Prostatakrebs Die Stationen der Rehabilitation

Autor: MPL-Redaktion

In der Reha können Prostata-Patienten viel selbst für ihr Wohlergehen tun. © iStock/jeffbergen

Wer glaubt, eine einzige Übung reicht, um die Folgen einer Prostatakrebs-Behandlung in den Griff zu bekommen, täuscht sich. Es gibt viel mehr Optionen für Patienten. Perspektive LEBEN fragt Dr. Thomas Seyrich, Leitender Oberarzt aus Bad Bocklet, nach den Stationen der Rehabilitation.

Was bedeutet eigentlich Rehabilitation und was sind die wichtigsten Schritte?

Dr. Seyrich: Ganz einfach: Mit der Rehabilitation sollen Kranke oder Behinderte in das berufliche und gesellschaftliche Leben wieder eingegliedert werden. Und dabei gilt der Grundsatz, dass die Rehabilitation immer vor Rente oder Pflege geht.

Konkret bedeutet dies, dass zu Beginn einer Reha immer die Diagnose steht. Aus der Diagnose werden dann mit dem Patienten Ziele festgelegt und ein Reha-Plan entwickelt. Im Verlauf der Reha wird der Plan, bestehend aus ärztlicher und therapeutischer Behandlung, umgesetzt und die Erfolge dokumentiert. Am Ende bekommt der Patient praktische Anleitungen, Tipps und Tricks, wie er nach der Reha selbstständig oder mit seinem Arzt weiterarbeiten kann.

Wie finden Patienten die richtige Reha-Klinik?

Dr. Seyrich: Das ist nicht leicht zu beantworten. Gute Ratgeber sind immer die behandelnden Ärzte und Sozialdienste der Krankenhäuser. Auch der niedergelassene Urologe kann um Rat gefragt werden. Als Patient selbst kann man darauf Wert legen, dass ein Urologe in der Reha-Klinik die Therapie begleitet. Dies kann ein Zeichen dafür sein, dass die Reha-Klinik viele Erfahrungen mit Prostatakrebs-Patienten hat und diese auch nutzen kann.

Was sind die Schwerpunkte der Reha nach Prostatakrebs?

Dr. Seyrich: Wir teilen die Rehabilitation in vier Bereiche auf. Erstens ertüchtigen wir die Patienten körperlich. Zweitens fördern wir ganz gezielt die Harnkontinenz. Der Nebeneffekt dieser Förderung ist, dass die sexuelle Potenz mit gestärkt werden kann. Drittens betreuen wir die Patienten psychoonkologisch. Viertens bieten wir auf Wunsch auch die sogenannte gezielte penile Rehabilitation an. Sie stellt die Wiedererlangung der sexuellen Potenz der Männer in den Vordergrund.

In unserer Klinik arbeiten wir in allen Bereichen nach eigenen Standards. Das heißt, alle Patienten durchlaufen ein festgelegtes Dia-gnose-Schema, an dessen Ende ein individueller Therapieplan und die Erfolgskontrolle stehen.

Wie fördern Sie die Harnkontinenz der Patienten?

Dr. Seyrich: Wir setzten hier sehr konsequent auf das sogenannte Montessori-Prinzip. Das heißt, wir geben Hilfe zur Selbsthilfe. In Trainingsgruppen erlernen die Patienten, ihren Beckenboden zu trainieren. Dies kräftigt die Muskulatur, die für die Kontinenz verantwortlich. Mit diesen klinikeigenen Übungsanleitungen, die die Patienten bei uns erhalten, können sie auf den Zimmern und zu Hause selbstständig weiter trainieren.

Gute Erfolge erzielen wir darüber hinaus mit dem sogenannten „Frei-Stuhl“. Der „Frei-Stuhl“ kann die Muskelanspannung der Beckenbodenmuskeln messen und bildlich in einem Kurvenverlauf anzeigen. Dafür setzen sich die Patienten in normaler Sportbekleidung auf den Stuhl. Vor ihnen steht ein Monitor. Dieser zeigt ihnen, wie sich die Spannung der Beckenbodenmuskeln bei Anspannung und Entspannung verändert. Die Übung besteht nun darin, die Spannung über die Zeit von einigen Minuten so zu verändern, dass eine gleichmäßige Auf- und Ab-Kurve aufgezeichnet wird. Dies ist im Übrigen nicht nur für Prostatakrebspatienten eine gute Übung, die sexuelle Potenz und Harnkontinenz zu erhalten. In einigen Fitness-Studios können solche Stühle auch genutzt werden.

Nicht jeder kann ins Fitness-Studio gehen oder hat einen Frei-Stuhl zuhause ...

Dr. Seyrich: Ja, das stimmt. In bestimmten Fällen können kleine, handliche Geräte zur Messung der Spannung im Beckenboden angewendet werden. Darüber hinaus können diese Geräte die Muskeln mithilfe der Elektrostimulation anregen und trainieren und so die Harnkontinenz verbessern.

Seit einiger Zeit setzen wir zusätzlich die Magnetstuhlimpulstherapie sehr erfolgreich ein. Dabei erzeugt ein extrem starker Magnet unter der Sitzfläche elektromagnetische Impulse. Die Magnete sind dabei fast so stark wie bei einem Magnetresonanz-Tomografen. Dadurch werden die Nervenzellen angeregt und lösen kurze, pulsartige Muskelkontraktionen der Beckenbodenmuskeln aus. So werden diese gestärkt, gleiches gilt für die Schließmuskulatur, die um die Harnröhre gelegen ist.

Auf was sollen Patienten in der Reha besonders achten?

Dr. Seyrich: Vereinbaren Sie mit den Therapeuten realistische Ziele: Nicht zu wenig und nicht zu viel. Das ist besonders wichtig, um die Zeit in der Reha effektiv zu nutzen. Und ganz wichtig, achten Sie auch auf Ihre Seele. Viele Patienten konzentrieren sich zu stark auf das Körperliche. Nutzen Sie auch die Gesprächsangebote: Die Mischung macht’s.


Dr. Thomas Seyrich; Leitender Oberarzt aus Bad Bocklet © privat