Prostatakrebs Früh erkannt – Gefahr gebannt

Autor: Dietmar Kupisch

„Es gibt häufig eine enge Kontrolle ohne Therapie.“ © Benedikt Toepel – stock.adobe.com

Die Gefahr, an Prostatakrebs zu sterben, wird durch die großen Fortschritte der Medizin immer weiter eingedämmt. Das A und O dafür sind eine konsequente Vor- und die strikte Nachsorge nach einer Behandlung. Hier beantwortet Prof. Dr. med. Dr. h.c. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Urologie in Tübingen, die wichtigsten Fragen zum Prostatakrebs.

Wo sitzt und was macht die Prostata?

Die Prostata befindet sich oberhalb des Enddarmes, zwischen der Blase und dem Penisansatz. Sie umschließt die Harnröhre und ist normalerweise etwa so groß wie eine Kastanie. Die Aufgabe dieser Drüse ist, Bestandteile der Samenflüssigkeit zu produzieren, die für den Transport und die Qualität der Samen wichtig sind.

Wie gefährlich ist Prostatakrebs?

Jeder Krebs ist eine ernste Erkrankung, die frühzeitig erkannt, gut behandelt oder zumindest sehr scharf beobachtet werden muss. Sowohl in der Diagnostik als auch bei der Behandlung konnten enorme Fortschritte erzielt werden. Diese Fortschritte können wir aber nur nutzen, wenn der Krebs frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt oder überwacht und kontrolliert wird. Für die Patienten bedeutet dies, dass sie länger leben und die Lebensqualität dabei oft gut erhalten werden kann.

Was bedeuten die Stadien einer Erkrankung im sogenannten TNM-Schema?

Die Stadien beschreiben die Ausbreitung des Prostatakrebses. Wir unterscheiden grob vier wesentliche T-Stufen.

T1: In diesem Stadium ist der Tumor auf das Organ Prostata beschränkt. Das Tückische in diesem Stadium ist, dass die Patienten nur selten Beschwerden haben und der Krebs vom Arzt mit einfachen klinischen Untersuchungen wie Abtasten meist noch nicht erkannt werden kann.

T2: In diesem Stadium ist der Tumor auf die Prostata beschränkt, aber schon so groß, dass er vom Arzt im Rahmen der Vorsorge ertastet werden kann. Er ist unter Umständen im Ultraschall und meist mit Kernspintomographie (MRT) erkennbar. Auch in diesemStadium sind Beschwerden eher selten.

T3: In diesem Stadium ist der Tumor über die Prostata hinaus in das unmittelbar umgebende Gewebe eingedrungen. In der Regel ist er gut tastbar und meist mit Ultraschall und Kernspintomographie (MRT) erkennbar.

T4: In diesem Stadium hat der Tumor benachbarte Organe erfasst.

Hinzu treten Angaben über den Befall von Lymphknoten im TNMSchema. Dies wird mit N0 angegeben, wenn kein Lymphknoten befallen ist beziehungsweise mit N1 angegeben, wenn die Lymphknoten befallen sind. Dieselbe Systematik wird bei Metastasen TNM-Schema angewendet: M0, wenn keine Fernmetastasen nachweisbar sind, und M1, wenn Metastasen vorhanden sind. Weitere Bezeichnungen beschreiben noch den Ort der Metastasen.

Mit diesem einheitlichen, sogenannten TNM-System, wird sichergestellt, dass sich alle behandelnden Ärzte rasch ein Bild über den Fortschritt der Erkrankung machen können.

Was ist der PSA-Test?

Im Blutkreislauf zirkuliert ein Eiweiß, das sogenannte prostataspezifische Antigen (PSA), das in den Prostatadrüsen gebildet und der Samenflüssigkeit beigemengt wird, um den Samenerguss eine Weile flüssig und die Samenfäden beweglich zu erhalten. Geringe Mengen können aber  – je nach dem Zustand der Prostata – fälschlicherweise ins Blut gelangen. Geringe PSA-Mengen im Blut sind normal. Ab einer gewissen PSA-Menge kann dies aber ein Hinweis auf eine Erkrankung der Prostata sein, wie zum Beispiel eine Entzündung oder Prostatitis, gutartige Prostatavergrößerung, mechanischer Druck auf die Prostata, zum Beispiel durch Fahrradfahren, oder Prostatakrebs.

Häufig wird bei der Diagnose von Prostatakrebs auch vom Gleason-Score gesprochen. Was verbirgt sich dahinter?

Im Jahr 1966 hat der amerikanische Pathologe Donald Gleason ein System entwickelt, mit dem unter dem Mikroskop die Aggressivität von Prostatakrebs beurteilt werden kann. Dafür werden Gewebeproben aus der Prostata entnommen, durch den Pathologen untersucht und klassifiziert. Grob zusammengefasst unterscheidet man drei Einstufungen der Aggressivität: niedrige oder „low risk“, mittlere oder „intermediate risk“ und hohe oder „high risk“.

Wie wird das Zusammenspiel aus TNM-Stadium, PSA-Konzentration und Gleason- Score beurteilt?

Im Wesentlichen ruhen Therapieempfehlung und Prognoseaussagen bei Prostatakrebs auf diesen drei Einstufungen. Damit können Ärzte mit den Patienten besprechen, was getan werden sollte, um entsprechend Gesundheitszustand, Lebensplanung und Sicherheitsbedürfnis eine Strategie zu entwickeln, die Krankheit entweder zu heilen oder zumindest deren Folgen möglichst gut zu bewältigen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen im Zentrum?

Heute können wir vielen Patienten eine engmaschige und strikte Kontrolle, ganz ohne aktive Therapie, empfehlen. Wir sprechen dann von der sogenannten aktiven Überwachung oder „Active Surveillance“. Die Befürchtung „wertvolle Zeit“ zu verlieren ist in diesen Fällen durch regelmäßige Kontrollen minimiert. Verschlechtern sich die Werte oder die Ergebnisse einer Bildgebung im Zeitverlauf, kann die aktive Therapie unmittelbar eingeleitet werden.

Ist der Tumor schon weiter fortgeschritten, wird meist eine operative Entfernung oder eine Bestrahlung der Prostata notwendig werden. Für die Operation gilt, dass Nebenwirkungen wie zum Beispiel Einschränkungen oder Verlust der Blasenkontrolle und/oder der Potenz – meist nur vorübergehend – auftreten können. Sowohl bei der Strahlentherapie als auch bei chirurgischen Verfahren können unter bestimmten Voraussetzungen auch Chemo- oder Hormontherapien ergänzend eingesetzt werden.

Welche Behandlungsform gewählt wird, hängt ganz wesentlich von den Diagnoseergebnissen als auch von den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Patienten ab und muss ausführlich besprochen werden. Viele Prostatatumoren wachsen eher langsam, daher ist genügend Zeit vorhanden, die Entscheidung über das weitere Vorgehen gut abzuwägen und mit Familie und Freunden zu besprechen.


Prof. Dr. med. Dr. h.c. Arnulf Stenzl; Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Urologie Tübingen © privat