Kopf-Hals-Krebs Mit Selbsthilfe gegen die Angst: Es geht um die Betroffenen-Kompetenz

Autor: Tina Krepala

Menschen, die mit der Diagnose Krebs konfrontiert werden, sind mit der Situation fast immer überfordert. © Tryfonov – stock.adobe.com

Etwa 50 von 100.000 Einwohnern erkranken jährlich an Krebs im Kopf-Hals-Bereich. Die Diagnose trifft die Patienten fast immer aus heiterem Himmel. Die damit einhergehenden medizinischen Notwendigkeiten sind komplex, die Ängste groß. Das alles zu verarbeiten, gelingt oft nicht ohne fremde Hilfe. Gefragt sind Ratschläge abseits des ärztlichen Rats – Ratschläge, die die Psyche unterstützen. Perspektive LEBEN zeigt, wie Betroffene sich helfen können.

Unter dem Begriff Kopf-Hals-Tumoren werden verschiedene Krebsarten des Kopf-Hals-Bereiches zusammengefasst. Dazu zählen bösartige Tumoren der Mundhöhle, des Rachens, des Kehlkopfes, der Nase, der Nasennebenhöhlen sowie des äußeren Halses. „Die Therapie, die Krankheit und besonders deren Folgen verunsichern Betroffene sehr. Sie können nicht einschätzen, wie es weitergeht. Ängste entstehen. Sie brauchenHilfe“, sagt Werner Kubitza. Er ist Vorstandvorsitzender des bundesweiten Selbsthilfenetzwerkes Kopf-Hals-M.U.N.D.-Krebs e.V. mit Sitz in Bonn.

Befürchtungen nehmen – Mut machen

Menschen, die mit der Diagnose Krebs konfrontiert werden, sind mit der Situation überfordert. „Sie sind nicht vorbereitet. Ärzte sprechen über Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung, erklären die therapeutischen Maßnahmen. Aber persönliche Fragestellungen kommen meist viel zu kurz“, sagt Kubitza und merkt an: „Bleiben dringende Fragen unbeantwortet, etwa zum veränderten Alltag, zu Krankheitsfolgen oder -bewältigung, kann das bei Betroffenen zu unnötiger Unsicherheit und Zukunftsangst führen.“ Solche Gefühle müssen möglichst vermieden beziehungsweise abgebaut werden. „Es geht darum, den Betroffenen Mut zu machen. Das schaffen Betroffene, die auf eine gewisse Krankheitshistorie zurückblicken können, Therapie und Reha schon hinter sich haben. Wir sprechen hier von der Betroffenen-Kompetenz“, erklärt Kubitza. „In Selbsthilfegruppen und im persönlichen Gespräch können sie ihren Erfahrungsschatz nutzenstiftend weitergeben. Das nimmt Ängste und macht Mut.“

Die Gruppe hilft sich selbst

Die typische Sitzung einer Kopf-Hals-Krebs-Selbsthilfegruppe konzentriert sichmeist auf Berichte der Teilnehmer über ihre derzeitige Situation: Probleme werden angesprochen, Fragen gestellt und beantwortet. Es wird viel diskutiert. „Hierbei kommt es zu dem wichtigen Erfahrungsaustausch. Die Gruppe hilft sich gewissermaßen selbst. Selten bleiben Fragen unbeantwortet“, beschreibt Kubitza und resümiert: „In der Regel weiß letztendlich jeder, wie er mit seinen aktuellen Problemen umgehen kann. Das sollte das Ziel einer jeden Sitzung sein.“

Themen werden querbeet besprochen

So erklären Erfahrene beispielsweise, was Betroffene bei einer Bestrahlung des Mundraumes zu erwarten haben, welche Schädigungen auftreten können und geben Tipps, welche Mundspülungen dann am besten wirken oder wie sie einer Mundtrockenheit vorbeugen können. „Ein viel besprochenes Thema ist auch die Vorbereitung auf die Zeit nach der Therapiephase. Generell raten wir, frühzeitig die Reha einzuleiten, um so die Erstfolgen der Behandlungen gut abmildern zu können“, sagt Kubitza. Zudem tauschen die Teilnehmer nützliche Empfehlungen aus, welche Reha-Kliniken spezialisiert sind auf die Nachsorge von Kopf-Hals-Krebs-Patienten.

Sie sollten zum Beispiel Logopäden beschäftigen und Schlucktrainings sowie eine Stimm- und Sprechtherapie anbieten. Kubitza betont: „Inhaltlich geht es in unseren Sitzungen übrigens nicht nur um die Bewältigung des Alltags beziehungsweise der persönlichen Probleme. Wir halten ständig Kontakt zu Fachärzten und sind somit stets auf dem neuesten Stand der Forschung. Fragen rund um medizinische Themen sind also ebenfalls willkommen, können und sollen aber nicht den fachärztlichen Rat ersetzen.“

Zeitpunkt: je früher, desto besser

Entscheidend ist für Kubitza der Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Selbsthilfe. Hier lautet seine Empfehlung: je früher, desto besser. Bereits nach der Diagnosestellung sollten Betroffene Selbsthilfe beziehungsweise den Kontakt zu Gleichbetroffenen suchen. Die behandelnde Klinik sollte über Kontakte verfügen und kann vermitteln. Wer möchte, der wird vor, während und nach seinem Krankenhausaufenthalt unterstützt und entsprechend beraten. „Es geht letztlich darum, möglichst früh aufzuklären. Denn nur wer ausreichend informiert ist, kann unnötige Ängste vermeiden und sich voll und ganz auf die wichtige Therapie und die Krankheitsbewältigung konzentrieren.“

Die wichtige Rolle der Angehörigen

Ähnliches gilt auch für die Angehörigen. Sie leiden oftmals sogar mehr als die Betroffenen selbst. „Wir kümmern uns daher auch um Angehörige und laden sie aktiv zu unseren Gruppensitzungen und Treffen ein. Auch hier lautet das Ziel, wichtige Informationen weiterzugeben, Fragen zu beantworten und ihnen so die Ängste zu nehmen“, erklärt Kubitza. „Was nämlich Betroffene in ihrer Situation gut gebrauchen können, sind Angehörige, die mental stark und gut informiert sind. Nur dann können sie Betroffene optimal unterstützen. Insofern helfen wir Menschen, anderen Menschen zu helfen.“


Werner Kubitza, Vorstandsvorsitzender des bundesweiten Selbsthilfenetzwerkes Kopf-Hals-M.U.N.D.-Krebs e.V. Bonn © privat
Im lebendigen Austausch mit der Gruppe können Betroffene Informationen sammeln und damit ihre Ängste besser im Zaum halten. © Bro Vector – stock.adobe.com