Multiples Myelom Vielfältige Behandlungsmöglichkeiten: Defekt im Knochenmark

Autor: MPL-Redaktion

Beim multiplen Myelom werden die Plasmazellen im Kochenmark angegriffen. © iStock/RomoloTavani

Etwa 4.000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an einem multiplen Myelom. Dabei handelt es sich um eine bösartige Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bei 64 Jahren. Über die Therapie berichtet in Perspektive LEBEN der Experte Prof. Dr. Hermann Einsele. Er ist der Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg.

Die Symptome sind initial meist unspezifisch. Viele Patienten klagen vor der Diagnose über Rückenschmerzen. Blutarmut gehört ebenfalls zu den ersten Anzeichen. Mitunter beobachten die Patienten dann einen schäumenden Urin. So vergeht oft Zeit, bis das multiple Myelom entdeckt wird. Nach der Diagnose lassen sich die Patienten dann in zwei Gruppen aufteilen. Das sind zum einen die asymptomatischen Patienten. Sie haben lediglich Eiweißveränderungen im Blut oder im Urin. Zum anderen sind es die symptomatischen Patienten. In der Regel hat hier das Myelom bereits den Knochen angriffen, die Nierenfunktion verschlechtert, die Blutbildung beeinträchtigt oder zu einer Kalziumerhöhung im Blut geführt. „Solche Patienten benötigen eine Sofortbehandlung. Das geschieht mit entsprechenden Medikamenten und Flüssigkeitszufuhr“, sagt Prof. Einsele.

Je fitter der Patient, desto besser die Behandlungsmöglichkeiten

„Ausgehend vom gesundheitlichen Zustand, aber auch vom Alter des Patienten, bauen wir unsere Therapiestrategie auf“, erklärt Prof. Einsele. „Bei Patienten unter siebzig Jahren behandeln wir in der Regel mit Medikamenten, die das multiple Myelom möglichst schnell und weit zurückdrängen.“ Diese Therapie dauert ungefähr vier Monate. Die Faustformel lautet: Je jünger und fitter ein Patient ist, desto intensiver kann er behandelt werden. Im Anschluss an diese Behandlungen sammeln die Experten Blutstammzellen und führen danach eine hochdosierte Therapie mit speziellen toxischen Medikamenten durch, gefolgt von einer Blutstammzelltransplantation. Bei den meisten Patienten kommt es so zu einer deutlichen Abschwächung der Erkrankung, auch Remission genannt. Das kann über einen sehr langen Zeitraum anhalten. Kommen die Symptome irgendwann wieder zurück, können Betroffene mit einer zweiten hochdosierten Therapie mit nachfolgender Blutstammzelltransplantation behandelt werden. Bei den meisten Patienten erfolgt jedoch eine Therapie mit neuen Medikamenten.

Fortschritte durch neue Therapien

Für junge Patienten ist die Hochdosistherapie die beste Behandlung. Ziel ist stets, möglichst alle im Körper verbliebenen Tumorzellen zu zerstören. Allerdings greift die intensive Behandlung nicht nur die Krebszellen an, sondern schädigt auch das blutbildende System im Knochenmark. Deshalb werden vor Beginn Stammzellen aus dem Blut gesammelt und nach Abschluss der Behandlung wieder zurückgegeben. Das blutbildende System kann sich so schnell wieder erholen.

Bei symptomatischen Patienten über siebzig wird die Blutstammzelltransplantation nur in Ausnahmefällen durchgeführt, da sie den Körper zu sehr belastet. Diese Patienten werden mit einer Kombination aus zwei oder drei Medikamenten behandelt. Die Therapie dauert sechs bis neun Monate. Das multiple Myelom soll damit maximal zurückgedrängt werden.

„Die Entwicklung geht weiter. Es bieten sich viele neue Behandlungsmöglichkeiten. Neue Medikamente wirken deutlich spezifischer auf die Myelomzellen und somit wirkungsvoller“, berichtet Prof. Einsele und ergänzt: „So stimulieren sie beispielsweise das Immunsystem zur Bekämpfung der Tumorzellen und verhindern gezielt deren Wachstum. Die Aussichten bei der Immuntherapie sind vielversprechend.“

Erst einmal abwarten

Asymptomatische Patienten werden in der Regel nicht behandelt. Hier nutzen die Ärzte die sogenannte Watch-and-wait-Strategie. Sie warten ab und schauen, wie die Krankheit sich entwickelt oder behandeln sie in Studien mit neuen Medikamenten.

Der Erfolg der jeweiligen Therapie kann beim multiplen Myelom relativ leicht festgestellt werden. Es gibt Eiweißprodukte von den Tumorzellen, die sich im Blut oder Urin nachweisen lassen. Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich lässt sich somit der Behandlungserfolg kontrollieren. Zusätzlich werden die Nierenfunktion, der Hämoglobingehalt im Blut und die Kalziumkonzentration im Blut gemessen. Auch mit diesen Ergebnissen lassen sich die Therapieerfolge feststellen. Bei den meisten Patienten kommt es so zu einer raschen Rückbildung der Symptome und letztendlich auch zu einem Verschwinden der bösartigen Zellen aus dem Knochenmark und einer Normalisierung der Blutwerte und, falls initial gestört, auch der Nierenfunktionswerte. Dies wird als Remission bezeichnet. Diese kann bei einer Minderheit der Patienten auch über zehn Jahre anhalten. Bei den symptomatischen Patienten über 70 Jahre dauert die Therapie sechs bis neun Monate. Ziel aller Therapiestrategien ist die maximale Zurückdrängung der Tumorerkrankung.

Spezialisten finden

Die Behandlung eines multiplen Myeloms sollte bei Spezialisten erfolgen. Auf den Seiten des Myelom Deutschland e.V. finden Betroffene viele nützliche Informationen rund um die Erkrankung, zum Beispiel eine Übersicht über Kliniken, die sich mit dem Thema multiples Myelom beschäftigen: www.myelom-deutschland.de


Prof. Dr. Hermann Einsele; Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II; Universitätsklinikum Würzburg © privat