Oropharynxkarzinom Mundrachenkrebs – Diagnose und Therapie

Autor: MPL-Redaktion

Bildgebende Verfahren bringen Aufklärung. © iStock/andresr

Damit wird eine Krebserkrankung im Mundrachenraum bezeichnet. Dieser bösartige Schleimhauttumor kommt in Deutschland verhältnismäßig selten vor. So erkranken nur etwa zwei pro 100.000 Menschen jährlich. Männer trifft es häufiger als Frauen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei ungefähr 60 Jahren. Der Experte Professor Dr. Stefan Dazert, Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie der Ruhr-Universität Bochum, beantwortet im Folgenden die wichtigsten Fragen zur Diagnose und Therapie.

Wie geht es bei einem Verdacht auf ein Oropharynxkarzinom weiter?

Besteht ein begründeter Verdacht auf ein Oropharynxkarzinom, beginnen wir sofort mit unserer Diagnostik-Kaskade. Sie dient dem Ziel, das Ausmaß der Tumorerkrankung einschätzen zu können. Wir bezeichnen dieses Vorgehen als Staging.

Auf welche Diagnoseverfahren müssen sich Patienten einstellen?

Die Diagnostik beginnt mit der Endoskopie des Mundrachenraumes. Das liefert erste Erkenntnisse über die Lage des Tumors. Gleichzeitig entnehmen wir Gewebeproben. Daraus lässt sich durch den Pathologen der Tumortyp genau bestimmen.

Ist eine solche Endoskopie schmerzhaft?

Keinesfalls, der Patient erhält nämlich eine Intubationsnarkose. Er merkt also nichts davon, allenfalls an der Stelle der Probeentnahme.

Ist die Diagnostik damit erledigt?

Nein. Nun benötigen wir noch mehr Fakten rund um die Tumorerkrankung. Diese liefern uns unterschiedliche bildgebende Verfahren, wie die Computertomographie, kurz CT, die Magnetresonanztomographie, kurz MRT, und die Sonographie.

Was genau sehen Sie mit den unterschiedlichen Verfahren?

Mit der Sonographie können wir einen möglichen Befall der Lymphknoten feststellen. Mit CT und MRT bestimmen wir die exakte Ausdehnung des Tumors. Zudem können wir einen eventuellen Befall der Halsgefäße ermitteln. Darüber hinaus brauchen wir die Information, ob das Oropharynxkarzinom Metastasen gebildet hat. Hierzu fertigen wir CT- und Röntgenaufnahmen der Lunge an. Und die Bauchorgane, wie zum Beispiel die Leber, untersuchen wir diesbezüglich mittels Sonographie.

Warum suchen Sie ausgerechnet in Leber und Lunge nach Metastasen?

Weil wir wissen, dass sich Meta­stasen eines Oropharynxkarzinoms häufig zuerst in diesen Organen ansiedeln.

Was folgt als Nächstes?

Auf Grundlage der erhobenen Untersuchungsergebnisse erfolgen die Stadieneinteilung des Tumors und die anschließende Besprechung in einer interdisziplinären Tumorkonferenz. Das heißt, Experten sämtlicher an der Therapie beteiligten Fachrichtungen sitzen zusammen und überlegen, welche Behandlung für den entsprechenden Patienten die beste ist. Die Hauptrollen hierbei haben der Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der Strahlentherapeut und der Onkologe. Übrigens haben auch Alter und körperliche Verfassung Einfluss auf die Therapiestrategie.

Was ist die Therapie der ersten Wahl?

Wenn ein Oropharynxtumor chirurgisch komplett entfernbar ist, besteht die Therapie der Wahl in einer Operation. In diesem Fall liegen die günstigsten Voraussetzungen für eine vollständige Heilung dieser Krebserkrankung vor.

Wie sehen die Voraussetzungen dafür aus?

Der Tumor sollte sich in einem möglichst frühen Stadium befinden, keine oder nur umschriebene Metastasen gebildet haben und gut zu operieren sein. Das heißt, er sollte mit einem Sicherheitsabstand von mindestens fünf Millimetern im gesunden Gewebe entfernt werden können.

Dann ist der Patient geheilt?

Das hängt vom feingeweblichen Befund, der Histologie, ab. Gegebenenfalls ist eine weitere, sogenannte adjuvante Therapie erforderlich. Hierbei handelt es sich um eine gezielte Strahlentherapie, die bei Bedarf mit einer Chemotherapie kombiniert wird.

Wie erreichen die Strahlen Stellen im hinteren Rachen?

Der Strahlentherapeut bestimmt anhand eines Planungs-CT den genauen Zielbereich und kann so sehr präzise und richtig dosiert die ehemalige Tumorregion bestrahlen. Gleichzeitig wird das umgebende Gewebe weitestmöglich geschont, um die Nebenwirkungen zu reduzieren. Eine Bestrahlungstherapie dauert etwa sechs Wochen mit ca. 30 Sitzungen.

Ist mit bleibenden Beeinträchtigungen nach einer Operation zu rechnen?

Grundsätzlich schon. Das hängt von der Lage des Tumors und der Ausdehnung des Eingriffes ab. Wir versuchen natürlich alles, um Schlucken und Sprache zu erhalten. Gegebenenfalls können wir auch mit Geweberekonstruktionen entstandene Defekte im Mund-Rachen-Raum abdecken.

Wie sieht die Therapie bei fortgeschrittenen Oropharynxkarzinomen aus?

Bei den meisten Betroffenen können auch größere Tumoren mit den entsprechenden Halslymphknoten chirurgisch entfernt werden. Zusätzlich erfolgt hier eine Kombination aus Strahlentherapie und Chemotherapie, auch Radiochemotherapie genannt. Sehr ausgedehnte Tumoren werden mit einer primären Radiochemotherapie behandelt und nicht operiert.

Was wird die Zukunft bringen? Dürfen Betroffene auf weitere Therapieansätze hoffen?

Ja. Haben Patienten nach Erst- und Rezidivbehandlung weiterhin einen Tumor, besteht seit Kurzem die Möglichkeit, immunonkologische Substanzen anzuwenden. Hierbei wird mit speziellen Medikamenten das körpereigene Immunsystem so aktiviert, dass es wieder in der Lage ist, den Tumor zu bekämpfen. Wir glauben, dass es hier weitere Fortschritte geben wird – vielleicht sogar zukünftig für die primäre Therapie dieser Erkrankung.


Prof. Dr. Stefan Dazert, Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie der Ruhr-Universität Bochum © Privat