Schilddrüsenkrebs Therapieüberblick – Gute Gründe für Zuversicht

Autor: Dietmar Kupisch

Die Schilddrüse produziert Hormone. Sie liegt unterhalb des Kehlkopfes und hat die Form eines Schmetterlings. © SciePro – stock.adobe.com

In Deutschland erkranken daran etwa fünf von 100.000 Menschen pro Jahr. Der Schilddrüsenkrebs gilt daher als seltene Erkrankung. Unter seinen verschiedenen Arten kommen mit großem Abstand die differenzierten Karzinome am häufigsten vor. Wie gesunde Schilddrüsenzellen auch, sind sie noch in der Lage, Jod aufzunehmen – ein großer Vorteil für die Betroffenen.

„Die Chancen für eine vollständige Heilung eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms stehen gut“, sagt Professor Dr. Frank M. Bengel. Der Experte für Schilddrüsenkrebs ist Direktor der Klinik für Nuklearmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover. „Im Vordergrund der Therapie steht anfangs immer die Operation. Denn wenn es gelingt, das Tumorgewebe sowie befallene Lymphknoten vollständig zu entfernen, ist der Patient geheilt.“ Zusätzlich entfernt der Chirurg das Schilddrüsengewebe, sodass die körpereigene Produktion der Schilddrüsenhormone entfällt. „Das stellt aber kein Problem dar. Betroffene nehmen zukünftig einfach Hormone in Tablettenform ein“, erläutert Prof. Bengel.

Radioaktive Bestrahlung

Nach Krebsoperationen ist es oft nicht auszuschließen, dass noch vereinzelte Tumorzellen im Körper verblieben sind. Onkologen bekämpfen diese in den meisten Fällen mit einer nachfolgenden Chemo- oder Strahlentherapie. „Beim Schilddrüsenkrebs ist das anders. Zwar ist auch hier nach einer noch so gründlichen Operation nicht auszuschließen, dass noch Schilddrüsen- und Tumorzellen im Körper verblieben sind, diese bekämpfen wir jedoch vorsorglich mit einer sogenannten Radiojodtherapie“, sagt Prof. Bengel.

Die Radiojodtherapie beruht auf der Tatsache, dass Schilddrüsengewebe sowie die meisten Schilddrüsenkrebszellen radioaktives Jod speichern. Das nutzen die Experten, um dieses schädliche Gewebe gewissermaßen von innen heraus gezielt bestrahlen zu können. Die Tumorzellen nehmen das radioaktive Jod demzufolge auf und werden dadurch zerstört. „Dieses Verfahren ist viel effektiver als die bei anderen Tumoren häufig angewandte externe Strahlentherapie und wird von Nuklearmedizinern in speziellen Zentren durchgeführt“, betont Prof. Bengel.

Schilddrüsenunterfunktion vortäuschen

Da dem Patienten die Schilddrüse entfernt wurde, entsteht eine Schilddrüsenunterfunktion. Die gute Nachricht: Dieser Zustand ist für die Radiojodtherapie erwünscht. Denn das möglicherweise verbliebene Tumorgewebe wird so im Zeitverlauf immer empfänglicher für die Aufnahme radioaktiven Jods. Das bedeutet, der Patient muss etwa vier Wochen warten, bis dieser Zustand erreicht ist. Dann erst behandeln ihn die Nuklearmediziner mit radioaktivem Jod.

„Die Schilddrüsenunterfunktion kann jedoch auch umgangen werden, indem der Patient mittels intramuskulärer Spritzen mit einem stimulierenden Faktor, dem sogenannten rekombinantem TSH, vorbereitet wird“, erklärt Prof. Bengel und führt aus: „So wird dem Körper der Zustand der Unterfunktion quasi vorgetäuscht. Zur Radiojodtherapie verabreichen wir radioaktives Jod auf unserer nuklearmedizinischen Therapiestation in Form von Kapseln.“ Später scheidet der Patient den größten Teil des radioaktiven Jods wieder aus. Das geschieht unter anderem über Urin oder Stuhl.

Mit Kameras Metastasen suchen

Nach Beendigung der Radiojodtherapie kommen spezielle Kameras zum Einsatz. Sie können Radioaktivität nachweisen und damit Aufnahmen von der Verteilung des Radiojods im Körper des Patienten machen. „Wir erhalten so einen Eindruck über den jodspeichernden Schilddrüsenrest und können verbliebene Metastasen identifizieren, die ebenfalls Radiojod speichern“, sagt Prof. Bengel. Finden die Nuklearmediziner Metastasen, wiederholen sie die Radiojodtherapie nach drei bis sechs Monaten – und zwar solange, bis kein jodspeicherndes Gewebe mehr im Körper vorhanden ist.

Im Anschluss an die Therapie muss die Schilddrüsenunterfunktion behoben werden. Dazu bekommt der Patient Schilddrüsenhormone in Tablettenform. „Im Gegensatz zu gutartigen Schilddrüsenerkrankungen wählen wir hier die Dosierung ganz bewusst relativ hoch. So vermeiden wir einen Wachstumsreiz für mögliche noch verbliebene Schilddrüsenzellen oder Tumorzellen“, erklärt Prof. Bengel. Die exakte Einstellung und Kontrolle der Tablettendosierung sowie die weitere Planung der Nachsorge erfolgt dann mit nuklearmedizinischen Experten.

Den Erfolg absichern

Bei der Radiojodtherapie handelt es sich um eine äußerst erfolgreiche Behandlungsmethode. Der Schilddrüsenkrebs-Patient hat also gute Gründe, zuversichtlich zu sein. In der Regel ist er anschließend geheilt und kann von einer normalen Lebenserwartung ausgehen. Allerdings gibt es dafür eine Voraussetzung: Der Erfolg muss mit einer konsequenten Nachsorge abgesichert werden. Hierzu gehören ambulante Kontrollen mit Ultraschall, Überprüfung der exakten Hormontabletteneinstellung und die Messung des Thyreoglobulins, eines speziellen Tumormarkers. „Patienten, bei denen wir nach ihrer ersten Radiojodtherapie keine Metastasen mehr finden konnten, können auf weitere Radiojodgaben verzichten. Es hat sich nämlich gezeigt, dass in den Folgejahren Rezidive eher unwahrscheinlich sind“, berichtet Prof. Bengel. Die Nachsorgeuntersuchungen werden anfangs engmaschig durchgeführt. Im Laufe der Zeit vergrößern sich die Abstände, wenn alles unauffällig bleibt.


Prof. Dr. Frank M. Bengel Direktor der Klinik für Nuklearmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover © Privat