Lymphsystem Lymphödeme müssen schnell und konsequent behandelt werden

Autor: Heiko Schwöbel

Das Lymphsystem nimmt im Rahmen einer Brustkrebsbehandlung häufig schaden. © Axel Kock – stock.adobe.com

Im Kampf gegen den Brustkrebs müssen oft Lymphknoten entfernt oder bestrahlt werden. Dies kann das Lymphsystem beschädigen und zum Stau der Lymphflüssigkeit führen. Das Tückische ist: Dies tritt oft erst nach vielen Monaten, manchmal Jahren auf – lange nach der eigentlichen Krebsbehandlung.

„Wehre den Anfängen! Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind.“ Dieses Zitat geht auf den antiken römischen Dichter Ovid zurück und ist heute noch immer aktuell. „Wird ein Lymphstau früh erkannt, kann er sehr gut und meist ohne bleibende Schäden behandelt und im Griff gehalten werden“, sagt Dr. Amei Röhner-Zangiabadi, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Lymphologie, Orthopädisch Chirurgisches Centrum, Tübingen. „Deshalb ist es wichtig, dass nach einer Brustkrebsbehandlung die Haut der Hände und Arme lange und sorgfältig beobachtet wird.“

Erste Anzeichen eines Lymphstaus sind nämlich meist leicht zu erkennen. Fingerringe, enge Uhrarmbänder oder Armreifen fangen nach und nach an, leicht zu spannen und sie passen nicht mehr so gut wie früher. Gehen diese Schwellungen der Finger und Hände nicht rasch wieder zurück, ist Vorsicht geboten. Bei fortgeschrittenem Lymphstau finden sich Hautschäden oder schuppige Haut an den Fingerinnenseiten oder bräunliche Verfärbungen unter den Fingernägeln.

Den Spezialisten zurate ziehen

„Treten diese Anzeichen auf, muss ohne Zögern ein Arzt mit dem Fachgebiet Lymphologie oder ein Spezialist für Gefäßerkrankungen aufgesucht werden“, rät Dr. Röhner-Zangiabadi. „Dabei gilt der Grundsatz: Lieber einmal zu früh zum Arzt gehen und die Symptome untersuchen lassen, als einmal zu spät.“ Eine Überweisung ist für diese Fälle nicht notwendig. Das spart wichtige Zeit. Denn: Wird ein Lymphödem zu spät behandelt, können unumkehrbare Schäden im Gewebe entstehen. Der Körper lagert dabei zusätzliches Gewebe in den Fingern, Händen und Armen an. Dies führt zu Schwellungen in den betroffenen Körperregionen. Diese können die Beweglichkeit der Gelenke behindern und Schmerzen verursachen. Zusätzlich schränken Entzündungen und Veränderungen der Haut die Lebensqualität oft empfindlich und dauerhaft ein.

Vorsicht vor falschen Ratschlägen!

Experten raten davon ab, sich auf Tipps von unbekannten Quellen aus dem Internet und aus dem Bekanntenkreis zu verlassen. Verlässliche Informationen können Patienten und Angehörige nur von Ärzten, Physiotherapeuten und Selbsthilfegruppen zum Beispiel des LymphNetzwerks unter www.lymphnetzwerk.de erfragen.

Das Lymphsystem

Die Zellen in unserem Körper müssen ständig mit Nährstoffen versorgt und von den Abfallstoffen des Stoffwechsels befreit werden. Dieser permanente Stoffaustausch wird im Wesentlichen von der Lymphflüssigkeit übernommen, die die Zellen immer und fast überall umgeben. Dafür werden die Nährstoffe aus den Enden der feinen Blutadern an die Lymphflüssigkeit abgegeben. Die Zellen holen sich dann die Nährstoffe aus der Lymphe. Umgekehrt geben sie die Abfallstoffe wiederum in die Lymphflüssigkeit zum Abtransport ab.

Ein Teil davon wird über die Blutbahnen abtransportiert. Der andere Teil fließt mit der Lymphe durch die Zellzwischenräume Richtung Lymphknoten ab. Dort werden sie gesammelt, zum Teil abgebaut und letztlich oberhalb des Bauchraumes in den Blutkreislauf eingeleitet. „Wer nach einer Brustkrebsbehandlung von einem Lymphödem betroffen wird, ist derzeit noch weitgehend im Unklaren“, sagt Dr. Röhner-Zangiabadi. „Die gute Nachricht dabei ist, dass nur etwa jede fünfte bis sechste Frau davon betroffen ist.“

Die Behandlung

„Lymphödeme werden entsprechend der Leitlinien mit der sogenannten komplexen physikalischen Entstauung behandelt“, sagt Dr. Röhner-Zangiabadi. „Alle anderen Methoden sind aus wissenschaftlich-medizinischer Sicht nicht hinreichend belegt und erforscht.“ Die komplexe physikalische Entstauung setzt auf die Wechselwirkung der manuellen Lymphdrainage und Kompressionsbandagen. „Mit der Massage wird die gestaute Lymph­flüssigkeit rein mechanisch aus den betroffenen Regionen heraus, über Umgehungskreisläufe in Richtung Venen abgeleitet“, erläutert Dr. ­Röhner-Zangiabadi. „Während mehrerer Behandlungen können bis zu zwei Liter Flüssigkeit aus den Armen heraus massiert werden.“ Direkt im Anschluss an die Massage werden die Kompressionsbandagen angelegt. Sie verhindern, dass erneut Lymphflüssigkeit eingelagert werden kann. Je nach Intensität der Stauung muss diese Behandlung mehrmals pro Woche durchgeführt werden – meist für immer.

Empfehlungen

„Die komplexe physikalische Entstauung ist im Prinzip die einzige Methode mit der ein Lymphödem wirksam behandelt werden kann“, sagt Dr. Röhner-Zangiabadi. „Allgemeine Verhaltensregeln können die Behandlung zusätzlich und wirksam unterstützen.“ Dazu gehört fordernde Bewegung, wo immer das möglich ist. Besonders gut ist dafür Wassergymnastik in normal temperierten Becken geeignet. „Der Wasserdruck in Kombination mit der Bewegung unterstützt die Entstauung besonders gut“, erklärt die Expertin. „Auf Sonnenbäder, den Besuch von Sauna und Thermalbad sollten Betroffene allerdings unbedingt verzichten.“


Dr. Amei Röhner-Zangiabadi, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Lymphologie im Orthopädisch Chirurgischen Centrum, Tübingen © privat