Gebündeltes Fachwissen Digitale Tumorkonferenz: Alle (online) für einen

Autor: Thomas Kuhn

Expertise an jedem Monitor: Beim digitalen Tumorboard diskutieren Chirurgen, Radiologen und andere mit. © iStock/emojoez

Bei einer interdisziplinären Tumorkonferenz besprechen medizinische Experten verschiedener Fachrichtungen gemeinsam die individuellen Fälle von Krebspatienten. Ziel ist es, einen für den einzelnen Patienten optimalen Behandlungsplan zu erstellen. Oft finden die Treffen virtuell statt. Lesen Sie hier, weshalb Patienten von den Besprechungen profitieren und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.

Interdisziplinäre Tumorkonferenzen, auch Tumorboards genannt, sind regelmäßig stattfindende Treffen. Vertreter verschiedener Fachrichtungen besprechen dabei die Dia­gnostik-, Therapie- und Nachsorgestrategien für einzelne Tumorpatienten. Neben Onkologen sind bei den Konferenzen oft Chirurgen, Radiologen, Strahlentherapeuten und Pathologen dabei – manchmal auch z.B. Haut- oder Frauenärzte. Im Team versuchen sie für jeden Patienten maßgeschneidert die aussichtsreichste Strategie zu finden. Bei einer Online-Konferenz geschieht das Ganze unter dem Einsatz interaktiver Videokommunikation, der in der Onkologie derzeit wichtigsten telemedizinischen Anwendung. Die digitale Kommunikation ermöglicht die zeitnahe Erstellung abgestimmter Behandlungspläne.

Die Technik muss stimmen

Die Teilnahme an einer Videotumorkonferenz kann unabhängig vom Ort erfolgen, bedarf jedoch bei den zugeschalteten Teilnehmern einer technischen Grundausstattung. Unabhängig davon, wie die IT-Lösung erfolgt, muss dabei gewährleistet sein, dass allen Teilnehmern stets exakt dasselbe Bildmaterial in gleicher Qualität zur Verfügung steht. Auch die Einhaltung des Datenschutzes muss gegeben sein, etwa durch Datenverschlüsselung. In Zukunft ist denkbar, dass sich die Telemedizin in der Onkologie über die Videotumorkonferenz hinaus auf das Feld des Telemonitoring erweitert. Beispielsweise um Vitalparameter oder Zwischenanamnesen bei ambulanten Patienten nach oder unter der Therapie zu erfassen oder um die psychoonkologische Betreuung zu verbessern.

Die Besprechung gehört zum Standard

Dass eine Fachdisziplin allein heute oft nicht mehr ausreicht, um festzustellen, welche Therapieoption in einem konkreten Behandlungsfall vorrangig ist, hat vor allem zwei Gründe: Zum einen liegt es daran, dass auf dem Gebiet der Tumorbiologie weltweit sehr viel geforscht wird. Die vielen Neuerungen, die aus einem besseren Verständnis der Tumorbiologie resultieren, kann ein fachübergreifendes Gremium besser berücksichtigen. Zum anderen liegt es daran, dass Krebserkrankungen insgesamt sehr komplex sind. Sowohl im Nationalen Krebsplan der Bundesregierung als auch in Leitlinien der Fachgesellschaften werden daher multidisziplinäre Tumorkonferenzen (MDT) als Standard in der onkologischen Versorgung eingefordert.

Ein Beispiel macht das deutlich: Die aktuelle S3-Leitlinie für Darmkrebs stellt klar heraus, dass alle Patienten vor ihrer Behandlung in einem MDT vorgestellt werden sollen. Nur Patienten, die einen lokal begrenzten Tumor aufweisen, sollten aufgrund der unstrittigen primär chir­urgischen Behandlungsempfehlung erst nach erfolgter Primärtherapie in einer Tumorkonferenz besprochen werden.

Empfehlungen mit Wirkung

Im Deutschen Ärzteblatt machte die Medizinerin Kia Homayounfar schon vor Jahren darauf aufmerksam, dass die gemeinsame Diskussion der vorliegenden Befunde innerhalb eines MDT nachweislich Konsequenzen für die Behandlung hat. Die gemeinsamen Entscheidungen eines MDT unterscheiden sich tatsächlich in bis zur Hälfte aller Fälle von der Therapieplanung durch einzelne Fachärzte.

Die genaue Untersuchung der Empfehlungen zeigt: Eine multidisziplinär getroffene Entscheidung ist effektiver und die kollegiale Diskussion akkurater als die Summe der Einzelentscheidungen. Die Ableitung des sich aus der interdisziplinären Diskussion ergebenden bevorzugten Therapiekonzepts erhöht die Ergebnisqualität.

Guter Zugang zu neuen Therapien

Eine wesentliche Erwartung an eine Tumorkonferenz ist zudem, dass durch sie der Anteil der Patienten, die in klinischen Studien behandelt und denen somit innovative Therapieoptionen angeboten werden, steigt. Tatsächlich scheint die gebündelte Expertise der Konferenzteilnehmer dazu zu führen, dass neue Therapien rascher den von Krebs betroffenen Menschen zugänglich gemacht werden. Die Erfahrung zeigt, dass an Zentren, die eine intensive und transparente Diskussionskultur in MDT pflegen, die Bereitschaft zur Initiierung und Teilnahme an klinischen Studien besonders hoch ist.

Knappe Ressourcen

Allerdings bleibt auch zu bedenken: Tumorkonferenzen nehmen Zeit in Anspruch – denn sie wollen gut vorbereitet sein. So ist zum Beispiel die Anwesenheit eines radiologischen Facharztes in nahezu allen solchen Konferenzen unumgänglich.

Um die aktuelle Beanspruchung der Radiologie durch derartige Boards systematisch zu evaluieren, wurde eine Umfrage unter mehr als 80 Chefärzten und Lehrstuhlinhabern des Faches durchgeführt. Das Fazit der Studie: Der Arbeitsaufwand für diese Form von interdisziplinärem Austausch muss bei der in der Medizin vorherrschenden Ressourcenknappheit künftig noch besser eingeplant werden. Gerade weil die interdisziplinären Tumorboards die Patientenversorgung nachweislich verbessern.

Am sichersten, eine umfassende und multidisziplinäre Beurteilung zu erhalten, können Patienten nach wie vor sein, wenn sie sich für ihre Diagnose an ein spezialisiertes und zertifizertes Behandlungszentrum wenden. Denn dort sind alle entscheidenden Experten derjenigen Disziplinen, die ihnen Hilfe bieten können, vertreten.