Mammakarzinom Gen-Expressionstest: Den Verlauf des Brustkrebs ergründen

Autor: MPL-Redaktion

Die Prognosen bei Brustkrebs werden immer besser. © Photographee.eu – stock.adobe.com

Über 70.000 Frauen erkranken in Deutschland jährlich an Brustkrebs. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind sie durchschnittlich 62 Jahre alt. Um eine geeignete Therapie zu finden, versuchen die Ärzte den voraussichtlichen Verlauf der Krankheit mithilfe unterschiedlicher Maßnahmen zu ergründen.

Perspektive Leben sprach mit der Brustkrebsexpertin Professor Dr. Pauline Wimberger. Sie ist die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Technischen Universität Dresden. „Der voraussichtliche Verlauf einer Krebserkrankung lässt sich niemals pauschal vorhersagen. Beeinflusst wird er nämlich von unterschiedlichen Prognosefaktoren“, sagt Prof. Wimberger. So spielt die Biologie des Tumors die entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf. Ist der Tumor zum Beispiel hormonrezeptorpositiv, können Medikamente verabreicht werden, die den Östrogenspiegel herunterregulieren. Bei dieser sogenannten endokrinen Therapie soll das Wachstum von hormonempfindlichen Tumorzellen gestoppt werden.

Tumorgröße und -veränderung

Die Größe des Tumors ist ebenfalls ein Pro­gnosefaktor. Entscheidend ist auch das Grading für den Verlauf der Krankheit. Hinter diesem Fachbegriff steckt die Beurteilung, wie stark sich die Tumorzellen im Vergleich zu den ursprünglichen Zellen verändert haben. „Die Einteilung erfolgt in G1 bis G3. Je höher das Grading, umso aggressiver erscheint die Erkrankung“, erklärt Prof. Wimberger. Bei einem größeren Tumor mit G3-Grading und starkem Wachstum – die Experten sprechen hier von einem erhöhten Proliferationsfaktor – besteht daher häufig die Notwendigkeit einer aggressiveren Therapie, um die Heilungschancen zu verbessern.

Metastasen in den Lymphknoten

Gibt es Metastasen in den Lymphknoten, kann sich dies ebenfalls auf den Verlauf und die Behandlung der Tumorerkrankung auswirken. Um zu klären, ob die Lymphknoten betroffen sind, werden in der Achsel die sogenannten Wächterlymphknoten entfernt. Als Wächterlymphknoten werden die Lymphknoten bezeichnet, die sich im Lymphabflussgebiet eines Primärtumors an erster Stelle befinden. Wenn diese nicht befallen sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass weiter entfernte Lymphknoten betroffen sind. Werden nur die Wächterlymphknoten entfernt, haben die Patientinnen und Patienten ein deutlich geringeres Risiko, Lymphabflussstörungen zu entwickeln, als wenn die gesamten Lymphknoten in dieser Region entfernt werden.

Behandlung in zertifizierten Zentren

Die Behandlung von Brustkrebs wird immer komplexer. Sie sollte daher grundsätzlich in zertifizierten Brustkrebszentren durchgeführt werden. Besonders Kliniken, die Studien anbieten und durchführen und an der Weiterentwicklung von Brustkrebstherapien forschen, sind zu empfehlen. Wichtig sind die bei zertifizierten Brustkrebszentren geforderten interdisziplinären Tumorboards. Hier beurteilen Mediziner sämtlicher beteiligter Fachrichtungen gemeinsam, welche Therapie der Patientin empfohlen werden sollte und ob eine Studienteilnahme ermöglicht werden kann.

Gezielte Behandlung

Onkologen interessieren sich zudem für den sogenannten HER2neu-Status von Brustkrebspatientinnen. Dieser hat nämlich einen direkten Einfluss auf den Verlauf und die Therapie der Erkrankung: Patientinnen mit Tumoren mit einer HER2neu-Überexpression hatten in der Vergangenheit eine schlechtere Prognose.

HER2 ist ein Wachstumsfaktorrezeptor, durch den die Zellproliferation bzw. Zellteilung stimuliert wird – also das Wachstum. Die gute Nachricht für Patientinnen mit HER2-positiven Tumoren lautet: Es gibt wirkungsvolle, zielgerichtete Therapien, unter anderem mit spezifischen Antikörpern, die recht gut verträglich sind. Es wird somit gezielt gegen die Tumorzellen vorgegangen. „Mit diesen Antikörpertherapien haben Patientinnen dann mitunter sogar einen besseren Krankheitsverlauf als manche Patientinnen mit Hormonrezeptor-positiven, HER2neu-negativen hochproliferativen Tumoren. Das zeigen auch unsere eigenen Daten“, berichtet Prof. Wimberger.

Gen-Expressionstest: Chemo ja oder nein

Trotz der vielfältigen Möglichkeiten an Voruntersuchungen zur Festlegung der Therapiestrategie kommt es durchaus vor, dass die Ergebnisse keine eindeutige Entscheidungsbasis liefern. Die zentrale Frage, die es dann meist zu klären gilt, lautet: Ist eine adjuvante Chemotherapie, die das Risiko für ein Rezidiv senken soll, tatsächlich nötig oder kann man der Patientin diese Behandlung ersparen? „In solchen Fällen nutzen wir als zusätzliche Entscheidungshilfe sogenannte Gen-Expressionstests. Es handelt sich dabei um genomische Merkmale, die als prognostische Biomarker anzeigen sollen, wie aggressiv der Tumor ist“, erklärt Prof. Wimberger.

Bei diesen Gen-Expressionstests wird die Aktivität mehrerer Gene analysiert, um damit möglichst eine Risikoabschätzung für den weiteren Krankheitsverlauf zu ermöglichen. Es gibt mehrere Gen-Expressionstests, die klinisch geprüft wurden und als ergänzende Untersuchung in bestimmen Situationen zu empfehlen sind.

Prognosen werden immer besser

Zahlreiche Faktoren müssen für die individuelle Therapiestrategie berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang berichtet Prof. Wimberger, dass Operationen heute zwar immer noch einen wichtigen Bestandteil der Therapie darstellen, diese jedoch deutlich weniger radikal sind als früher. Der Grund ist, dass Brustkrebs heute auch systemisch behandelt wird: Dank der modernen medikamentösen Therapien gibt es mittlerweile neben Chemotherapien eine Vielzahl von zielgerichteten Behandlungsmöglichkeiten.

Das führt zu einer insgesamt sehr guten Prognose bei Brustkrebs: Die sogenannte Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei weit über 80 Prozent. „Bei Patientinnen, die keine Metastasen haben, bevorzugen wir – wenn eine Notwendigkeit zur Chemotherapie besteht – immer mehr eine neoadjuvante Therapie. Mit dieser medikamentösen Therapie, die einer Operation vorgeschaltet wird, kann man somit bei der einzelnen Patientin gut nachvollziehen, ob die eingeleitete Therapie auch entsprechend greift. Als positiver Begleiteffekt werden die Tumoren häufig sehr viel kleiner. Nicht selten kann mit dieser Systemtherapie der Tumor komplett eliminiert werden“, erklärt Prof. Wimberger.


Prof. Dr. Pauline Wimberger, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Technischen Universität Dresden © privat