Chronische myeloische Leukämie Der Kampf, der nicht aufhört

Autor: MPL-Redaktion

Mit einer zielgerichteten Medikamententherapie ist die chronische myeloische Leukämie gut beherrschbar. © Day Of Victory Stu. – stock.adobe.com

Die chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine seltene und zunächst vergleichsweise gutartige Krebserkrankung des Blutes. Aber: Wird sie nicht rasch und konsequent behandelt, schreitet die Krankheit voran – und es droht eine akute, gefährliche und letztlich tödliche Leukämie. Lesen Sie hier wie die moderne Medizin die Leukämie beherrschen kann.

Unser Blut hat zahlreiche Aufgaben. Drei davon können besonders hervorgehoben werden.

  • Die roten Blutkörperchen transportieren Sauerstoff von der Lunge zu den Zellen und befördern verbrauchten den Sauerstoff zurück in die Lunge.

  • Die Blutplättchen sorgen bei Verletzungen dafür, dass die Wunden rasch verschlossen werden und so möglichst wenig Blut verloren geht.

  • Die weißen Blutkörperchen sind unsere Gesundheitspolizei und Kampftruppe gegen Krankheitserreger und Störenfriede im Körper.

Alle diese Blutzellen werden aus den gleichen Stammzellen im Knochenmark gebildet. Sie entstehen über viele Zwischenstufen. Mediziner unterscheiden dabei verschiedene Hauptgruppen, aus denen die Blutzellen gebildet werden.

Zum einen gibt es die Gruppe der lymphatischen Vorstufen. Aus ihnen entstehen zum Beispiel sogenannte Killerzellen und Antikörper. Die roten Blutkörperchen, die Blutplättchen und Teile der weißen Blutkörperchen werden aus „roten“ und „weißen – myeloischen“ Vorstufen gebildet. Bei der CML findet sich eine Vermehrung der weißen Blutzellen und der Blutplättchen, die aus einer unkontrolliert wuchernden myeloischen Hauptgruppe hervorgehen.

Forschung für die zukünftige Therapie der CML

Bei vielen Patienten mit CML lässt sich die Erkrankung durch Medikamente sehr gut kontrollieren und eindämmen. Wissenschaftler prüfen sogar, ob sich in Zukunft bei einigen dieser Patienten das Medikament absetzen lässt, ohne dass die CML neu ausbricht. Ob ein Patient an einer Studie teilnehmen kann, in der ein Absetzen der Therapie geprüft wird, muss der behandelnde Arzt sorgfältig abwägen. Egal wie gesund ein Patient sich fühlt oder wie gut das Ergebnis der letzten Untersuchung war – Experten warnen eindringlich davor, die Tyrosinkinase-Inhibitoren eigenmächtig und außerhalb kontrollierter klinischer Studien abzusetzen. Selbst eine geringe Reduktion der vom Arzt vorgesehenen Dosis kann zu einem Versagen der Therapie führen. Wichtigste Voraussetzung für die Teilnahme an den sogenannten Absetz-Studien ist eine vollständige Zurückdrängung der Leukämiezellen im Blut, bis diese selbst mit sehr empfindlichen Methoden nicht mehr nachweisbar sind. Festgestellt wird dies über die regelmäßigen Kontrollen. An diesen Kontrollen sollte jeder Patient teilnehmen, um die Fortschritte der Behandlung zu überprüfen beziehungsweise ihren Erfolg zu kontrollieren. Das geschieht über Bluttests. Die Leukämiezellen dürfen für eine längere Zeit nicht mehr nachweisbar sein – ein einzelnes gutes Ergebnis reicht nicht aus, um an einer solchen Studie teilnehmen zu können. Ein Beispiel ist die sogenannte TIGER-Studie der Deutschen CML-Studiengruppe. Für die Studie werden insgesamt über 650 Patienten gesucht, die zunächst eine Therapie erhalten und dann – falls diese gut anspricht – unter ärztlicher Aufsicht die Medikamente absetzen.

Weitere Unterstützung und Tipps finden Patienten und ihre Anghörigen auf folgenden Internetseiten:

  • Entscheidend für den Therapieerfolg ist letztlich auch immer die richtige Arzt- und Klinikwahl. Gute Informationen hierzu liefert das Kompetenznetz Leukämien unter http://www.kompetenznetz-leukaemie.de
    Hier werden zudem ausführliche Informationen für Patienten und Angehörige bereitgestellt.

  • Empfehlenswert ist auch die Homepage http://www.leukaemie-online.de/
    Patienten haben dort die Möglichkeit, sich mit anderen über ihre Erkrankung auszutauschen.

Chromosomen brechen auseinander: wenn der Schutz versagt

Die CML beginnt mit einer einzelnen Stammzelle des Knochenmarks. Hier brechen zwei Chromosomen auseinander und fügen sich neu, aber für den Körper falsch zusammen. Es entsteht eine neue Genpaarung. Fachleute sprechen vom sogenannten BCR-ABL-Gen, das CML-Leukämiezellen definiert. Eigentlich kann der Körper Genfehler wie BCR-ABL erkennen und dafür sorgen, dass frühe CML-Zellen sich nicht weiter vermehren.

Manchmal versagen diese Mechanismen jedoch. Dann wird aus einer BCR-ABL-positiven Stammzelle im Verlauf vieler Jahre – es können bis zu sieben Jahre vergehen – zahlreiche Tochterzellen, die das normale Knochenmark zunehmend verdrängen. Dieser Prozess verläuft schleichend und wird vom Patienten meist nicht bemerkt. Die Erkrankung wird daher in der Regel zufällig entdeckt. Erst spät bestehen unspezifische Symptome wie nächtliches starkes Schwitzen oder ein Bauchdruckgefühl durch eine vergrößerte Milz.

Wie die neuen Medikamente helfen können

Inzwischen stehen sehr wirksame Medikamente gegen die CML zur Verfügung. Es handelt sich bei diesen Medikamenten um Tabletten, die zur Gruppe der BCR-ABL-Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) gehören. Diese attackieren wirkungsvoll nur die CML-Zellen, indem überlebenswichtige BCR-ABL-Signalwege selektiv blockiert werden.

Über 90% der betroffenen Patienten mit chronischer mye­loischer Leukämie profitieren so nachhaltig von einer TKI-Therapie. „Mit modernen TKI ist die CML heute in den allermeisten Fällen eine sehr gut beherrschbare Erkrankung“, sagt Prof. Dr. Andreas Burchert, Leitender Oberarzt, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie, Universität Marburg. „Die Entwicklung geht im Moment sogar noch weiter. In Studien wird derzeit geprüft, ob unter bestimmten Voraussetzungen die Medikamente vollständig abgesetzt werden können“, sagt Prof. Burchert.

Bald eine Behandlung ganz ohne Medikamente?

Nach langjähriger Einnahme der TKI durch die Patienten ist es nämlich möglich, dass die Anzahl der krankhaft veränderten Zellen im Knochenmark soweit reduziert werden kann, dass Leukämiezellen im Blut trotz moderner Diagnostik nicht mehr nachzuweisen sind. Eigentlich ein Signal, die Medikamente abzusetzen, so könnte man meinen.

„Doch das ist falsch. Nur weil wir sie nicht nachweisen können, heißt das nicht, dass sich keine CML-Zellen mehr im Knochenmark verstecken“, warnt Prof Burchert eindringlich. „Ohne Kontrolle dürfen die Medikamente daher nicht abgesetzt werden.“ Damit wird sichergestellt, dass, falls die CML wieder aufflammt, sofort reagiert werden kann.

Bei Absetz-Studien: Bitte immer erst den behandelnden Arzt befragen

„Fragen Sie Ihren Arzt, ob Sie die Voraussetzungen erfüllen, an einer Absetz-Studie teilnehmen zu können“, rät Prof. Burchert. „Oder stellen Sie sich direkt in einem hämatologischen-Zentrum vor, wenn Sie wissen, dass Sie nach langer Therapie einen geringen BCR-ABL-Wert haben.“ Adressen finden Sie unter anderem unter www.onkomap.de. Ausdrücklich warnt der Onkologe davor, eigenmächtig die Medikamente abzusetzen.

Normale Lebenserwartung möglich!

Die Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML) in den letzten 15 Jahren ist eine Erfolgsgeschichte: Diagnostizierte man in den 1990er Jahren eine CML, dann lag die Lebenserwartung der Patienten im Schnitt bei lediglich fünf bis sechs Jahren. Heute können die meisten CML-Patienten dagegen von einer nahezu normalen Lebenserwartung ausgehen. Die Therapie erfolgt in der Regel mit zielgerichteten Medikamenten, die in Tablettenform genommen werden. Es handelt sich dabei um die Wirkstoffgruppe der sogenannten „Tyrosinkinase-Inhibitoren“, abgekürzt TKI. Mit diesen Substanzen liegen aus Studien der letzten Jahre sehr gute Erfahrungen vor. 


Prof. Dr. Andreas Burchert, Leitender Oberarzt, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie, Universität Marburg © privat