Auf der Suche nach Kraft Mit der Selbsthilfegruppe gegen die Ängste

Autor: Perspektive LEBEN

Gemeinsam stark: In Selbsthilfegruppen können Fragen und Ängste erfolgreich bearbeitet werden. © iStock/Prostock-Studio

Renate Haidinger erkrankte im Jahr 2000 im Alter von 42 an Brustkrebs. Das war für sie der Anlass, eine Selbsthilfegruppe zu gründen, ein unabhängiges Forum rund um das Thema Brustkrebs für Betroffene, Angehörige und Interessierte. Im Jahr 2003 entstand daraus Brustkrebs Deutschland e.V. Vorstand Renate Haidinger klärt, warum Selbsthilfe gerade bei dieser Krankheit so wichtig ist.

Selbsthilfe hat viele Facetten: Sie reichen von lockeren gelegentlichen Treffen Betroffener bis hin zu professionell arbeitenden Selbsthilfegruppen, in denen unterschiedliche Fachinformationen bereitgestellt werden. Allen diesen Gruppen aber ist eines gemeinsam: „Es geht um den Austausch – beispielsweise über Therapien, Nebenwirkungen oder familiäre Probleme“, beschreibt Renate Haidinger die Vielfalt der Themen. Wie informiert man seine Kinder am besten über die Krankheit? Welche Auswirkungen können die Diagnose und Behandlung auf den Beruf haben? Wie geht es für mich nach der Therapie am besten weiter?

Die Themen, die besprochen werden, sind bunt

Im Zentrum des Interesses steht gerade zu Beginn der Krankheit der Umgang mit Ängsten. Hier helfen oft die Erfahrungsberichte anderer Betroffener in der Gruppe. „Denn nur wer Gleiches oder Ähnliches durchgemacht hat, kann hilfreiche Tipps zur Bewältigung geben“, betont Haidinger. Wichtig bei der Diskussion dieser Themen ist die Anwesenheit eines Moderators. Es gibt nämlich auch Betroffene, die mit ihren Ängsten nicht so gut umgehen können – und andere dann emotional herunterziehen. Ein Moderator verhindert das – und unterstützt alle Teilnehmer.

Selbsthilfegruppen sind zudem ein Forum für Fachfragen. Fachleute berichten über die verschiedensten Bereiche, wie Bewegung und Sport, Physiotherapie oder Psychoonkologie. Auch Ärzte stellen sich für Fragenrunden zur Verfügung. Darüber hinaus bieten solche Gruppen immer wieder auch exotischere Themen an – wie etwa die Wirkungsweise der Klangschalentherapie.

Wo Sie Selbsthilfe und Unterstützung bei Brustkrebs finden

Neben den klassischen Selbsthilfegruppen gibt es zudem die Patientinnen-Organisationen. Hier werden in der Regel größere Veranstaltungen organisiert, die inhaltlich bis hin zur politischen Einflussnahme auf die Sozialpolitik reichen.

Selbsthilfe – ab wann sollten betroffene Frauen danach suchen?

Der richtige Zeitpunkt zum Beitritt in eine Selbsthilfegruppe hängt von den individuellen Bedürfnissen der Patientin ab. „Geht es um die Informationssuche, abseits der ärztlichen Standards, sollten Frauen so früh wie möglich Selbsthilfe in Anspruch nehmen – am besten gleich nach der Diagnosestellung“, empfiehlt Renate Haidinger und ergänzt: „Das Gleiche gilt für die Suche nach emotionaler Unterstützung. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Frauen zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten zu uns kommen“. Die grundsätzliche Empfehlung lautet: Wenn die Fragen rund um die Krankheit überhand nehmen, sollten Frauen sich Hilfe suchen.

Vielen Frauen fehlt nach abgeschlossener Therapie der Kontakt zu Ärzten und Pflegern. Der Austausch über die Erkrankung ist so nicht mehr möglich. Auch solche Frauen profitieren von Selbsthilfegruppen. Sie bieten ihnen einen guten Ersatzkontakt. „Oft hilft es schon, wenn man über bestimmte Themen einfach nur spricht.“

Wie die Sitzungen in der Gruppe ablaufen können

Der Ablauf einer Selbsthilfegruppensitzung ist von Veranstaltung zu Veranstaltung verschieden. Oft treffen sich die Teilnehmer zu einem fixen Termin an einem neutralen Ort. Das kann zum Beispiel ein separater Raum eines Restaurants sein. „In einer Klinik sind zwar leichter Räume zu bekommen, jedoch meiden viele Patientinnen deren Atmosphäre“, weiß Renate Haidinger zu berichten. Der Moderator eröffnet meist das Gespräch.

Er berichtet zum Beispiel über Neuigkeiten rund um das Thema Brustkrebs. Auch stellen sich zu Beginn neue Teilnehmer vor: Sie erklären ihre Beweggründe für den Beitritt, schildern ihren Krankheitsverlauf und -status oder beschreiben ihre Ängste und Sorgen. „Dazu sind sie allerdings nie verpflichtet, alles ist stets freiwillig. Wer möchte, kann auch erstmal ganz passiv zuhören“, betont Haidinger.

Anschließend werden Fragen in der Gruppe geklärt. Dabei geht es vielfach um Alltagsprobleme, die die Krankheit mit sich bringen kann – etwa das neuerdings aufgetretene Unwohlsein, die Krise mit dem Partner oder die Probleme bei der Arbeit.

„Ein großes Interesse gibt es immer wieder rund um das Thema Nebenwirkungen: Was kann ich selbst dagegen tun, lautet stets die Frage. Hier werden Patientinnen aufgeklärt“, so Renate Haidinger. „Man muss schon das Richtige tun und aufpassen, dass der eigentliche Therapieerfolg nicht behindert wird.“ Häufig enden solche Treffen dann mit netten Plaudereien beziehungsweise ganz anderen Themen.

Selbsthilfe – Wie lange soll sie in Anspruch genommen werden?

Laut Haidinger gibt es keine Empfehlungen oder Regeln, wie lange Frauen die Selbsthilfe in Anspruch nehmen sollten. Die Erfahrung zeigt, dass einigen Patientinnen zwei oder drei Monate der Teilnahme an einer solchen Gruppe reichen, um Ihre Fragen und Emotionen zu sortieren. Andere Frauen hingegen bleiben über Jahre dabei und geben ihre Erfahrungen an andere Betroffene weiter. Auch unterbrechen manche Frauen durchaus auch einmal ihre Teilnahme und kehren nach einiger Zeit wieder in eine Gruppe zurück.

Ein Rat an alle Patientinnen ist Selbsthilfe-Expertin Haidinger besonders wichtig: „Seien Sie vorsichtig bei der Informationssuche im Internet! Denn hier mischt sich oft Halbgares und manchmal sogar ausgesprochen Gefährliches unter die Ratschläge!“

Eindeutig besser ist für die Expertin stets die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. „Die ist ganz besonders wichtig“, sagt Renate Haidinger. „Denn nicht selten beeinflussen auch gut gemeinte, aber schädliche Ratschläge den Therapieerfolg. Und das wäre fatal!“


Renate Haidinger, Vorstand Brustkrebs Deutschland e.V. © Privat