Lungenkrebs Mit molekulare Tests den Krebs zielgerichtet aufspüren

Autor: MPL-Redaktion

Frühe Erkennung ist wichtig. © iStock/didesign021

Ein Tumor auf dem Vormarsch. Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr rund 35.000 Männer und 18.000 Frauen neu. Noch vor einigen Jahren war die Prognose denkbar schlecht – doch das ändert sich mittlerweile.

Dank der aktuellen Erfolge der medizinischen Forschung können Ärzte auf immer mehr Behandlungsalternativen zurückgreifen. Molekulare Diagnoseverfahren analysieren das genetische Profil des Tumors und geben so wichtige Informationen für eine wirkungsvolle personalisierte Therapiestrategie. Perspektive LEBEN sprach darüber mit dem Leiter der Abteilung Pneumologie und Allergologie des Universitätsklinikums Frankfurt, Professor Dr. T.O.F. Wagner.

Entscheidend für den Erfolg einer jeden Krebstherapie ist, dass sie tatsächlich anspricht beziehungsweise dass die eingesetzten Medikamente den Tumor zerstören. „Das war beim Lungenkrebs in der Vergangenheit stets ein großes Problem. Die Therapieaussichten überzeugten oft wegen ihres fehlenden Ansprechens nicht. Durch molekulare Tests können wir die richtige Therapie identifizieren und erzielen so seit einigen Jahren eine deutlich höhere Ansprechrate“, sagt Prof. Wagner.

Die Suche nach der richtigen Therapie

Es gibt Patienten, die von sogenannten zielgerichteten Therapien profitieren können. Es gilt dann, die richtige für sie zu finden. Hierbei helfen molekulare Tests. „Wir suchen nach unterschiedlichen molekularen Signalen auf der Oberfläche des Tumors. Finden wir ein solches, können wir dem Patienten mit großer Bestimmtheit eine zielgerichtete Therapie zuordnen“, erklärt Prof. Wagner. Eine zielgerichtete Therapie ist eine Krebsbehandlung mit Wirkstoffen, die in die Wachstumssteuerung von Krebszellen eingreifen, indem sie wichtige Vorgänge oder Signalwege blockieren.

Diese Therapien haben eine deutlich höhere Erfolgsquote im Vergleich zu einer konventionellen Chemotherapie. „Wir haben gelernt, dass das, was wir als Lungenkrebs bezeichnen, aus einer Vielzahl von Tumorarten besteht. Und diese reagieren auf unterschiedliche Therapien beziehungsweise auf unterschiedliche Medikamente“, so der Experte.

Bei einem molekularen Test werden im Labor lediglich zusätzliche Untersuchungen am Gewebe durchgeführt, das dem Patienten ohnehin bei der Diagnosesicherung entnommen wird. Meist geschieht die Probenentnahme mithilfe einer Bronchoskopie, die auch Lungenspiegelung heißt. Dabei führt der Arzt über den Mund einen weichen Schlauch – Bronchoskop genannt – in die Atemwege ein. Durch den Schlauch lassen sich kleine Zangen vorschieben und so Gewebeproben entnehmen. Mit verschiedenen Untersuchungsmethoden wird anschließend nach Veränderungen im Molekülmuster des Tumors gesucht.

Personalisierte Medizin

Biomarker sind ein wichtiger Baustein der personalisierten Medizin. Im Rahmen der molekularen Diagnoseverfahren werden Gewebe- oder Blutproben auf bestimmte organische Substanzen untersucht. Solche Biomarker können zur genaueren Charakterisierung einer Erkrankung herangezogen werden, um zu untersuchen, ob ein Medikament bei einem Patienten voraussichtlich die gewünschte Wirkung erzielen wird.

Die Entwicklung ist rasant

Die Forschung schreitet weiter voran: Kontinuierlich werden neue Signalmoleküle entdeckt, die mitunter auf bereits zugelassene Therapien ansprechen. Zudem entwickeln die Pharmaunternehmen immer weitere Sub­stanzen, welche die Tumoren wirksam bekämpfen. Nach Jahren des Stillstandes verbessert sich so stetig die Pro­gnose für Lungenkrebspatienten.

Molekulare Tests gehören heute zur Standarddiagnostik beim Lungenkrebs. Die zielgerichteten Therapien haben unterschiedliche Ansätze. In einer Zelle gibt es eine Vielzahl von molekularen Signalen und Prozessen, die zum Wachstum erforderlich sind. „In diese Ereigniskette versuchen die zielgerichteten Therapien auf unterschiedlichste Arten einzugreifen und das Wachstum zu stoppen. Auch richten sich solche Therapien gegen die Blutversorgung des Tumors. Sie wird unterbunden, ebenfalls mit dem Ziel, ihn am Wachstum zu hindern und austrocknen zu lassen“, erklärt Prof. Wagner.

Der Ausblick ist vielversprechend

Weil sie nur in einen spezifischen biologischen Prozess eingreifen, wirken zielgerichtete Therapien somit grundsätzlich anders als die konventionellen Chemotherapien, die auf jede Zellteilung im Körper abzielen – und eben nicht nur auf die Tumorzellen. Das führt dann auch zu den bekannten Nebenwirkungen wie Haarausfall, Infektanfälligkeit oder Übelkeit. Unter den zielgerichteten Therapien sind diese Effekte meist geringer ausgeprägt. Patienten, denen die Ärzte mittels molekularer Tests zielgerichtete Therapien anbieten können, profitieren sehr von dieser Behandlung. Ihre Prognosen sind vielversprechend.

Allerdings ist diese Gruppe mit einem Anteil von circa 15 Prozent an allen Lungenkrebspatienten noch relativ gering. „Wir hoffen allerdings, dass wir in fünf Jahren für mehr als 50 Prozent aller Erkrankten eine solche Therapie anbieten können. Die Erfolgsdynamik der letzten Jahre rechtfertigt diesen Ausblick“, so Prof. Wagner. „Selbst aktuell Betroffene, für die es noch keine Therapie gibt, dürfen hoffen. Denn ihnen können wir mit den konventionellen Therapien Zeit verschaffen, die gegebenenfalls ausreicht, auch für sie entsprechende Substanzen zu entwickeln.“

Die wichtige Botschaft für Betroffene mit der Diagnose Lungenkrebs lautet: Es gibt zahlreiche Kliniken in Deutschland, die diese wichtigen molekularen Tests anbieten. Dazu gehören zum Beispiel die 25 zertifizierten Lungenkrebszentren in Deutschland sowie viele Tumorzentren. Das nächstgelegene ist somit niemals weit entfernt – und der Weg lohnt sich.


Prof. Dr. T.O.F Wagner, Leiter der Abteilung Pneumologie und Allergologie des Universitätsklinikums Frankfurt © privat