Brustkrebs Eine Ärztin als Krebspatientin: Im Nachhinein scheint‘s mir gar nicht so schlimm

Autor: MPL-Redaktion

Das Kämpferherz erwachen lassen – die beste Medizin. © iStock/Stepan_Popov

Dagmar M. führt gemeinsam mit ihrem Mann eine Praxis für Allgemeinmedizin im Umland von Hamburg. Vor drei Jahren erhielt sie völlig unvermittelt die Diagnose Brustkrebs. In einem offenen Gespräch mit Perspektive LEBEN berichtet sie über ihre Erfahrungen mit der Erkrankung.

Der Grund für mich, seinerzeit zu meiner Frauenärztin zu gehen, war ein recht banaler: Zwei Tage zuvor hatte ich einen Tennisball mit voller Wucht zentral auf meine rechte Brust bekommen.

Ein ungewöhnlicher Schmerz

Wir spielten Doppel, ich stand vorne am Netz und hatte einfach Pech. Es tat richtig weh und ich musste das Spiel unterbrechen. Der Schmerz, den der Ball ausgelöst hatte, fühlte sich ungewöhnlich an – daran erinnere ich mich noch gut. Selbst wenn ich mit solchen Aktionen wenig Erfahrung hatte, irgendwas war komisch daran. Am nächsten Tag schmerzte die besagte Stelle immer noch und zeigte sich sehr druckempfindlich. Ich konnte sie kaum berühren. Gequetschtes Gewebe schloss ich aus, wenn auch der Tennisball mit einer hohen Geschwindigkeit aufprallte. Als sich am Folgetag nichts Wesentliches änderte, ging ich schließlich zu meiner Frauenärztin.

Wie in Trance

Sie untersuchte meine rechte Brust und wurde plötzlich sehr ruhig und konzentriert. Nach kurzer Zeit identifizierte sie den Grund des Schmerzes. Sie hatte einen Knoten ertastet. Zwar relativ weit unten im Gewebe, jedoch recht gut zu spüren. Genau auf diesen Bereich war der Ball getroffen. Ich schreckte zusammen. Meine letzte Untersuchung lag über ein Jahr zurück. Und eigentlich tastete ich mich selbst hin und wieder ab. Wie konnte das geschehen?

Die Tage der Untersuchungen erlebte ich wie in Trance. Ich war ziemlich abwesend. Ständig versunken in Gedanken über die Zukunft, über das Leben. Mein Mann begleitete mich. Unsere Praxis führte vor­übergehend ein befreundeter Kollege. Die Diagnose Brustkrebs lag recht schnell vor. Damit hatte ich gerechnet. Viel wichtiger war für mich das Stadium. Ich wusste, je früher der Krebs erkannt wird, desto besser die Prognose.

Sachlichkeit half mir

Wir informierten uns zwischenzeitlich über die Erkrankung, vor allem über die Heilungschancen und Therapie­möglichkeiten. Mein Mann sprach mit einem befreundeten Onkologen. In den letzten Jahrzehnten hatte sich viel getan: Die Heilungschancen bei Brustkrebs galten als relativ gut. Selbst in späteren Stadien lagen sie noch bei 80 Prozent. Das hatte ich nicht gewusst. Es beruhigte mich. Und vielleicht lag bei mir mit etwas Glück sogar ein frühes Stadium vor, hoffte ich.

Mein Kämpferherz erwachte

Dieser Wunsch wurde nicht erfüllt. Die abschließenden Untersuchungen ergaben, dass sich mein Krebs etwa im Stadium drei befand. Nur vier war noch ungünstiger. Da ich aber zum Zeitpunkt dieser Nachricht bereits viel über die Erkrankung wusste, war ich einigermaßen gefasst. Mein Wissen half mir. Ich war vorbereitet. Allerdings nicht auf das, was mir der behandelnde Onkologe zu meinem Therapieplan sagte. Als ersten Schritt hatte man sich für eine neoadjuvante Therapie entschlossen. Etwa zwei Monate lang sollte ich eine Chemotherapie bekommen. Erst danach würde ich operiert werden.

Bewegung tat der Seele gut

Das musste ich erst einmal verkraften, wollte ich doch den Tumor in meiner Brust so schnell wie möglich loswerden. Nun sollte ich noch zwei Monate damit herumlaufen?

Die Erklärungen des Onkologen waren einleuchtend. Ich verstand, dass man so den Tumor verkleinern wollte, um ihn dann erfolgversprechender operieren zu können. Auf die OP sollte eine zweite Chemo folgen. Diese sollte letzte, nicht entdeckte Tumorreste beseitigen. Das stellte sicher, anschließend tumorfrei zu sein. Das klang logisch. In mir erwachte mein Kämpferherz, und es übertrumpfte meine Angst. Ich nahm die Herausforderung an.

Die Chemo war anfangs hart. Weniger für den Körper, vielmehr litt meine Seele: Meine Haare, auf die ich immer so stolz war, fielen aus. Hinzu kamen Probleme mit den Schleimhäuten. Insgesamt fühlte ich mich krank und schlapp.

Man riet mir, Sport zu treiben, auch wenn es noch so schwer fiele. Also fing ich an zu joggen. Frische Luft und Bewegung taten mir tatsächlich sehr gut. Ich baute mir dann mein eigenes Intervall-Training: auf einen Tag Sport folgte am nächsten ein langer Spaziergang, bei Wind und Wetter. Es gibt sicherlich kreativere Trainingsmethoden. Für mich stellte das aber eine große Aufgabe dar, die es zu meistern galt.

Ich freute mich auf die Chemo

Bis zur anstehenden Operation wurde ich richtig fit, sogar fitter als vor der Diagnose. Und ich bedauerte, nun für längere Zeit meinen Sport einstellen zu müssen. Schließlich musste ich mich nach der OP schonen. Die Chemo hatte toll gewirkt. Der Tumor maß nur noch ein Viertel seiner anfänglichen Größe. Die Chirurgen entfernten zusätzlich einige Lymphknoten. Alles lief prima. Man sprach mir sogar ein Lob bezüglich meiner Fitness aus, was mich etwas stolz machte. Im Krankenbett erwischte ich mich dabei, wie ich die nächste Chemo herbeisehnte, würde ich doch dann wieder mit dem Sport beginnen können. Und das tat ich auch.

Das Ganze ist nun zweieinhalb Jahre her. Die Nachuntersuchungen ergaben bisher kein Rezidiv. Die Chance auf eine vollständige Heilung ist damit schon einmal deutlich gestiegen. Freilich muss ich mich noch etwas gedulden, aber die Angst vor den Untersuchungsergebnissen ist fast weg. Ich denke heute auch ganz rational: Wenn der Krebs wiederkommt, dann gibt´s halt erneut eine Therapie, eine Chemo. Ich würde dann andere Laufstrecken ausprobieren. Und nüchtern betrachtet war die Zeit der Behandlungen gar nicht schlimm. Heute weiß ich das Leben besser zu schätzen. Genieße es intensiver. Bin bescheidener. Gut so.