Selbsthilfe: Brustkrebs besser verarbeiten Die Kraft der anderen in der Gruppe hilft, die Krankheit besser zu ertragen

Autor: Perspektive LEBEN

Die Gruppe kann den einzelnen Patienten in schweren Zeiten Kraft geben. © iStock/jokerpro, alvarez

„Vor uns die Zukunft, hinter uns die Vergangenheit, in der Mitte wir. Über über uns der Himmel, unter uns die Erde, in der Mitte wir. Links ein Du, rechts ein Du, in der Mitte ich. Um uns herum ein Wir.“

„Mit dieser Losung eröffnen wir die Treffen unserer Selbsthilfegruppe“, sagt Angelika Hartung, Sprecherin der Selbsthilfegruppe Frauen nach Krebs in Suhl, 64 Jahre alt. „Weil diese Losung unsere und meine Situation so gut beschreibt, ist uns das ganz wichtig.“ Sie fordert dazu auf, sich die eigene Position im Fluss der Zeit und der Krankheit bewusst zu machen. Und betont die Bedeutung des Gleichgewichts von eigenen und den fremden Interessen für das eigene Wohlbefinden. Die Selbsthilfegruppe Frauen nach Krebs in Suhl ist bereits 25 Jahre alt und unabhängig. Sie hat sich bewusst zur Unabhängigkeit entschieden und dafür, ohne Anbindung an einen Dachverband zu bleiben. „So stellen wir sicher, dass wir uns ganz und gar auf uns und die Bedürfnisse unserer Mitglieder konzentrieren können“, sagt Angelika Hartung.

„Die Unterstützung der Stadt Suhl, des Tumorzentrums, des Brustzentrums Suhl und der Krankenkassen reichen dafür gut aus.“ Und dies immer mit dem Ziel, die Eigenkontrolle über die Krankheit und den Körper zu erhalten.

Einfühlung als Prinzip

Im Januar 2013 wird bei Angelika Hartung Brustkrebs diagnostiziert. Die Krankheit wird mit einer Operation, Chemo- und Strahlentherapie behandelt. „Meine Kinder, Freunde und Verwandten haben sich in dieser Phase alle sehr bemüht, mir Mut zu machen und mich aufzufangen und aufzurichten sowie auch häusliche Belastungen abzufedern“, sagt Angelika Hartung. „Das war sehr schön, aber um die Krankheit zu verarbeiten reichte das nicht. Alle konnten sich in meine Situation hineindenken. Aber keiner konnte sich wirklich hinein fühlen. Ihnen fehlten schlicht meine persönlichen Erfahrungen mit dem Krebs. Hinzu kommt, dass sie alle viel zu viel Angst um mich hatten und ich fühlte, dass sie mich nicht wirklich verstehen konnten.“

Während der Rehabilitation findet Angelika Hartung Gesprächspartner, mit denen sie sich auf Augenhöhe über die Krankheit und die Ängste unterhalten kann. Und sie spürt, dass ihr diese Gespräche helfen, die Krankheit besser zu verstehen und zu bewältigen. Angelika Hartung wird bewusst, dass sie auf diese Gespräche mit Mitpatienten auch in Zukunft nicht verzichten will und beschließt, sich nach der Rehabilitation, einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Das tatsächliche Verstehen kam dann im Austausch mit ebenfalls erkrankten Frauen.

Müssen muss hier keiner

Diesen Schritt hat sie nicht bereut. „Ganz im Gegenteil. Inzwischen bin ich die erste Ansprechpartnerin der Gruppe“, betont Angelika Hartung. „Immer wieder spüre ich, dass die Gruppe den Mitgliedern hilft, die kreisenden Gedanken zu durchbrechen und etwas zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken.“

So finden Patienten für sich die richtige Selbsthilfegruppe

Die Arbeit in einer Selbsthilfegruppe ist stets ein Ehrenamt. Sie wird von der Deutschen Krebsgesellschaft, den Krankenkassen, Krebszentren, Ärzten, Gemeinden und anderen Organisationen mit Fachwissen und Sachleistungen unterstützt oder sogar ganz getragen. Um eine Selbsthilfegruppe zu leiten, braucht es daher keine finanziellen Mittel. Dafür ist aber Engagement, Einfühlungsvermögen und Organisationstalent nötig. Wer sich einer Selbsthilfegruppe anschließen will, informiert sich am besten beim Arzt oder bei den Krankenkassen. Sie können den Weg zu einer passenden Selbsthilfegruppe weisen.

Manchmal wird Angelika Hartung von Interessenten gefragt, „Was muss ich tun, um in Ihre Gruppe aufgenommen zu werden?“. Die Antwort von Angelika Hartung ist darauf ganz einfach: „Das Wort ‚muss‘ gibt es in der Selbsthilfegruppe Frauen nach Krebs in Suhl nicht.“ Die Gruppe stellt keine Bedingungen und fordert nichts von ihren Mitgliedern. Die Gruppe hat keine Mitgliedsbeiträge. Jeder gibt das, was er kann oder will. Interessenten können entweder direkt in die Gruppennachmittage kommen oder sie vereinbaren Einzelgespräche mit Angelika Hartung, in denen die Gruppenarbeit vorgestellt wird.

Gespräche auf Augenhöhe

Die Aufgaben in der Gruppe teilen sich zwei Ansprechpartnerinnen. „Ich bin eher für die Organisation verantwortlich“, sagt Angelika Hartung. „Meine Mitstreiterin macht eher die Finanzen und die Verwaltung.“ Der Aufwand für die Gruppe hält sich in Grenzen. Mit etwa acht Stunden in der Woche kann Frau Hartung alles gut erledigen.

Hauptaufgabe ist natürlich die Organisation der monatlichen Treffen. Hier werden Vorträge von Ärzten, Vertretern der Krankenkassen, Pflegern und der Gemeinde gehalten und wird im Anschluss über die Themen diskutiert. „Die Vorträge stehen jedem offen“, betont Angelika Hartung. „Viele Mitglieder der Gruppe bringen ihre Partner zu diesen Veranstaltungen mit.“ Dieser Austausch zwischen Betroffenen und Experten ist für alle wichtig. „Nach einigen Jahren stelle ich fest, dass wir in der Gruppe selten über den Krebs sprechen“, sagt Angelika Hartung. „Aber alle wissen, wenn sie das Bedürfnis haben, treffen sie auf Gesprächspartner auf Augenhöhe.“

Mit dem Krebs umgehen lernen

Die Selbsthilfegruppe greift auch Themen und Aktivitäten auf, die eigentlich nichts mit der Krankheit zu tun haben. Dazu gehören Ausflüge in die Umgebung, Lesungen, Liederabende und Vorträge.

„Bei der Organisation achten wir darauf, dass keine Hürden aufgebaut werden“, betont Angelika Hartung. Die Veranstaltungen und Gruppentreffen sind kostenlos und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Lediglich Eintrittsgelder bei Ausflügen müssen selbst bezahlt werden. „Eigentlich wenden wir uns an Frauen mit Krebs. Und trotzdem haben wir einen Mann in unserer Gruppe“, erzählt Angelika Hartung. „Mit diesem Beispiel will ich deutlich machen, dass bei uns nicht nur die Krankheiten als solche, sondern auch der gute Umgang damit im Vordergrund steht.“


Angelika Hartung, Sprecherin der Selbsthilfegruppe Frauen nach Krebs Suhl © Privat