkrebs behandelt werden muss, wird meist von einem interdisziplinären Team, der sogenannten Tumorkonferenz, diskutiert und entschieden. Wichtige Faktoren für die Behandlung sind die Ausdehnung der Erkrankung und der Allgemeinzustand des Patienten.

Nebenwirkungen lindern

Grundlage bei der Bekämpfung des fortgeschrittenen Darmkrebses ist die Chemotherapie. Krebszellen teilen sich meist schnell und häufig. Die Wirkstoffe der Chemotherapie sind darauf ausgelegt, in diesen Teilungsprozess einzugreifen und so die Zelle in den Zelltod zu schicken. Da sich auch gesunde Zellen in unserem Körper teilen, können auch diese an sich gesunden Zellen angegriffen, geschwächt und zerstört werden. Dazu gehören zum Beispiel die Zellen in den Haarwurzeln, im Knochenmark und in den Schleimhäuten. „Diese Nebenwirkungen sind oft nicht ganz zu verhindern“, sagt Prof. Herrmann. „Mit modernen Begleittherapien können sie jedoch weitgehend vermieden bzw. oft gut behandelt werden.“

Rechts oder links?

Forscher und Mediziner haben in der jüngsten Vergangenheit herausgefunden, dass Dickdarmkrebs, der auf der rechten Seite des Darms entsteht, zum Teil Unterschiede aufweist zu dem, der sich auf der linken Seite des Darms befindet. Diese Unterschiede reichen so weit, dass der Tumor auf unterschiedliche Therapiekonzepte und damit auch auf Wirkstoffe unterschiedlich anspricht. „Diese Erkenntnis hat bereits Einzug in die Empfehlungen der Darmkrebsbehandlung gehalten“, sagt Prof. Herrmann. Die Grundlagen hierfür sind Gegenstand aktueller Forschung.

Signale stoppen

Krebszellen tragen auf ihrer Oberfläche oft spezifische Rezeptoren, die, nach entsprechender Anregung, Wachstumssignale im Inneren der Zelle auslösen können. Diese spezifischen Besonderheiten einer Krebszelle können als Angriffspunkt gegen den Krebs genutzt werden. Die Idee dahinter ist, die Rezeptoren mit bestimmten Substanzen so zu besetzen und damit zu blockieren, dass die Wachstumssignale nicht mehr an das Zellinnere weitergegeben werden können. Auch Darmkrebszellen tragen derartige Rezeptoren. Ein Angriffspunkt ist der sogenannte epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR). Dieser Rezeptor wird mit einem EGFR-Antikörper besetzt und damit wird das Wachstumssignal gestoppt. Allerdings wirken diese Antikörper nur bei etwa der Hälfte der Patienten. Bei der anderen Hälfte liegt eine Mutation der Zellen vor, die den Signalweg so verändern, dass der EGFR-Antikörper nicht wirken kann. Fachleute sprechen dann von sogenannten RAS-Mutationen. Vor einer Therapie mit einem EGFR-Antikörper wird daher untersucht, ob dieser grundsätzlich beim Patienten wirken und so die Chemotherapie unterstützen kann. Neue Studien zeigen bemerkenswerterweise, dass besonders Patienten von diesen Antikörpern profitieren, bei denen der Tumor auf der linken Dickdarmseite entstanden ist.

Versorgung stoppen

Tumoren brauchen für ihr Wachstum viel Sauerstoff und Nährstoffe. Diese werden, schon ab einer Tumorgröße von etwa zwei Millimeter, von Blutgefäßen herangeschafft, die für den Tumor neu gebildet werden. Der Tumor sendet dafür Botenstoffe, sogenannte Wachstumsfaktoren, aus, die die Blutgefäße anregen, neue Gefäße in Richtung des Krebsherdes zu bilden beziehungsweise bestehende zu vergrößern. Mediziner nennen diesen Vorgang Angiogenese. Dies ist ein weiterer Ansatzpunkt im Kampf gegen den Krebs. Die Idee dabei ist, dass die Wachstumsfaktoren selbst oder die Andockstationen der Wachstumsfaktoren auf den Blutgefäßen mit sogenannten Angiogenese-Hemmern blockiert und so das weitere Einsprossen der Blutgefäße in den Tumor und damit das Wachstum des Tumors verhindert werden. Für diese Antikörper konnte bislang noch keine Abhängigkeit der Wirkung von der Lage des Ursprungstumors gezeigt werden.

„Wir wissen, dass mit einer medikamentösen Therapie unter Einsatz geeigneter Zytostatika und passender Antikörper das Überleben bei fortgeschrittenem Darmkrebs deutlich verlängert werden kann“, sagt Prof. Herrmann. „Vor diesem Hintergrund sind diese Erkenntnisse in die Empfehlungen der Fachgesellschaften aufgenommen worden.“


Prof. Dr. Thomas Herrmann; Chefarzt der Medizinischen Klinik 1, Westküstenklinikum Heide © privat