Finanzierung Was tun, wenn die Kasse nicht zahlt?

Autor: Perspektive LEBEN

Was ist jetzt nötig? Die Krankenkassen sind verpflichtet, Kostenüber­nahme-Anträge zu prüfen. © iStock/gmast3r, izusek

Wenn der Standard nicht ausreicht, den Krebs zu besiegen, greifen viele Ärzte auf Medikamente und Verfahren zurück, die von der Kasse eigentlich nicht bezahlt werden oder noch nicht offiziell zugelassen sind. Lesen Sie, was dann zu tun ist.

Im deutschen Gesundheitssystem gibt es für fast alles eine Vorschrift. Dies gilt auch für die meisten Krebserkrankungen. In den sogenannten Leitlinien wird, zum Teil sehr detailliert, beschrieben wie der Tumor einzustufen ist und wie er behandelt werden soll. Diese Leitlinien werden von Kliniken, medizinischen Fachgesellschaften, Krankenkassen und Patientenvertretern erarbeitet und veröffentlicht.

Damit soll sichergestellt werden, dass die Behandlung bewährten Standards folgt. Zudem ist damit festgelegt, dass die Krankenkassen alle Leistungen bezahlen, die entsprechend den Leitlinien vorgesehen sind.

Wenn die Leitlinie nicht reicht

„Ohne jede Frage hat sich das System der Leitlinien im Prinzip gut bewährt“, sagt Prof. Dr. Joachim Drevs, Facharzt für Innere Medizin, Unifontis in Sickte. „Allerdings hinken die Leitlinien dem medizinischen Fortschritt immer etwas hinterher. Das ist ganz normal, natürlich und für die Patienten nicht nachteilig.“ Entdecken Mediziner und Forscher nämlich neue Ansätze, die die Therapien verbessern können, werden diese in Studien überprüft. In diesen Studien werden die Patienten außerhalb der Leitlinien behandelt, ohne dass die Patienten die Kosten für die Behandlung übernehmen müssen. Diese werden im Rahmen der Studien von den unterschiedlichen Kostenträgern und Sponsoren übernommen.

Diskussionen mit den Kassen

„Es gibt aber immer wieder Fälle, in denen eine Behandlung außerhalb der Leitlinie angezeigt ist und für die im Moment keine Studie durchgeführt wird oder Patienten in die Studien nicht aufgenommen werden können“, betont Prof. Drevs. „Dann beginnen die Diskussionen mit den Kassen.“ Diese Diskussionen haben für den Patienten ganz ernste Hintergründe. Zum einen geht es um die Gesundheit und den Kampf gegen eine lebensbedrohliche Krankheit. Und zum anderen kann eine Behandlung leicht 50 000 Euro und mehr kosten.

Der Antrag

Die Krankenkassen sind verpflichtet, die Kostenübernahme im Rahmen eines Einzelfalles auf Antrag der Patienten zu prüfen. Diesen Antrag stellt der Patient in aller Regel mit Unterstützung des Arztes. Er enthält im Wesentlichen drei Punkte. Zum einen muss nachgewiesen werden, dass die Möglichkeiten der Behandlung entsprechend der Leitlinie ausgeschöpft sind. Zum zweiten muss aufgezeigt werden, dass die Krankheit lebensbedrohlich oder chronisch ist. „Der dritte Punkt ist meist der Knackpunkt dieser Anträge“, betont Prof. Drevs. „Im Antrag muss deutlich gemacht werden, dass die vorgesehene Behandlung ausreichend wissenschaftlich belegt und begründet ist. Alles in allem ist dies eine Ermessensfrage, die die Krankenkassen meist zugunsten der Patienten entscheiden.“ Besonders dann, wenn die Zulassungen für Medikamente und Behandlungen schon beantragt sind oder kurz vor dem Zulassungsverfahren stehen.

Off-Label-Use: Was ist das?

Wird ein Medikament gegen eine Krebsart eingesetzt, für die das Medikament nicht zugelassen ist, sprechen die Ärzte von dem sogenannten „Off-Label-Use“. Ein Beispiel macht dies deutlich. Ein bestimmtes Medikament ist für die Behandlung von Brustkrebs zugelassen. Für die Behandlung von Lungenkrebs ist es nicht zugelassen. Aus Studien weiß man aber, dass das Medikament auch bei bestimmten Lungenkrebserkrankungen gut wirkt. Daher wird es „off label“ bei Lungenkrebs eingesetzt.

„Normalerweise würden die Krankenkassen für diese Behandlung die Kosten nicht übernehmen“, sagt Prof. Drevs. „Sie tun dies dennoch, weil hinreichend dargelegt wurde, dass das Medikament auch bei Lungenkrebs gut wirkt.“

Was tun im Fall einer Ablehnung?

Wird der Kostenübernahmeantrag abgelehnt, bleibt die Möglichkeit des Widerspruchs. „Aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich Hartnäckigkeit bei den Kassen oft auszahlt, wenn der Antrag gut begründet ist“, sagt Prof. Drevs.

„Daher lohnt es sich, den zweiten Anlauf bei der Kasse mit einem Anwalt zu nehmen, der auf Patientenrecht spezialisiert ist.“ Wenn entsprechende private finanzielle Mittel nicht zur Verfügung stehen, rät er Betroffenen dringend davon ab, die Behandlung vor der Kostenübernahme-Erklärung der Krankenkasse zu beginnen. Es gilt die Regel: Erst der Antrag und die Genehmigung, dann die Behandlung.

Parallel zum Antrag bei der Kasse empfiehlt Prof. Drevs, Stiftungen und Förderkreise anzusprechen, die sich für Krebspatienten einsetzen. Entsprechende Tipps für solche Adressen und Ansprechpartner kann der behandelnde Arzt Patienten und Angehörigen geben.


Prof. Dr. Joachim Drevs, Facharzt für Innere Medizin, Unifontis in Sickte © Privat