Politisches Commitment gefordert Lungenkrebs: Zahlreiche Fortschritte kommen noch nicht beim Patienten an

Autor: Günter Löffelmann

DIe Lungenkrebsmortalität ließe sich mit einem jährlichen CT-Screening deutlich verringern. © iStock/franckreporter

Der Lungenkrebs zählt in Deutschland zu den häufigsten Krebserkrankungen und hat nach wie vor ein schlechtes 5- und 10-Jahres-Überleben. In der Symposiums-Session „Rote Karte dem Lungenkrebs“ zeigte sich aber: Es gibt auch viel Potenzial für Verbesserungen.

Zunächst einmal hatte Professor Dr. Jürgen Wolf, Köln, eine schlechte Nachricht parat. „Lungenkrebs ist nach wie vor die häufigste Krebstodesursache in Deutschland und wird es auch noch einige Zeit bleiben.“ Das habe zum einen mit der demografischen Entwicklung in der Gesellschaft zu tun. Ein weiterer Grund sei, dass lediglich 20 Prozent in einem resektablen und damit heilbaren Stadium diagnostiziert werden. Die Botschaft ist klar: Wer etwas gegen den Lungenkrebs erreichen will, der muss vor allem an der Prävention und der Früherkennung ansetzen.

Tabaksteuer jährlich um zehn Prozent erhöhen

Stichwort Prävention: Der Kampf gegen den Lungenkrebs ist eng verbunden mit dem Kampf gegen das Rauchen. „Ein mittelstarker Raucher hat ein Risiko von über 15 Prozent, im Laufe seines Lebens einen Lungenkrebs zu entwickeln”, sagte Prof. Wolf. Trotz dieses Zusammenhangs ergreift die Politik hierzulande kaum Maßnahmen, um dem Tabakkonsum einen Riegel vorzuschieben. “Deutschland gehört weltweit zu den zehn Ländern mit dem höchsten Anteil an Rauchern und erlaubt immer noch Werbung für ein Produkt, das – aufgrund von Krebs, COPD und kardiovaskulären Erkrankungen – die Hälfte seiner Konsumenten tötet”, erklärte Prof. Wolf. Gleichzeitig sind Zigaretten in vergleichbaren europäischen Ländern deutlich teurer. Hinsichtlich der Tabakkontrolle nehme Deutschland damit unter 36 europäischen Ländern den letzten Platz ein, so der Experte. „Hier wünschen wir uns dringend eine andere Politik.“

Eine Vorlage dazu liefert die „Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“, die federführend vom DKFZ und der Deutschen Krebshilfe entwickelt wurde. „Sie enthält einen 10-Punkte-Plan, in dem beispielsweise gefordert wird, die Tabaksteuer jährlich um 10 Prozent zu erhöhen und die Werbung zu verbieten“, erläuterte Prof. Wolf. „Dieses Programm verdient die Unterstützung von uns allen.“ Bei all dem solle man aber jene Patienten nicht vergessen, die niemals geraucht haben. „Bei denen wissen wir über Ätiologie und geeignete Präventions- und Früherkennungsmaßnahmen fast nichts.“

Rote Karte dem Lungenkrebs – was die Symposiums-Teilnehmer fordern

  • Die „Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“ des DKFZ und der Deutschen Krebshilfe sollte konsequent umgesetzt werden.
  • Das CT-Screening-Programm sollte schnellstmöglich implementiert werden; über Forschungsprogramme ist herauszufinden, wie die Spezifität des Screenings mittelfristig erhöht werden kann.
  • Die erfolgreiche Grundlagen- und translationale Forschung muss fortgesetzt werden; ein neuer Fokus sollte Lungenkrebs bei Frauen sein, die niemals geraucht haben.
  • Bürokratische Hürden müssen abgebaut werden, um Patienten raschen Zugang zu innovativen Behandlungsmethoden zu verschaffen.
  • Netzwerkmodelle, in denen Forschung und Versorgung engmaschig verflochten sind, sollten etabliert werden, um Patienten besseren Zugang zur personalisierten Lungenkrebsbehandlung zu ermöglichen.
  • Die digitale Infrastruktur muss ausgebaut werden, um die Versorgung zu steuern und kontinuierlich zu evaluieren.

Stichwort Früherkennung: Laut Prof. Wolf zeigen zwei große randomisierte Studien aus den USA und Europa, dass man die Lungenkrebsmortalität mit einem jährlichen CT-Screening verringern kann. „Die relative Reduktion beträgt 20 bzw. 26 Prozent, die Number Needed to Screen liegt bei 300 bzw. 130.“ Allerdings liefere das Verfahren zu über 90 Prozent falsch positive Ergebnisse. Trotzdem gibt es Prof. Wolf zufolge in Deutschland einen breiten Konsens, es einzuführen. Man solle aber parallel daran arbeiten, die Spezifität zu verbessern. „Eine molekulare Dia­gnostik aus dem Blut und der Einsatz der künstlichen Intelligenz in Kombination mit dem CT könnten hier zu Verbesserungen führen und mittelfristig eine personalisierte Früherkennung ermöglichen.“

nNGM als Role-Modell

Für Patienten mit nicht mehr resektablem Lungenkrebs hat sich die personalisierte Therapie als großer Fortschritt erwiesen. „Neue Studien­ergebnisse zeigen mediane Überlebenszeiten in genetischen Subgruppen von drei bis sieben Jahren. Zum Vergleich: Mit Chemotherapie allein beträgt das mediane Überleben knapp ein Jahr“, sagte Prof. Wolf.

Prinzipiell stehen heute für ein Viertel der Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs personalisierte Therapieoptionen zur Verfügung; ein weiteres Viertel könnte über Studien und Off-Label-Gebrauch Zugang erhalten oder wenn Medikamente schneller zugelassen würden. Im Vergleich zu diesem Potenzial ist die Versorgungsrealität in Deutschland jedoch „desaströs“, so Prof. Wolf. „Selbst von den Patienten, bei denen die Testung in den Leitlinien vorgeschrieben ist, wird ein Drittel nicht getestet, und aus Krankenkassendaten geht hervor, dass längst nicht alle, die getestet werden, auch richtig behandelt werden.“ Es sei eben ein Problem, Innovationen rasch in über 1000 Kliniken und Hunderte von Praxen zu bringen, in denen Krebspatienten behandelt werden.

Prof. Wolf schlug vor, Diagnostik, Tumorboards, Empfehlungssystem, Forschung, Datenverarbeitung und die Evaluation an spezialisierten Zentren zu bündeln, die eigentliche Versorgung könne weiterhin wohnortnah erfolgen. Im nationalen Netzwerk Genomische Medizin nNGM ist dieser Gedanke verwirklicht. Es umfasst 21 Zentren, hat 428 regionale Partner und erreichte vergangenes Jahr 14.000 Patienten - bei einer Zielpopulation von 30.000 Patienten. „Das Glas ist halb voll, aber wir arbeiten daran, dass es ganz voll wird“, schloss Prof. Wolf.

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