Darmkrebs Ein Arzt als Krebspatient: „Wie Sport mir half“

Autor: Perspektive LEBEN

Der Weg ist steinig: „Die Diagnose hat mich verstört. Aber dann nahm ich den Kampf an.“ © iStock/OcusFocus, KarenHBlack

Klaus M. ist 61 Jahre alt. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ein Enkelkind. Vor drei Jahren erkrankte er an Darmkrebs. Die exakte Diagnose lautete Kolonkarzinom – ein Tumor im Dickdarm. Der Münchner Chirurg berichtet über seine Erlebnisse der letzten Jahre. Und wie er die Krankheit überwand.

Mein Job forderte mich immer. Und das wollte ich so. Die Chirurgie ist oft ein körperlich anstrengender Job. Als sportlicher Mensch hatte ich damit keine Probleme. Jogging stärkte mein Herz-Kreislauf-System und Krafttraining meine Muskulatur. Ich war immer fit, nur selten krank.

Irgendwas passte nicht

Im Frühsommer 2015 fühlte ich beim Laufen das erste Mal eine gewisse Schwäche. Ich brach meine Runde ab und ging zurück nach Hause. Ich vermutete, eine meiner wenigen Erkältungen sei im Anmarsch. Symptome dafür gab es allerdings keine. Die Erkältung blieb aus. In den Wochen darauf begleitete mich ständig eine Schlappheit, die ich mir nicht erklären konnte. Hinzu kam dann ein häufiger Stuhlgang, meist direkt nach den Mahlzeiten.

Das alles passte nicht zu mir. Ich ging daher zu einem befreundeten Allgemeinmediziner und schilderte ihm meine Symptome. Viel konnte er mit meinen Ausführungen auch nicht anfangen. Scherzhaft bezog er alles auf mein Alter, schickte mich dann aber – aufgrund meiner regen Darmtätigkeit – zum Gastroenterologen.

Der Darmspezialist konnte anhand seiner ersten Untersuchungen, wie etwa Ultraschall und Abtasten des Unterbauches, ebenfalls nichts feststellen. Er vereinbarte deshalb einen zeitnahen Termin für eine Darmspiegelung. Hierüber war ich im doppelten Sinne froh: Erstens hoffte ich auf Klärung meiner Beschwerden und zweitens schob ich schon mehrere Jahre diese obligatorische Darmkrebsvorsorgeuntersuchung hinaus. Das würde also gleich mit erledigt werden, so dachte ich.

Ein unvergesslicher Tag

Dann kam der Tag, den ich nie vergessen werde. Der Gastroenterologe fragte, ob er mich in Narkose legen soll oder ob ich das Ganze live erleben möchte – es sei auch nicht schmerzhaft. Als interessierter Mediziner entschloss ich mich für letztere Variante. Die Fahrt durch meinen Darm konnte ich auf einem Bildschirm gut verfolgen. Und der Kollege erläuterte die Bilder. Immer wenn er eine Darmwindung passierte, verspürte ich ein leichtes Ziehen.

Ansonsten war die Darmspiegelung bis zu diesem Zeitpunkt harmlos. Das änderte sich bei der nächsten Windung. Es gelang nicht, das Endoskop herumzuschieben. Nach zahlreichen Versuchen war der Grund dafür gefunden: Ein etwa zehn Zentimeter großes Geschwür versperrte den Weg. Ich wusste, dass so etwas nie gutartig ist. Mir wurde schwindelig.

Die Diagnose war schlecht

Der Gastroenterologe redete nicht um den heißen Brei herum. Es handelte sich um ein relativ großes Kolonkarzinom, das aller Wahrscheinlichkeit nach die Darmwand durchdrungen hatte. Eine Metastasierung war sehr wahrscheinlich. Er überwies mich in eine renommierte Münchner Klinik. Wie in Trance ließ ich alle Untersuchungen über mich ergehen. Ich wollte möglichst schnell Gewissheit erlangen. Gewissheit darüber, was genau ich hatte, wie meine Prognose lautete und welche Therapie auf mich zukommen würde.

Lange warten musste ich nicht. Die positive Nachricht lautete: Der Darmtumor sei aufgrund seiner Lage gut zu operieren. Einen künstlichen Darmausgang müsse man – wenn überhaupt – nur vor­übergehend legen. Dann aber kam die schlechte Nachricht: Der Tumor hatte Metastasen gebildet. Sie konnten in meiner Leber nachgewiesen werden. Ich dachte, ich müsse sterben.

Die Zeit war hart

Es folgte eine harte Zeit. Hart für meinen Geist. Und hart für meinen Körper. Die Operationen, Chemotherapien und weiteren Behandlungen forderten mich total. Ich war ständig erschöpft, schlief dennoch schlecht. Meine Stimmung schwankte. Die Wartezeiten in der Klinik stressten mich sehr. Mir war permanent übel, ich hatte keinen Appetit und nahm in den ersten Wochen stark ab.

Der behandelnde Onkologe verschrieb mir Medikamente gegen die Übelkeit. Das half. Ich nahm wieder langsam zu. Dennoch ging es mir insgesamt dreckig. Vor allem die Sorgen über meine Zukunft machten mir zu schaffen. Denn eine Prognose wollte mir niemand geben. Man müsse erst die Operationen abwarten und weitere Tests machen, hieß es. Diese Ungewissheit fraß mich immer wieder auf.

Dann kam die Wende

Ohne meine Familie hätte ich diese Phasen schwer ertragen. Mein erwachsener Sohn und meine Frau waren immer an meiner Seite. Das stärkte vor allem mein seelisches Wohlbefinden. Unermüdlich bauten sie mich auf. Machten mir Hoffnung. Irgendwann kam dann die Wende. Ich beschloss, gegen alles anzukämpfen. Ich wollte wieder stark werden, zumindest körperlich.

Zusammen mit meinem Sohn begann ich zu joggen. Vor dem ersten Lauf fühlte ich mich erbärmlich. Doch bereits die ersten hundert Meter zeigten, dass ich gar nicht so schwach war, wie ich mich fühlte. Zu unserer großen Verwunderung schaffte ich auf Anhieb eine Runde von etwa drei Kilometern. Ich brauchte dafür zwar eine gute halbe Stunde, aber das war egal! Der Weg war das Ziel. Ich schwitzte wie noch nie, und es kam mir vor, als ob die Krankheit meinen Körper verließ.

Ich weitete langsam, aber sicher meine sportlichen Aktivitäten aus – und wurde spürbar stärker. Die Chemo setzte mir nicht mehr so zu. Das verschaffte mir Hoffnung und Zuversicht. Schon bald erreichte ich eine ähnliche körperliche Fitness wie vor der Erkrankung. Ich fühlte mich gesund und glaubte an meine Genesung.

Heute, nach drei Jahren der Behandlung, bin ich zwar noch nicht ganz über den Berg. Ein Rezidiv wurde aber bis heute nicht festgestellt. Und meine Nachsorgeuntersuchungen sind nicht mehr so engmaschig wie in den ersten 18 Monaten. Die statistische Wahrscheinlichkeit steht auf meiner Seite. Ich weiß, ich werde es schaffen. Demnächst nehme ich an einem Triathlon teil.