Multiples Myelom Erkrankte Plasmazellen auf einem guten Weg

Autor: Perspektive LEBEN

Ein Modell des Knochenmarks: In ihm werden die Blutzellen gebildet. © adimas – stock.adobe.com

In Deutschland erkranken rund 4000 Patienten jährlich an einer bösartigen Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark. Der Fachbegriff hierfür lautet multiples Myelom, umgangssprachlich auch als Knochenmarkkrebs bezeichnet. Plasmazellen sind für die Bildung bestimmter Eiweißstoffe zuständig, die bei der Erkrankung im Übermaß gebildet werden. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind die Betroffenen durchschnittlich ungefähr 65 Jahre alt.

In den meisten Fällen verursacht ein multiples Myelom Schmerzen. Die Symptome sind oft unspezifisch. Betroffene klagen beispielsweise über Rücken- oder Knochenprobleme, bei denen Mediziner zunächst nicht an ein multiples Myelom denken. „So vergehen oft viele Monate vom Ausbruch der Krankheit bis zur Diagnosestellung“, sagt Professor Dr. Ulrich Dührsen. Er ist Direktor der Klinik für Hämatologie am Universitätsklinikum Essen und erklärt hier die Therapiemöglichkeiten des multiplen Myeloms.

Frühe Stadien können beobachtet werden

Ein erstes Indiz für ein multiples Myelom sind oft Eiweißveränderungen im Blut. Zur genaueren Diagnose entnehmen die Ärzte Knochenmark. Unter dem Mi­kroskop finden sie dann die entarteten Zellen. „Mit speziellen Methoden sehen wir dann, ob es sich um eine eher günstige oder ungünstige Form der Erkrankung handelt“, sagt Prof. Dührsen. „Mit Röntgenuntersuchungen der Knochen erkennen wir zudem das Ausmaß der bereits eingetretenen Schäden.

Die Behandlungsstrategie hängt von der Art des Myeloms ab. „Die erste Frage, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen, lautet: Muss die Erkrankung überhaupt behandelt werden?“, sagt Prof. Dührsen. Wird das Myelom zufällig festgestellt, verursacht es keine Beschwerden oder Funktionsstörungen und sprechen die Befunde für einen günstigen Verlauf, so beobachtet man die Betroffenen erst einmal – ohne sie zu behandeln. Sie müssen anfangs lediglich alle drei Monate zur ambulanten Untersuchung. Ändert sich nichts, verlängern sich die zeitlichen Abstände.

Jedoch wird heute genauer beobachtet. „Aufgrund von Erkenntnissen der letzten Jahre sehen wir einen neuen Behandlungstrend: Wir beginnen nun deutlich früher mit der Therapie, möglichst bevor der Körper Schaden nimmt“, berichtet Prof. Dührsen. „Studien zeigen, dass sich die Überlebenszeit dadurch verlängert.“

Die Intensität der Behandlung

Die Mehrheit der multiplen Myelome muss allerdings ohnehin sofort nach der Diagnose behandelt werden – vor allem, weil die Betroffenen schmerzhafte Knochenschäden haben. Wird die Krankheit nicht gestoppt, kann es zu Folgeschäden wie Nierenversagen, Blutarmut oder Querschnittslähmungen kommen.

Die Therapie eines multiplen Myeloms kann körperlich anstrengend sein. Vor einer Therapie schaut sich der behandelnde Arzt daher genau den körperlichen Zustand seines Patienten an. „Die Behandlungsintensität ist nämlich abhängig vom gesundheitlichen Allgemeinzustand. Die Faustregel lautet dabei: Je jünger und stabiler ein Patient ist, desto intensiver kann er behandelt werden“, erklärt Prof. Dührsen. Die Methode, mit der die Onkologen ein Myelom am längsten unterdrücken können, ist gleichzeitig auch die intensivste – die Hochdosistherapie. Da eine solche Behandlung das gesamte Knochenmark zerstört, entnimmt man die Stammzellen, die das Knochenmark wieder aufbauen, vorher aus dem Blut. Das geschieht mittels einer besonderen Form der Blutwäsche.

Zwei Tage nach der Hochdosistherapie werden die Stammzellen dem Patienten über das Blut wieder zugeführt. Nach circa 14 Tagen haben sich Blut und Knochenmark gut erholt. „Mit dieser Methode erzielen wir die besten Erfolge“, sagt Prof. Dührsen. Vorgeschaltet ist der Hochdosistherapie eine konventionell dosierte Behandlung, die die Erkrankung möglichst schnell und weit zurückdrängen soll. Das dauert ungefähr vier Monate. Die große Mehrheit der Patienten erfährt so eine sehr deutliche Abschwächung ihrer Symptome.

Neue Medikamente gegen Myelomzellen

Nicht für jeden Patienten kommt eine Hochdosistherapie infrage. Sie erhalten dann konventionell dosierte Medikamente. Die Forschung hat hierbei in den letzten 15 Jahren enorme Erfolge erzielt. „Uns stehen mittlerweile zahlreiche Medikamente zur Verfügung, die sehr gut auf Myelom-Zellen wirken“, berichtet Prof. Dührsen und ergänzt: „Sie sind in der Regel auch gut verträglich. Die Patienten werden auf diese Art und Weise viele Jahre wirkungsvoll behandelt.“ Die meisten Medikamente werden als Tabletten eingenommen. Eine stationäre Behandlung ist hierbei nicht nötig.

Die wesentlichen Säulen der Behandlung sind Medikamente, die sich von der in den 50er Jahren eingesetzten Substanz Thalidomid herleiten, und sogenannte Proteasom-Inhibitoren, die den Abbau der in großen Mengen gebildeten Eiweiße blockieren. Dies führt zum Absterben der Zellen. Die Medikamente werden meist in Kombination mit kortisonartigen Stoffen oder Zytostatika eingenommen, die bereits seit den 70er Jahren zur Behandlung eingesetzt werden.

Seit einigen Jahren können multiple Myelome auch mit speziellen Antikörpern behandelt werden. Hierbei wird das körpereigene Immunsystem aktiviert, sodass es die Tumorzellen angreift und zerstört.

Besonders wirksam sind Verfahren, bei denen die zuvor genannten Medikamente und Antikörper gemeinsam eingesetzt werden. „Wir erwarten auf dem Sektor der Immuntherapie weitere Fortschritte. Nicht nur Antikörper, auch Immunzellen können heute so verändert werden, dass sie die Tumorzellen erkennen und abtöten. Diese vor allem bei Leukämien erprobte Form der Immuntherapie funktioniert offensichtlich auch beim multiplen Myelom. Die vorliegenden Daten sind beeindruckend“, unterstreicht Prof. Dührsen.


Prof. Dr. Ulrich Dührsen, Direktor der Klinik für Hämatologie Universitätsklinikum Essen © Privat