Gebärmutterhalskrebs TMMR-Operation erhöht Chancen im Frühstadium

Autor: Thomas Kuhn

Die TMMR-OP ist mit weniger Nebenwirkungen verbunden. © Orawan ‒ stock.adobe.com

Jede Krebsdiagnose ist eine zu viel. Gebärmutterhalskrebs ist hier keine Ausnahme. Eine Impfung kann Frauen weitgehend davor schützen. Für Patientinnen deren Tumor rechtzeitig erkannt wird, gibt es eine besonders schonende und effiziente Therapiemethode. 

Jedes Jahr trifft etwa 5.000 Frauen die Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Das klingt nicht viel, doch für die Betroffenen selbst bedeutet sie dennoch Leid und Verunsicherung. Die gute Nachricht: Die Fünfjahresüberlebensrate beim sogenannten Zervixkarzinom steigt, tödliche Verläufe werden seltener. Expert:innen sehen mehrere Gründe für diese positive Entwicklung: Zum einen sind Frauen heutzutage aufgeklärter. Sie gehen regelmäßiger und rechtzeitiger zu Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Tumoren werden daher durchschnittlich eher entdeckt – das erhöht den Behandlungserfolg. Zum anderen trägt auch die Möglichkeit der Impfung bei neun- bis vierzehnjährige Mädchen zur verbesserten Quote bei. Aber vor allem die Behandlungsmethoden haben sich kontinuierlich verbessert. Betroffenen Frauen stehen immer fortschrittlichere Therapien zur Verfügung.

Besonders schonende Operation

„Hierzu gehört die sogenannte totale mesometriale Resektion, kurz TMMR. Es handelt sich dabei um eine relativ neue Operationstechnik, die die Heilungschancen zweifellos deutlich verbessert“, sagt Prof. Dr. Dr. Rainer Kimmig. Der Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Essen gilt als Experte auf dem Gebiet der TMMR-Operationstechnik. „Kohortenstudien weisen auf eine deutliche Verringerung des Rezidivrisikos und der Mortalität hin.“

„Die TMMR-Operationstechnik ist besonders schonend. Sie eignet sich für Frauen, deren Gebärmutterhalskrebs in einem früheren Stadium diagnostiziert wurde. Im Vergleich zu herkömmlichen Operationsmethoden liegt ihre Heilungsrate mit etwa 95 Prozent im Stadium I deutlich höher“, erzählt Prof. Kimmig und ergänzt: „Ein weiterer Vorteil für so operierte Patientinnen ist, dass sie im Anschluss keine adjuvante beziehungsweise nachsorgende Strahlentherapie benötigen. Denn diese ist bei herkömmlichen Operationen Standard.“ Zudem schont die TMMR-OP Nervenbahnen, die die Blasen-, Enddarm- und Vaginalfunktionen regulieren. Frauen dürfen deshalb mit deutlich weniger Nebenwirkungen rechnen.

Tumor bevorzugt bestimmtes Gewebe

Entwickelt wurde die neue Operationstechnik an der Universitätsklinik Leipzig von Prof. Dr. Dr. Michael Höckel. Das Verfahren basiert maßgeblich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Tumorausbreitung im menschlichen Gewebe. Demnach wächst ein Tumor nicht ziellos in alle Richtungen und alle angrenzenden Gewebe gleichzeitig, sondern vorerst nur in den Gewebestrukturen, die bereits beim ungeborenen Kind im Mutterleib angelegt sind. Er bevorzugt demnach die Körpergebiete, die sich in der embryo­nalen Entwicklung aus denselben Zellen gebildet haben. Die TMMR macht sich somit die entwicklungsbiologische Entstehungsweise von Zellstrukturen zunutze. Das bedeutet: Bei der Operation muss der Tumor nicht mehr mit einem Sicherheitsabstand in alle Richtungen entfernt werden, der auch gesundes Gewebe ohne Rezidivrisiko mit einbezieht. Stattdessen entfernt der Chirurg oder die Chirurgin nur noch die dazugehörigen Gewebestrukturen, die ein hohes Risiko für die Tumorausbreitung darstellen. „Das ist übrigens der Grund, warum bei der TMMR eine nachträgliche Bestrahlung entfällt“, ergänzt Prof. Kimmig.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse, die auch für andere Tumoren belegt sind, schonen die Chirugen die benachbarte Harnblase und den Darm, weil deren Gewebe entwicklungsbiologisch anders entstanden ist. „Neben den festgelegten Gewebestrukturen entfernen wir lediglich noch die Lymphknoten des kleinen Beckens. Die sonst üblichen Komplikationen, wie Blasen- oder Darmentleerungsstörungen, sind daher selten geworden“, erklärt Prof. Kimmig. Die Operationsmethode wurde mittlerweile auch in den medizinischen Leitlinien zur Behandlung von Gebärmutterhalskrebs aufgenommen.

Zertifizierte Genitalkrebszentren ideal

Der Gebärmutterhalskrebs wird meist in einem ausreichend frühen Stadium diagnostiziert, sodass eine Operation infrage kommt. Für spätere Stadien stehen andere Therapieoptionen zur Verfügung. An solchen Entscheidungen sind grundsätzlich Experten und Expertinnen unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt. Sie suchen gemeinsam nach der optimalen Therapie für jede einzelne Patientin. Prof. Kimmig betont: „Die beste Versorgung bekommen Frauen mit der Diagnose Gebärmutterhalskrebs in der Regel in einem zertifizierten Genitalkrebszentrum. Denn genau dort arbeiten spezialisierte Fachleute, die über einen großen Erfahrungsschatz rund um die Therapiemöglichkeiten verfügen.“ 

Zertifizierte Kliniken werden nach einem strengen Qualitätskriterienkatalog in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebsgesellschaft regelmäßig geprüft und müssen besonders hohe Therapiestandards aufweisen. In den zertifizierten Genitalkrebszentren haben betroffene Patientinnen somit sehr gute Heilungschancen. „Wenn fünf Jahre nach Therapieende die Krebserkrankung zwischenzeitlich nicht wieder aufgetreten ist, gehen wir mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit von einer Heilung der Patientin aus“, sagt Prof. Kimmig.