CAR-T-Zelltherapie Was steckt hinter der Immuntherapie?

Autor: Christoph Fasel

Die CAR-T-Zelltherapie ist ein komplexes Verfahren. © catalin ‒ stock.adobe.com

Die Immuntherapie auf Zellbasis trainiert in ­mehreren Stufen die körpereigenen Zellen, um den Krebs zu bekämpfen. Was genau dahintersteckt, wem sie tatsächlich nützt und wie sie abläuft.

Die Behandlungsmethode CAR-T-Zelltherapie ist recht neu. In Deutschland wurde sie im August 2018 für die ersten kommerziellen Präparate zugelassen. Bei diesem Verfahren werden per Blutwäsche T-Zellen aus dem Blut der Erkrankten herausgefiltert und anschließend im Labor umgebaut. Die T-Zellen erhalten einen „Chimären Antigen-Rezeptor“(CAR), der dieser Methode seinen Namen gibt. Diese Rezeptoren sind in der Lage, ein Merkmal auf der Oberfläche von Krebszellen, also ein „Antigen“, aufzuspüren. „Wie ein Schlüssel, der in ein Schloss passt, bindet sich das CAR an dieses spezielle Antigen auf der Krebszelle“, erklärt Prof. Dr. Marion Subklewe von der Medizinischen Klinik und Poliklinik III der Ludwig-Maximilians-Universität München. In dem Augenblick des Andockens wird diese Immunzelle aktiviert: Sie beginnt, die Krebszelle anzugreifen und zu zerstören. Gleichzeitig vermehren sich die CAR-T-Zellen im Körper ständig weiter. So vernichten sie permanent Krebszellen – quasi wie ein lebendiges Medikament, das der Körper immer wieder selbst produziert.

Behandlung in speziellen Zentren

Die CAR-T-Zelltherapie ist ein komplexes Verfahren. Es beginnt bei der Gewinnung von T-Zellen aus dem Blut eines Erkrankten und geht über 
die Veränderung der T-Zellen bis hin zu einer Kurzzeit-Chemo. Nur geschulte Teams in qualifizierten Zentren dürfen eine solche Behandlung vornehmen. Mehr Infos, welche Zentren das sind und wo man sie findet, gibt es auf der Webseite der Deutschen Arbeits­gemeinschaft für Hämatopoetische Stammzelltransplantation und Zelluläre Therapie e.V.: www.dag-kbt.de.

Welchen Patient:innen die Therapie hilft

Aktuell wird die Therapie eingesetzt gegen folgende Krankheitsbilder:

  • Wiederkehrende oder nicht auf andere Behandlungen ansprechende großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL) bei Erwachsenen mit mindestens zwei systemischen Vortherapien
  • Rezidivierte oder refraktäre großzellige B-Zell-Lymphome (PMBCL) bei Erwachsenen mit mindestens zwei systemischen Vortherapien
  • Refraktäre oder Wiederkehrende DLBCL und PBMBCL, die innerhalb von 12 Monaten wiederaufgetreten sind, mit mindestens einer systemischen Vortherapie
  • Bei wiederkehrender akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (B-Zell-ALL) bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (2 CART-Produkte jeweils für < 26 und > 26 Jahre)
  • Rezidivierte oder refraktäre Mantelzelllymphome nach zwei systemischen Vortherapien inklusive eines BTK-Inhibitors
  • Rezdidivierte oder refraktäre Follikuläre Lymphome nach drei und vier systemischen Vortherapien (2 CART-Produkte mit Zulassung nach einer unterschiedlichen Anzahl von Vortherapien)
  • Rezidiviertes Multiples Myelom nach drei systemischen Vortherapien

An weiteren Anwendungen wie bei Lungenkrebs, Darmkrebs oder Hautkrebs wird zurzeit weltweit geforscht.

Ein Kriterium, ob die Behandlung wirksam sein kann, ist die Fitness der Erkrankten. Bettlägerige Menschen, die stark gezeichnet und geschwächt sind, bringen oft nicht mehr die körperlichen Voraussetzungen mit, dass ihr Immunsystem sich wirksam wehren kann – auch nicht mehr mit einer Zelltherapie. Eine nächste Frage, die sich dem Untersuchungsteam stellt: Kann die Medizin die fortschreitende Krankheit so lange kontrollieren, bis die mit dem CAR versehenen T-Zellen infundiert werden können? Immerhin kann das Verfahren zwischen 40 und 50 Tage dauern – eine lange Zeit für einen Blutkrebs, der oft rasch voranschreitet. Und schließlich muss für jede/n Patient:in individuell die Kostenübernahme geprüft werden.

Die sechs Phasen der Behandlung

1. Blutentnahme und Apherese 

Ähnlich wie eine Blutwäsche funktioniert die Gewinnung der T-Zellen aus dem Blut. In der Apherese werden die weißen Blutkörperchen aus dem Blut herausgefiltert. Die restlichen Bestandteile des Blutes werden zurück in die Blutbahn gegeben. Dann werden aus den weißen Blutkörperchen die T-Zellen gewonnen. Für die Betroffenen dauert dieser erste Schritt etwa 4 Stunden. Dann können sie in der Regel wieder nach Hause gehen.

2. Herstellung der CAR-T-Zellen 

Die gewonnenen T-Zellen werden eingefroren und an ein Speziallabor gesendet. Dort stattet man sie mit dem „Chimären Antigen-Rezeptor“ aus. Das Ganze dauert Stand heute vier bis fünf Wochen. Dann gehört das CAR zum Erbgut der T-Zelle. Bei jeder Teilung wird diese Information eine Zell-Generation weitergegeben. So werden die CAR-T-Zellen zu einem lebendigen Medikament, das jahrelang im Körper der Behandelten Krebszellen aufspüren und vernichten kann.

3. Kurz-Chemotherapie zur Vorbereitung 

Nun sind die Behandelten wieder gefragt. Bevor sie die Zellen zurück in ihren Blutkreislauf bekommen, muss ihr Immunsystem darauf vorbereitet werden. Dies geschieht, indem die Anzahl der verbliebenen Immunzellen verringert wird. Dafür ist eine dreitägige Chemotherapie nötig. Sie trägt dazu bei, die Schlagkraft der neuen CAR-T-Zellen zu erhöhen. Diese Chemotherapie kann ambulant oder stationär verabreicht werden.

4. Infusion 

Die T-Zellen sind mit ihrem eingebauten Rezeptor CAR im Labor versehen worden – und werden nun dem Krebskranken wieder zugeführt. Dies geschieht mittels einer Infusion. Ein kleiner Beutel, infundiert in die Vene – das ist alles. Die ganze Prozedur für die Verabreichung der Zelltherapie dauert nicht länger als eine Stunde. Und zwar in einem CAR-T-Zentrum. Dies dient der Sicherheit der Betroffenen, die überwacht werden müssen.

5. Akut-Beobachtung 

Anschließend heißt es: Zehn Tage stationäre Überwachung sind nötig. „Denn es ist wichtig zu wissen, ob es zu den erwähnten unerwünschten Nebenwirkungen kommt, wie etwa die beschriebene überbordende Immunreaktion“, erklärt Prof. Subklewe. „Falls es dazu kommen sollte, kann in einem solchen Fall im Zentrum schnell gegengesteuert werden!“

6. Langzeit-Betreuung 

Danach übernimmt der Facharzt am Heimatort die langfristige Betreuung. Nebenwirkungen durch die Therapie sind nicht mehr zu erwarten. Damit ist die CAR-T-Therapie abgeschlossen. Die Patienten werden aber weiter betreut – etwa um zu sehen, wie sich die Anzahl der Krebszellen im Blut weiterentwickelt. Bislang sind die Ergebnisse sehr ermutigend. Prof. Subklewe: „Die CAR-T-Zelltherapie vernichtet nach unseren Erkenntnissen dauerhaft die Krebszellen im Körper. Das heißt: Sie heilt die Patientinnen und Patienten.

Die Zeit überbrücken

„Wegen der langen Vorbereitungen erhalten etwa 85 Prozent der Betroffenen eine Therapie, die die Zeit bis zur Herstellung und Gabe der CAR-T-Zellen ausfüllt“, erklärt Prof. Subklewe. In Studien hat sich gezeigt, dass diese „Brückentherapie“ den Erfolg der Immuntherapie unterstützt. Entscheidend ist, dass die Krankheit so weit wie möglich im Zaum gehalten und sogar etwas zurückgedrängt werden kann, bis die Zelltherapie beginnt. „Anfangs war man sehr vorsichtig mit überbrückenden Therapien“, erläutert die Expertin. „Mittlerweile sind sie zum Regelfall geworden. Denn, so zeigen Studien: Die CAR-T-Zelltherapie verträgt sich gut mit anderen Therapien.“ Selbst Patient:innen, die schon mehrfach und nach Rückfällen mit ihrem Tumor mit anderen Methoden behandelt wurden, können so noch davon profitieren.

Im Normalfall wird die CAR-T-Therapie gut vertragen. Häufig verändert die Gabe der getunten T-Zellen das Blutbild der Patient:innen. Die Anzahl der roten und weißen Blutkörperchen kann sinken. Der Zustand pendelt sich jedoch nach einigen Wochen wieder ein. 

Heftiger wirkt sich der „Zytokinsturm“ – eine Antwort des Körpers auf die sich teilenden oder sich vermehrenden CAR-T-Zellen – wenige Stunden bis Tage nach der Zelltransfusion aus. Hier kann es zu Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Blutdruckschwäche und Schwindel kommen. In einzelnen Fällen kann es zu noch stärkeren Reaktionen kommen. Aber auch diese verschwinden irgendwann wieder. Wichtig ist vor allem, dass der behandelnde Arzt bei Nebenwirkungen frühzeitig interveniert.