Rekonstruktive Chirurgie Die Möglichkeiten nach der Brustentfernung

Autor: Christoph Fasel

Eine zunehmende Zahl von Personen, die durch eine Genvariante eine erbliche Vorbelastung für die Diagnose Brustkrebs besitzen, lässt sich mittlerweile vorsorglich beide Brüste amputieren. © SciePro ‒ stock.adobe.com

Was kommt nach der Brustentfernung? Welche Implantate sind besser oder schlechter und warum? Der erfahrene Chirurg Univ.-Prof. Dr. med. Adrien Daigeler, Direktor der Klinik für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie in der BG Klinik Tübingen, beantwortet im Interview mit Prof. Christoph Fasel die wichtigsten Fragen.

Prof. Daigeler, wie häufig sind Brustplastiken nach ­einer Krebs-OP in Deutschland?

Prof. Daigeler: Es gibt keine zentrale Erfassung. Deshalb können wir nur indirekt auf die Anzahl schließen. Etwa 70 Prozent der Patientinnen können mit Erhalt der Brust operiert werden. Unter dem restlichen Drittel gibt es manche Patientinnen, die keine solche Rekonstruktion wollen, etwa wegen eines hohen Alters oder aus Sorge vor einem nochmaligen Eingriff. Schätzungsweise 8.000-mal pro Jahr kommt es zu einer Rekonstruktion.

Welche Arten von Brust­plastiken gibt es?

Prof. Daigeler: Grundsätzlich unterscheidet man zwei Möglichkeiten: Den Aufbau mithilfe eines Silikon-Implantats oder den Einsatz körpereigenen Gewebes. Ziel ist, einen Brusthügel zu schaffen. 

Aber gilt Silikon nicht als gefährlich?

Prof. Daigeler: Vor einigen Jahrzehnten war der Einsatz durchaus umstritten: Deshalb griff man sogar einige Zeit lang zu Implantaten, die eine Kochsalzlösung enthielten. Die Hülle bestand aber immer aus Silikon. Die Sorge vor schädlichen Wirkungen des Silikons haben abgenommen. In nur ganz wenigen Fällen macht das Silikon selbst Probleme. Künstliche Implantate bestehen heute in der Regel eigentlich ausschließlich aus Silikon. 

Was spricht für die jeweiligen Verfahren?

Prof. Daigeler: Die Entscheidung zwischen beiden wird vor allem von den Patientenfaktoren bestimmt, das heißt: Die Patientin muss sich gesundheitlich als dafür geeignet erweisen. Schwierig ist eine große Operation, wie sie beim Einsatz körpereigenen Gewebes nötig wird, wenn schwere Vorerkrankungen vorliegen. Etwa bei einer Niereninsuffizienz, bei Diabetes oder wiederkehrenden Thrombosen.

Warum ist das bei einer Entscheidung für die Eigengewebe-Rekonstruktion so wichtig?

Prof. Daigeler: Eine Zahl mag das verdeutlichen. Der Stressfaktor für die Patientin lässt sich allein schon ablesen an der Operationsdauer. ­Alles zwischen 4 bis 6 Stunden ist für einen solchen Eingriff eine normale Zeit. Sollte es zu Komplikationen kommen, kann ein solcher Eingriff auch mal doppelt so lange dauern. Kranke Menschen können bei langen Operationen Schaden nehmen und die Wunden heilen oft schlechter.

Wie sieht ein solcher Eingriff technisch aus?

Prof. Daigeler: Wir entnehmen das Gewebe an einer Stelle, wo es Fettdepots im Körper gibt. Dieses Gewebe dient uns als Material für die Rekonstruktion – das kann am Bauch, Gesäß oder Oberschenkel sitzen. Wir suchen nun nach dem Blutgefäß, das dieses Fettgewebe versorgt. Dieses Gefäß verfolgen wir. Dann präparieren wir einen Gewebelappen, der ein zuführendes und ein abführendes Gefäß besitzt – denn das neue Brustgewebe muss ja mit Nährstoffen versorgt werden.

Dieses aus dem Körper entnommene Gewebe bauen Sie dann zur neuen Brust auf?

Prof. Daigeler: Genau, wie ein körpereigenes Implantat. Unser Ziel ist bei dieser Operation, dass das Gewebe wieder an Venen und Arterien angeschlossen wird, sodass es gut durchblutet wird und an der neuen Stelle an der Brust anwächst. Deshalb halten wir unsere Patientinnen dazu an, dass sie am besten die ersten Tage nach der Operation liegen. Der Rat lautet: Ruhe halten, schonen, drei Monate lang nach der Operation nicht mehr als 5 Kilogramm tragen, damit die Gefäße und Wunden gut heilen können. 

Wie sieht die Operation bei der Verwendung von Silikon-Implantaten aus?

Prof. Daigeler: Diese Rekon­struktion verläuft deutlich einfacher. Der Operateur bildet eine Hauttasche. In das entstandene Loch schiebt er ein in Größe und Form vorher definiertes Silikon-Implantat. Das Ganze geht schnell. Oft ist diese Operation für die ­Patientin schon in 20 Minuten pro Seite erledigt – also ein deutlicher Unterschied im Gegensatz zur ­Eigengewebe-Rekonstruktion.

Was sind die jeweiligen Vorteile der beiden Methoden?

Prof. Daigeler: Wenn die Patientin noch eine Bestrahlung bekommen sollte, liegt das Risiko, dass es zu Komplikationen kommen kann mit einem Silikon-Implantat bei 50 Prozent. Sollten im Behandlungsplan einer Patientin noch Bestrahlungen infrage kommen, raten wir zur Rekonstruktion mit Eigengewebe. Außerdem ist zwar der Eingriff größer, aber laut Studien auch die Patientinnenzufriedenheit, wenn mit Eigengewebe rekonstruiert wurde. Es fühlt sich eben an wie der eigene Körper, und ist es ja auch.

Und wie fühlt sich die rekonstruierte Brust für die Frau an? Gibt es da Unterschiede?

Prof. Daigeler: Im Unterschied zu einer Brust aus Eigengewebe bleibt das Silikon stets kühler – es wird also deutlicher von den Patientinnen als Fremdkörper wahrgenommen. Das durchblutete transplantierte Eigengewebe ist warm. Was es jedoch – wie das Silikon-Implantat – nicht hat, ist das Gefühl. Das rekonstruierte Gewebe ist und bleibt taub. Der Grund: Die ursprünglichen Nervenverbindungen des Gewebes lassen sich am neuen Ort nicht gut rekonstruieren.

Wie wird die Brustwarze aufgebaut?

Prof. Daigeler: Da die Brustwarze stärker getönt ist als die übrige Haut, nimmt der Operateur meist ein Stück Haut aus der Leiste oder von den Schamlippen der Patientin. Auch die Oberlider kommen infrage. Damit lässt sich eine befriedigende Form und Farbe des Brustwarzenhofes herstellen. Die Brustwarze selbst wird durch örtliche Gewebeverschiebung aufgebaut.

Können die betroffenen Patientinnen ihre Wünsche für die Rekonstruktion einbringen?

Prof. Daigeler: Selbstverständlich in hohem Maße – so es rein medizinisch und körperlich von den Voraussetzungen möglich ist. Ein Operateur, der eine Rekonstruktion durchführt, wird immer versuchen, die Wünsche und Befürchtungen einer Patientin wahrzunehmen – und im Vorgang der Rekonstruktion zu berücksichtigen.

Wie zufrieden sind die behandelten Patientinnen nach der Rekonstruktion?

Prof. Daigeler: Studien ergeben, dass Frauen, die eine Rekonstruktion gewählt haben, ein hohes Maß an Zufriedenheit mit ihrem Körper und ihrem Selbstbild entwickeln.