Darmkrebs vermeidbar Für den Kampf gegen das Kolorektalkarzinom bieten sich viele Chancen

Autor: Günter Löffelmann

Die Vorsorgekoloskopie hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Nun muss es auch das Einladungsverfahren werden. © iStock/PhonlamaiPhoto

In der Symposiums-Session „Rote Karte dem Darmkrebs“ diskutierten die Teilnehmer, wie sich die nach wie vor sehr hohe Zahl an Neuerkrankungen und darmkrebsbedingten Todesfällen senken lässt. Die gute Nachricht: Schon mit vergleichsweise einfachen Schritten könnte man vieles zum Besseren wenden.

Wer heute auf die Darmkrebsvorsorge in Deutschland blickt, der tut dies vermutlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Da ist zum einen die positive Bilanz aus dem Vorsorgekoloskopie-Programm, das es in Deutschland seit 2002 gibt. Wie Professor Dr. Hermann Brenner, Heidelberg, ausführte, hat es viele Menschen vor einem Kolorektalkarzinom bewahrt, und die Mortalität durch Kolon- und Rektumkarzinome ging in der Gesamtbevölkerung um 30 bis 40 Prozent zurück. „In Ländern mit vergleichbarer medizinischer Versorgung, aber ohne ein entsprechendes Vorsorgeangebot zeigte sich ein solcher Rückgang nicht“, so Prof. Brenner.

Weit weniger erfolgreich scheint dagegen das organisierte Darmkrebsscreening mit Einladungsverfahren zu sein. Es ging 2019 mit erheblicher Verspätung an den Start und hat seither einiges an Kritik auf sich gezogen. Insbesondere wird es nach Einschätzung von Experten die hierzulande niedrige Teilnahmerate von etwa 15 bis 20 Prozent nicht nennenswert verbessern. Professor Dr. Jürgen F. Riemann, Ludwigshafen, verglich das Vorgehen in Deutschland mit jenem in den Niederlanden, wo seit der Einführung im Jahr 2014 durchweg sehr hohe Teilnahmeraten über 70 Prozent erreicht werden. „Ich glaube, dass wir davon lernen können und müssen“, kommentierte Prof. Riemann. „Denn die Prognosen des RKI sagen uns weiterhin über 55.000 Neuerkrankungen und fast 24.000 Todesfälle voraus.“

Fokus auf Einladungsverfahren und familiärem Risiko

Auch Professor Dr. Frank Kolligs, Berlin, nannte die Prävention als wichtigen Schritt zur Vision Zero bei Darmkrebs: „Wir brauchen daher eine Einladung zum Screening mit Informationen, die verständlich und motivierend sind und die den Test bereits enthalten. Darüber hinaus sollte der Test direkt ins Labor geschickt werden können und die Ergebnisse von dort direkt zurück an den Absender gehen.“

Ein weiteres wichtiges Thema sei es, über Risikofaktoren zu sprechen. „30 bis 50 Prozent des Darmkrebsrisikos sind einem ungünstigen Lebensstil geschuldet und lassen sich entsprechend beeinflussen“, sagte Prof. Kolligs. Dann gebe es nicht modifizierbare Faktoren wie Alter, Geschlecht und eventuell ein familiäres Risiko. „Letzteres wird derzeit in der gesetzlichen Darmkrebsvorsorge überhaupt nicht berücksichtigt“, beklagte er. „Dabei haben 10 Prozent aller Erwachsenen einen erstgradig Verwandten mit Darmkrebs und damit ein zwei- bis sechsfach höheres Darmkrebsrisiko als die Gesamtbevölkerung.“

Rote Karte dem Darmkrebs – was die Symposiums-Teilnehmer fordern

  • Einladungsverfahren verbessern durch verständlichere Informationen, einfachere Abwicklung, einheitlichen Cut-off für Stuhltest, ein Erinnerungssystem für nicht teilnehmende Personen und eine begleitende nationale Kampagne
  • Risikoadaptierte Vorsorgestrategien entwickeln, insbesondere durch anamnestische Erhebung eines familiären Risikos ab dem 35. Lebensjahr und Anspruch auf Darmkrebsvorsorge vor dem 50. Lebensjahr; bei zeitlich vorgezogener Darmkrebsvorsorge: komplementäre Angebote für Menschen ab 70 Jahre
  • Ein Adenomregister
  • Familiäre Krebsbelastung adressieren durch entsprechende Anamnese ab dem 35. Lebensjahr und Anspruch auf adaptierte Darmkrebsvorsorge vor dem 50. Lebensjahr
  • Entwicklung weiterer nicht-invasiver Tests fördern
  • Präzisionsonkologie stärken, um seltene, aber gut behandelbare Veränderungen detektieren und Patienten für innovative Therapien identifizieren zu können
  • Bürokratische Hürden für klinische Studien senken, Anforderungen auf EU-Norm reduzieren
  • Bei chirurgischen Optionen: Vorstellung in spezialisierten Zentren und verbesserte Möglichkeiten. Optionen zum Einholen einer Zweitmeinung
  • Sprechende Medizin fördern, beispielsweise durch die Vergütung von End-of-Treatment-Gesprächen

Professor Dr. Sebastian Stintzing, Berlin, kam schließlich auf Verbesserungsmöglichkeiten in der Therapie zu sprechen. Hinsichtlich der Metastasenresektion komme es in Deutschland leider immer noch sehr darauf an, wo man behandelt wird. „Je spezialisierter das Krankenhaus, desto eher werden auch sekundäre Metastasenresektionen durchgeführt.“ Entsprechend besser seien auch die Überlebenschancen. „Wir müssen dahin kommen, dass geeignete Patienten an Zentren vorgestellt werden und Zugang zu Zweitmeinungen haben.“

Vorbild nNGM Lungenkrebs

Weiter forderte Prof. Stintzing, dass Verfahren der Präzisionsonkologie etabliert werden. „Im nationalen Netzwerk Genomische Medizin nNGM haben Patienten mit Lungenkrebs die Möglichkeit, ihren Tumor auf behandelbare Veränderungen testen zu lassen. Da sollte uns auch beim Darmkrebs der Weg hinführen“, so Prof. Stintzing. Dann nämlich könne man Patienten mit seltenen Erkrankungen identifizieren und ihnen Zugang zu innovativen Medikamenten verschaffen.

Schließlich verwies Prof. Stintzing auf die hohen bürokratischen Hürden für klinische Studien in Deutschland. Sie führen seinen Worten zufolge dazu, dass die Entwicklung neuer Verfahren bevorzugt in anderen Ländern durchgeführt wird. „Das ist frustrierend“, kommentierte Prof. Stintzing, „da müssen wir besser werden, damit wir unseren Patienten innovative Substanzen anbieten können“. Dies solle aber nicht einer Therapie um jeden Preis den Weg ebnen. „Vielmehr wollen wir, dass die sprechende Medizin besser vergütet wird und am Lebensende Ärzte gemeinsam mit Patienten zu guten Entscheidungen kommen.“

Kongressbericht: 7. Interdisziplinäres Symposium „Innovations in Oncology – Vision Zero“