Akute myeloische Leukämie Behandlungsstrategie je nach Alter und Risiko auswählen

Autor: Dietmar Kupisch

Es gibt verschiedene Optionen der Behandlung: Alter, Erkrankung und Zustand bestimmen die Therapiewahl. © iStock/kckate16

Allgemein wird die akute myeloische Leukämie als Blutkrebs bezeichnet. Doch diese bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems ist die häufigste Form akuter Leukämien im Erwachsenenalter. Bei der Erkrankung tritt eine unkontrollierte Vermehrung von unreifen Vorläuferzellen bestimmter Blutzellen im Knochenmark auf. Galt sie vor Jahren noch als unheilbar, gibt es heute zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten, die entsprechend dem Risiko und dem Alter gewählt werden. Perspektive LEBEN stellt sie vor.

Wurde eine akute myeloische Leukämie, kurz AML, diagnostiziert, sollte in der Regel zügig mit der Therapie begonnen werden. „Die Art der Behandlung der AML hängt vor allem ab vom Alter des Patienten, seinem Allgemeinzustand und der Unterform der AML“, erklärt Dr. Rolf Mahlberg.

Einteilung in Risikogruppen

„Mittels Genuntersuchungen bestimmen wir beim Patienten die Unterform der AML und können ihn so einer Risikogruppe zuordnen. Grundsätzlich unterscheiden wir dabei drei Kategorien: die Niedrig- und Standard-Risikogruppe und die Hoch-Risikogruppe“, erklärt Dr. Mahlberg den ersten Untersuchungsschritt.

Hierzu werden Blut und Knochenmark des Patienten untersucht. Die Wahl der passenden Therapiestrategie hängt zudem vom Allgemeinzustand und Alter des Patienten ab. „Nur wenn der Patient körperlich stabil ist, können wir ihm die anstrengende Induktionstherapie zumuten“, betont der Experte.

Chemotherapie zu Beginn

Als Basistherapie bei der AML dient in der Regel eine spezielle Chemotherapie, die als Induktionstherapie bezeichnet wird. Aufgrund ihrer Intensität wird sie dem Patienten stationär verabreicht – für die Dauer von etwa sieben Tagen. Die Onkologen führen die Medikamente über einen zentralen Venenkatheter zu. Durch die Chemotherapie sollen die Leukämiezellen möglichst vollständig abgetötet werden, damit das Knochenmark wieder seine ursprüngliche Funktion, nämlich die Blutbildung, aufnehmen kann.

Als Nebeneffekt der Behandlung sterben auch gesunde Blutzellen ab, was für einige Wochen zu einer deutlich reduzierten Blutbildung führt. Als Ausgleich erhalten Betroffene in dieser Zeit Bluttransfusionen. Darüber hinaus besteht auch die Gefahr von Infektionen. Dagegen werden Antibiotika und Medikamente gegen Pilzinfektionen verabreicht. Insgesamt müssen die Patienten mit einem Krankenhausaufenthalt von etwa vier Wochen rechnen.

Vorteile von spezialisierten Kliniken

Fachkliniken für Hämatologie haben neben ihrer großen Erfahrung in der Behandlung von AML noch einen weiteren Vorteil: Sie sind meist an aktuellen Studien beteiligt, die neue Erkenntnisse zur erfolgreichen Behandlung der Krankheit bereits anwenden. Fragen Sie deshalb Ihren Arzt nach einer spezialisierten Klinik.

Auch wenn die Leukämie nach einer intensiven Chemotherapie zunächst nicht mehr erkennbar ist, können bestimmte Formen der AML zeitversetzt wieder auftreten. Deshalb folgen nach einem Induktions-Chemotherapie-Zyklus als weitere Schritte mehrere sogenannte Konsolidierungszyklen. Hiernach wird in manchen Fällen eine Erhaltungstherapie zur Vorbeugung von Rückfällen durchgeführt. Ziel dieser Strategie ist es, die Krankheit so gut und so lange wie möglich zurückzudrängen.

Stammzellentransplantation bei hohem Risiko

„Hoch-Risikogruppen erhalten eine Chemotherapie und gegebenenfalls auch eine Bestrahlung, um möglichst viele kranke Zellen zu zerstören. Parallel dazu läuft die Suche nach einem Stammzellenspender“, so Dr. Mahlberg. „Anschließend werden dem Patienten die Blutstammzellen des Spenders zugeführt, sodass es zur erneuten Bildung aller Blutzellen kommen kann. Ein passender Spender wird übrigens mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 70 Prozent gefunden“, lautet die Einschätzung des Experten.

Nicht-intensive Therapien

Für Patienten ab einem Alter von 65 bis 70 Jahren kommen eine Chemotherapie oder eine Stammzelltransplantation oftmals nicht mehr infrage. Denn in der Regel liegen Begleiterkrankungen vor und der Einsatz intensiver Therapien ist dann nicht mehr möglich. „In diesen Fällen setzen wir nicht-intensive Therapien ein, wie beispielsweise die epigenetische Therapie. Wir widmen uns also den Genveränderungen, die die AML angerichtet haben“, sagt Dr. Mahlberg. Hintergrund ist, dass bei der AML Steuerungsprozesse der Blutbildung außer Funktion sind. Daher vermehren sich weiße Blutzellen unkontrolliert und reifen zudem nicht mehr aus.

In der epigenetischen Therapie werden Wirkstoffe eingesetzt, die in ihrer molekularen Struktur den Bausteinen der Erbsubstanz ähneln. Sie werden vom Körper somit in die DNS eingebaut. Abgeschaltete Steuerungs-Gene werden aktiviert und die Stammzellen wachsen wieder zu normalen Blutzellen heran. Patienten erhalten die entsprechenden Medikamente ambulant – gespritzt oder als Infusion.

Die Empfehlung: Behandlung in Fachkliniken

Experten empfehlen Betroffenen die Behandlung an Fachkliniken für Hämatologie. Hier ist man spezialisiert auf die Behandlung von akuten myeloischen Leukämien. Die behandelnden Ärzte haben Zugang zum neuesten Stand der Forschung. Oftmals sind solche Kliniken zudem angeschlossen an eine der deutschen AML-Studiengruppen. Patienten können davon profitieren.


Unser Experte Dr. Rolf Mahlberg ist Chefarzt und Leiter des Onkologischen Zentrums des Klinikums Mutterhaus der Borromäerinnen gGmbH in Trier. © privat