Selbsthilfe Patientengruppen bei Hautkrebs – Nicht von jedem Flecken verrückt machen lassen

Autor: Tina Krepela

Selbsthilfe kann nur dann wirklich Hilfe leisten, wenn alle in der Gruppe vorurteilslos miteinander kommunizieren. © masterzphotofo – stock.adobe.com

Mehr als 270.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an Hautkrebs. Obwohl in letzter Zeit neue Therapieverfahren die Heilungschancen deutlich erhöhen, belastet die Diagnose schwer: Sie zu verarbeiten, gelingt oftmals nicht ohne Hilfe. Denn Betroffene sind überfordert – fühlen sich machtlos. Der Austausch von Erfahrungen und professionelle Hilfe sind dann wichtig. Diese finden Patienten in Selbsthilfegruppen.

Die Diagnose Hautkrebs triff Patienten meist völlig unerwartet. Sie werden aus ihrem Alltag gerissen und mit Sachverhalten konfrontiert, von denen sie bisher überhaupt nichts wussten: Sie müssen sich mit komplizierten medizinischen und sozialrechtlichen Fragen auseinandersetzen und gleichzeitig unterschiedliche Diagnoseverfahren über sich ergehen lassen, bis schließlich die Therapiemaßnahmen beginnen. Überhäuft von oft schwer verständlichen Informationen haben sie manchmal kaum Zeit, Luft zu holen.

Selbsthilfe – so früh wie möglich

„Und nebenbei gilt es noch, seine Ängste und Gefühle in den Griff zu bekommen. Ohne Hilfe gelingt das vielen Betroffenen nicht“, weiß Claudia Meyer zu Tittingdorf. Der Patientenvertreterin im Vorstand der Nationalen Versorgungskonferenz Hautkrebs und stellvertretenden Vorsitzenden des Hautkrebs-Netzwerks Deutschland e.V. wurde die Diagnose Hautkrebs das erste Mal vor 13 Jahren gestellt.

Sie erinnert sich: „Empfehlenswert wäre die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe gleich nach der Diagnosestellung. Das würde den emotionalen Druck deutlich lindern. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass zu diesem Zeitpunkt der Erkrankung kaum jemand dafür offen ist. So war es auch bei mir“, berichtet Meyer zu Tittingdorf. „Daher bin ich seinerzeit erst im Anschluss an die Therapie dort hingegangen. Vorher war ich irgendwie noch nicht bereit.“

Geringes Verständnis von Außenstehenden

Besonders belastete Meyer zu Tittingdorf die mangelnde Unterstützung und Anteilnahme von Außenstehenden. „Angehörige, Freunde und Bekannte nehmen den Hautkrebs oftmals nicht als vollwertige Krebserkrankung wahr. Das bestätigt auch der Austausch mit anderen Betroffenen. Wahrscheinlich liegt das an der – im Vergleich zu anderen Krebsoperationen – relativ unspektakulären Entfernung eines Melanoms“, vermutet Meyer zu Tittingdorf und führt aus: „Viele werden mit ihren Ängsten und Sorgen alleingelassen.“

Hinzu kommt, dass, wie bei anderen Krebsarten auch, Außenstehende sich nur schwer in die Gefühlswelt von Erkrankten hineinversetzen können. Und genau das sind die zentralen Probleme vieler Betroffener. Eine gute Lösung bietet die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. „Dort fühlt man sich verstanden und kann mit seiner Belastung offen umgehen. Ängste und Sorgen werden aufgefangen“, so Meyer zu Tittingdorf.

Vor allem die regelmäßig aufflammenden Ängste sind es, die in Hautkrebs-Selbsthilfegruppen abgebaut werden. „Ein klassisches Beispiel hierfür sind neu auftretende Muttermale. Für akut Betroffene oder auch für Ehemalige ist das immer wieder ein Anlass zur Sorge“, berichtet sie. „Doch im Laufe der Zeit und nach vielen Gesprächen merken sie, dass sie sich nicht bei jedem Flecken verrückt machen müssen.“

Weiterführende Infomationen

Informationen zum Thema Hautkrebs und Selbsthilfe bekommen Interessierte auf der Seite der Nationalen Versorgungskonferenz Hautkrebs: https://nvkh.de/. Das ist ein von Medizinern gegründeter Verein, der die Verbesserung der Früherkennung und Versorgung von Hautkrebs zum Ziel hat.

Des Weiteren empfiehlt sich ein Besuch der Seite des Hautkrebsnetzwerks Deutschland: https://hautkrebs-netzwerk.de/. Dort lassen sich auch bereits bestehende Gruppen für Hautkrebspatienten deutschlandweit finden.

Nach wie vor ein Tabu-Thema

Teilnehmer der Selbsthilfegruppen sind vor allem Menschen, die sich permanent mit ihrer Krankheit auseinandersetzen. Hierzu zählen etwa solche, bei denen sich öfter Melanome bilden. „Frauen nehmen häufiger teil als Männer. Wahrscheinlich besitzt das weibliche Geschlecht eine größere Bereitschaft, sich innerhalb einer Gruppe zu öffnen“, mutmaßt Meyer zu Tittingdorf. „Und das ist schon eine gewisse Voraussetzung für eine erfolgreiche Sitzung.“

Offene Gespräche erleichtern und befreien einen Betroffenen – und helfen letztendlich, den seelischen Druck abzubauen. Besonders belastend empfinden Betroffene die Tatsache, dass Krebs in der Gesellschaft immer noch ein Tabu-Thema ist. Im Gegensatz zu anderen Volkskrankheiten ist ein offener Austausch selten möglich. „Auch deshalb ist es sehr entlastend, mit Gleichgesinnten sprechen zu können“, resümiert Meyer zu Tittingdorf.

Blitzlichter aus der Gruppe

Jede Gruppensitzung beginnt mit einem „Blitzlicht“: Teilnehmer erzählen von sich und ihren Problemen. „Dabei bekommen alle so viel Raum wie sie brauchen. Das ist ganz wichtig, denn es sollte nichts unausgesprochen bleiben. Nur so kann Selbsthilfe wirklich funktionieren“, stellt die Patientenvertreterin fest.

Die Vielfalt der Themen erstreckt sich vom Austausch über Erfahrungen mit Ärzten oder Therapieverfahren, Reha-Angeboten und -empfehlungen bis hin zu ganz alltäglichen Dingen wie Urlaub oder Freizeitaktivitäten. „Hin und wieder gehen wir auch gemeinsam essen oder in die Eisdiele. Auch organisieren wir von Zeit zu Zeit Gastredner. Meist handelt es sich dabei um Ärzte, die uns auf den neuesten Stand rund um das Thema Hautkrebs bringen“, erzählt Meyer zu Tittingdorf.


Claudia Meyer zu Tittingdorf, Patientenvertreterin im Vorstand der Nationalen Versorgungs-konferenz Hautkrebs und stellvertretende Vorsitzende des Hautkrebs-Netzwerks Deutschland e.V. © Privat