Brustkrebs Prognosefaktoren und Therapien
Der voraussichtliche Verlauf einer Krebserkrankung lässt sich nicht pauschal beschreiben. Beeinflusst wird er vor allem von Prognosefaktoren. „Es spielt zum einen die Biologie des Tumors eine Rolle für den Krankheitsverlauf. Ist der Tumor zum Beispiel Hormonrezeptor-positiv, können Medikamente verabreicht werden, die den Östrogenspiegel herunterregulieren“, sagt Prof. Wimberger. Bei dieser endokrinen Therapie soll das Wachstum von hormonempfindlichen Tumorzellen gestoppt werden.
Die Prognosefaktoren sind unterschiedlich
Neben der Tumorgröße ist auch das sogenannte Grading für den Verlauf der Krankheit entscheidend. Dahinter steckt die Frage, wie stark sich die Tumorzellen im Vergleich zu den ursprünglichen Zellen verändert haben. „Die Einteilung erfolgt in G1 bis G3. Je höher das Grading, umso höher das Risiko für ein Wiederauftreten der Erkrankung. Bei einem größeren Tumor und einem G3 besteht daher häufig eine Notwendigkeit einer aggressiveren Therapie, um die Prognose zu verbessern“, erklärt Prof. Wimberger.
Sind Lymphknoten befallen, wirkt sich dies ebenfalls auf den Verlauf beziehungsweise die Behandlung der Tumorerkrankung aus. Um das herauszufinden, werden bei unauffällig getasteten Lymphknoten in der Achsel die sogenannten Wächterlymphknoten entfernt und nach Lymphknotenmetastasen untersucht. Als Wächterlymphknoten werden die im Lymphabflussgebiet eines Primärtumors an erster Stelle liegenden Lymphknoten bezeichnet. Dadurch haben die Patientinnen und Patienten ein sehr viel geringeres Risiko für Lymphabflussstörungen als wenn die gesamten Lymphknoten in dieser Region entfernt würden.
Ein Rezeptor mit Einfluss auf Therapie und Krankheitsverlauf
„Zudem interessiert uns der HER2neu-Status von Brustkrebspatientinnen. Er hat einen direkten Einfluss auf den Verlauf und die Therapie der Erkrankung. Patientinnen mit Tumoren mit einer HER2neu-Überexpression hatten in der Vergangenheit einen aggressiveren Krankheitsverlauf. Dies hat sich durch die Möglichkeit einer zielgerichteten Therapie extrem verbessert“, berichtet Prof. Wimberger. HER2 ist ein Proteinbaustein beziehungsweise Rezeptor auf der Oberfläche von Zellen. Sitzen auf Tumorzellen zu viele HER2-Rezeptoren, wächst der Tumor schneller.
Die gute Nachricht für Patientinnen mit HER2-positiven Tumoren lautet: es besteht die Möglichkeit einer wirkungsvollen Therapie, zum Beispiel mit verschiedenen spezifischen Antikörpern, die zudem auch noch gut verträglich sind. Es wird somit gezielt gegen die Tumorzellen vorgegangen. „Mit dieser Antikörpertherapie haben Patientinnen dann sogar einen besseren Krankheitsverlauf als Patientinnen ohne einen positiven HER2neu-Status. Das zeigen auch unsere eigenen Daten“, betont Prof. Wimberger.
Prognosen: So kommen sie zustande
Der Begriff Prognose stammt aus dem Griechischen und heißt Vorhersage. Die Prognose einer Erkrankung basiert auf empirischen Erkenntnissen der Medizin. Ihre Grundlage sind Fallbeobachtungen oder Studien, die sich mit der Häufigkeit einer Erkrankung befassen. Die Prognose kann die Entwicklung einer Erkrankung nicht festlegen oder bestimmen, aber eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Krankheitsverlaufs erlauben. Die individuelle Prognose eines Patienten basiert auf den spezifischen Umständen der Erkrankung und kann daher – unabhängig von der Breite der Datenbasis – deutlich von einer allgemeinen statistischen Erwartung abweichen.
Therapiestrategie – stets individuell
Alle diese Faktoren müssen für die individuelle Therapiestrategie berücksichtigt werden. Prof. Wimberger berichtet in diesem Zusammenhang, dass die Radikalität der Operation als Therapiebestandteil in den letzten Jahren erfreulicherweise abgenommen hat. Dank der modernen medikamentösen Therapien gibt es mittlerweile eine Vielzahl von zielgerichteten Therapiemöglichkeiten. Das führt zu einer insgesamt sehr guten Prognose: Alle Tumorstadien zusammengefasst, liegt die sogenannte Fünfjahres-Überlebensrate bei über 80 Prozent.
Eine vorgeschaltete Chemotherapie kann hilfreich sein
„Bei Patientinnen, die keine Metastasen haben, bevorzugen wir – wenn eine Notwendigkeit zur Chemotherapie besteht – immer mehr eine neoadjuvante Therapie. Mit dieser medikamentösen Therapie, die einer Operation vorgeschaltet wird, soll der Tumor verkleinert werden. Man kann somit bei der einzelnen Patientin gut nachvollziehen, ob die eingeleitete Therapie auch entsprechend greift. Nicht selten kann mit diesen Systemtherapien der Tumor komplett eliminiert werden“, erklärt Prof. Wimberger.
Wird der Tumor primär operativ entfernt und besteht danach doch die Notwendigkeit einer vorsorglichen Chemotherapie, fehlen diese wertvollen Informationen und man kann nicht konkret bei der einzelnen Patientin sagen, ob die jeweilige Chemotherapie wirksam ist. Das lässt sich dann nur rückwirkend am Krankheitsverlauf feststellen. „Wir Onkologen können bei einer neoadjuvanten Therapie den Therapieerfolg laufend, beispielsweise mittels Ultraschall kontrollieren – und gegebenenfalls die Therapie anpassen“, sagt Prof. Wimberger.
Behandlung: Nur in zertifizierten Zentren
Die Behandlung von Brustkrebs ist komplex. Sie sollte daher grundsätzlich in zertifizierten Brustkrebszentren durchgeführt werden. Davon gibt es viele. Als weiteres Qualitätskriterium empfiehlt Prof. Wimberger Kliniken, die Studien anbieten und durchführen und an der Weiterentwicklung von Brustkrebstherapien forschen.
„Wir bieten unseren Patientinnen beispielsweise an, dass im Rahmen der Operation Blut aus dem Beckenkamm entnommen wird, um hier nach disseminierten Tumorzellen zu suchen“, so Prof. Wimberger. Denn wenn im Knochenmark solche Zellen gefunden werden, bedeutet dies eine schlechtere Prognose. „Diese Zellen, das haben unsere eigenen Untersuchungen auch gezeigt, können aber mit einer knochenstärkenden Therapie, den Bisphosphonaten, gezielt bekämpft werden, wodurch wiederum die Prognose verbessert werden kann.“
Wichtig sind die, bei zertifizierten Brustkrebszentren geforderten, interdisziplinären Tumorboards. Das heißt, Mediziner sämtlicher beteiligter Fachrichtungen beurteilen gemeinsam, welche Therapie der einzelnen Patientin oder dem Patienten empfohlen werden sollte und ob ggf. eine Studienteilnahme ermöglicht werden kann.
„Darüber hinaus ist eine ganzheitliche Behandlung wichtig. Wir bieten beispielsweise an unserem Zentrum spezielle Yoga-Kurse an sowie eine psychoonkologische Mitbetreuung und Ernährungsberatungskurse. All diese Angebote können den Krankheitsverlauf zusätzlich positiv beeinflussen“, so Prof. Wimberger.