Brustkrebs Der Blitz schlägt doch zweimal ein

Autor: Lara Sommer

Glücklich: Katharina Kohnle wandert am liebsten in den Bergen. Hier am Herzogstand am Walchensee. © Katharina Kohnle

Katharina Kohnle erhielt am Tag vor ihrem 34. Geburtstag schon zum zweiten Mal eine Krebsdiagnose. Der Schock saß diesmal tiefer, dennoch blickt sie heute optimistisch in die Zukunft.

Katharina Kohnle wartet in einem kleinen Café nahe der Isar. Hier trifft sie sich einmal monatlich mit ihren „Krebsfreundinnen“. Die 35-Jährige trägt einen weiten Pullover und einen Reif im brünetten Haar. Sie lächelt glücklich, strahlt. Niemand würde meinen, dass die junge Frau bereits zwei Krebserkrankungen überstanden hat.

Zum ersten Mal 2015. Die Diagnose damals: Gebärmutterhalskrebs. Sie habe sich gar nicht gewundert, erzählt sie. Viele in ihrer Familie seien bereits betroffen gewesen: Ihre Mutter erkrankte an einem Hirntumor, ihr Vater an schwarzem Hautkrebs. „Ich hatte mir schon gedacht, dass ich irgendwann dazu gehöre. Jetzt habe ich auch mein Päckchen zu tragen - Haken dahinter.“ Nach zwei Operationen dachte sie, mit dem Thema durch zu sein. Sie nahm ihr bisheriges Leben wieder auf, arbeitete weiterhin in Vollzeit.

Die Brustkrebsdiagnose 2021 war für sie rückblickend der größere Schock. Sie habe nicht damit gerechnet, dass es noch mal passieren könne. Den Knoten in der linken Brust hatte Katharina Kohnle selbst entdeckt, doch ihr Gynäkologe versuchte zu beschwichtigen: „Du hattest doch bereits Gebärmutterhalskrebs, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es dich noch mal trifft?“ Obwohl der Facharzt das Risiko einer zweiten Krebserkrankung relativierte, sorgte sie sich weiterhin.

Drei Monate später beharrte sie darauf, den Knoten abklären zu lassen. In der Radiologie hielt man ihn zunächst ebenfalls für eine ungefährliche Verhärtung. Als sie schließlich eine zweite Meinung einholte, bestätigte sich ihr Anfangsverdacht: Es war Krebs.

Entscheidung gegen Brustaufbau

Doch sie hatte Glück im Unglück: Trotz des Zeitverlustes waren die mit der Brust entfernten Lymphknoten noch nicht befallen.

Obwohl sie mit 34 Jahren noch recht jung war, entschied sich Katharina Kohnle gegen ein Implantat oder einen Wiederaufbau der Brust mit Eigengewebe. Das stieß teilweise auf Unverständnis, sie fühlte sich in der Klinik oft bevormundet: Noch am Abend vor der Operation wollte der plastische Chirurg sie davon überzeugen, einer kosmetischen Korrektur zuzustimmen. Sie klingt immer noch wütend, wenn sie davon erzählt: „Was nimmt der sich raus, zu entscheiden, ob ich für mich mit oder ohne Brust leben kann?“

Obwohl bei ihr keine bekannten Risikogene verändert waren (med. BRCA1/2-Mutation), setzte sie durch, dass auch die zweite Brust vorsorglich entfernt wurde. „Ich habe das für die Gleichheit gebraucht, aber auch für mein subjektives Sicherheitsempfinden“, berichtet sie.

Für die Genehmigung musste sie der Krankenkasse jede Menge Gutachten vorlegen. Eines verwies darauf, dass sie wegen eines Lymphödems keinen kaschierenden BH tragen kann und die Asymmetrie eine Fehlhaltung begünstigt. Sie habe nie bereut, sich für eine prophylaktische Operation entschieden zu haben, sagt Katharina Kohnle.

Dass man bei ihr keine BRCA1/2-Mutation gefunden hatte, beruhigt Katharina Kohnle vor allem für ihre Tochter. Dennoch geht sie von einer genetischen Komponente aus, da Tumorerkrankungen in ihrer Familie so gehäuft auftreten. „Ich hätte selbst gern Antworten. Dass jemand sagt: Daran liegt´s und das können wir tun.“ Und natürlich bleibt die Angst, wenn wegen schwerer Migräneattacken eine Schädel-MRT angesetzt wird. Dann kreisen ihre Gedanken sofort um Hirnmetastasen und die Diagnose ihrer Mutter. Oder wenn die Rippen drei Tage lang schmerzen.

Dankbar für die kleinen Dinge

Eine Psychoonkologin hilft ihr. Auch Ablenkung tut gut. Es zieht die 35-Jährige an die frische Luft, am liebsten in die Berge: „Wenn ich oben auf dem Berg stehe, fühlt sich die Angst ganz anders an, als wenn ich daheim auf der Couch sitze.“ Anfangs schränkten fast 50 Zentimeter Narbengewebe und Lymphödeme auf der erkrankten Seite ihre Beweglichkeit ein. So konnte sie zunächst weder ihre Arme über die Schultern heben noch den Oberkörper vollständig drehen. Stolz zeigt sie, wie viel besser sie sich heute bewegen kann. Unter anderem dank ihrer Yoga-Lehrerin kann sie mittlerweile wieder einen Rucksack tragen, was der überzeugten Wandrerin viel bedeutet.

Sie habe gelernt, dankbar für die kleinen Dinge zu sein. Wie wichtig ihr der Sonnenaufgang sei, beispielsweise, sagt sie. Auch lernte sie während der Behandlung zahlreiche Frauen kennen, denen sie sonst nie begegnet wäre. „Das sind meine besten Freundinnen geworden. Es ist einfacher, mit ihnen über gewisse Dinge zu reden, als die eigene Familie zu belasten, die sich selbst sorgt.“

Verein „dasBUUSENKOLLEKTIV“

Nach überstandener Erkrankung hat Katharina Kohnle zusammen mit anderen jungen, an Brustkrebs erkrankten Frauen den Verein „dasBUUSENKOLLEKTIV“ gegründet. Die insgesamt zehn Frauen bieten monatlich online „Tittie-Talks“ an. Hier können sich Brustkrebsbetroffene zu bestimmten Themen austauschen, im deutschsprachigen Raum miteinander vernetzen und „Buusenfreundinnen“ finden.

Mehr über geplante Aktionen » Das Buusenkollektiv - junger Brustkrebsverein

Die Nebenwirkungen der Antihormontherapie, die einem Rückfall vorbeugen soll, kosten noch viel Kraft. Deshalb möchte die gelernte Industriekauffrau weniger arbeiten, wenn sie wieder in ihren Beruf einsteigt, so ihr Plan. Auch will sie in einen Bereich wechseln, in dem sie weniger Termindruck hat. „Ich muss einfach den Stress rausnehmen und möchte kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich auf einer Vollzeitstelle zu oft wegen Krankheit ausfalle.“

Insgesamt blickt Katharina Kohnle positiv in die Zukunft: „Ich bin jetzt bereit fürs gute Leben.“ Sie möchte nichts mehr auf die lange Bank schieben, Dinge tun, die sie schon immer machen wollte, etwa einen Langlaufkurs oder einen Gleitschirmflug. Im Juli plant sie eine Reise nach Spitzbergen: „Da wachse ich völlig über mich hinaus. Ich hatte das Gefühl, ich muss irgendwas machen, wovor ich vielleicht ein bisschen Angst hab, worauf ich mich aber irre freue.“

Anderen Betroffenen macht sie auch auf ihrem Instagram-Account sunrise_after_cancer Mut: „Es ist nicht alles wie früher, aber es ist gut so, wie es ist.“