Individuelle Strategien Lungenkrebs: Warum molekularpathologische Tests entscheidend sind

Autor: Perspektive LEBEN

Die Immuntherapie gibt Hoffnung für die Behandlung von Lungenkrebs. © iStock/xrender, doyata

Jährlich erkranken rund 36.000 Männer und 19.000 Frauen in Deutschland neu an Lungenkrebs. Die Raten steigen zudem weiter an – vor allem bei Frauen. Die gute Nachricht lautet: Die medizinische Forschung erzielt immer größere Erfolge. Die Therapiemöglichkeiten werden immer individueller und die Prognosen verbessern sich.

Die Therapie des Lungenkrebses wird heutzutage genau auf die persönliche Krankheitssituation des Patienten abgestimmt. Im Rahmen eines sogenannten Tumorboards legen beteiligte Ärzte fachübergreifend die Behandlungsstrategie fest. So bespricht der Pneumologe die nächsten Behandlungsschritte unter anderem mit dem Pathologen, dem Radiologen, dem Onkologen, dem Chirurgen und dem Strahlentherapeuten.

Die akribische Suche nach gefährlichen Mutationen

Wesentlich für die Behandlungsstrategie ist das Tumorstadium. Es gilt: Je früher das Stadium, desto bessere Behandlungsoptionen stehen in der Regel zur Verfügung. Bei der Mehrzahl der Patienten wird der Lungenkrebs jedoch erst in einem späteren Stadium diagnostiziert. „Das liegt daran, dass sich ein Lungenkarzinom in einem frühen Stadium nicht bemerkbar macht. Es gibt keine charakteristischen Symptome, die eindeutig auf eine solche Erkrankung hinweisen“, erklärt Dr. Golpon. „Meist ist die Entfernung des Tumors durch eine Operation dann nicht mehr möglich.“

Für diese Fälle nutzen die Onkologen andere Therapie­methoden. Sie suchen zum Beispiel nach bestimmten genetischen Veränderungen im Tumor, sogenannten Treibermutationen. Die finden sie im Gewebe des Tumors, das dem Patienten mittels einer Biopsie entnommen wurde. „Die Pathologen führen an dem Gewebe molekularpathologische Untersuchungen durch. Ziel ist es, genetische Veränderungen aufzuspüren, die das bösartige Wachstum der Tumorzellen fördern“, so Dr. Golpon. „Diese Treibermutationen können wir nämlich gezielt therapeutisch angehen.“

Der Tumor wird zielgerichtet bekämpft

Sind die Pathologen fündig geworden, können die Onkologen anschließend sogenannte zielgerichtete Therapien einsetzen. Im Gegensatz zur konventionellen Chemotherapie hat das für den Patienten große Vorteile. So sind beim Einsatz von zielgerichteten Medikamenten zumeist geringere Nebenwirkungen vorhanden. Gleichzeitig verbessert sich die Prognose deutlich.

Rauchen beeinflusst Erkrankungszahlen

Hauptsächlicher Risikofaktor für ein Lungenkarzinom ist das Rauchen. Rund 90 Prozent der Männer und mindestens 60 Prozent der Frauen, die an diesem Krebs erkrankt sind, haben aktiv geraucht. Auch Passivrauchen erhöht das Risiko. Andere Faktoren spielen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Etwa 9 bis 15 von 100 Lungenkrebsfällen werden auf verschiedene kanzerogene Stoffe zurückgeführt, darunter Asbest, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe sowie Quarz- und Nickelstäube.

Quelle: Robert Koch-Institut, Berlin

Dr. Golpon betont: „Die Forschung schreitet rasant voran. Wir lernen ständig dazu. Die Therapieansätze führen zu immer erfolgreicheren Behandlungsergebnissen.“ Die neuen Verfahren sind genau auf Lungentumoren zugeschnitten, die Treibermutationen enthalten. Durch spezielle Medikamente, die zielgerichtet auf diese Treibermutationen einwirken, gelingt mittlerweile eine wirkungsvolle Bekämpfung.

Hierzu zählen beispielsweise sogenannte Tyrosinkinasehemmer. Sie nehmen Einfluss auf die Zellteilung des Tumors – er kann nicht weiter wachsen und stirbt ab. „Durch eine konsequente Testung der Tumoren steigt die Zahl der Patienten, die für eine solche Behandlung infrage kommt, stetig“, lautet die hoffnungsvolle Botschaft von Dr. Golpon.

Hoffnungsträger ist die körpereigene Abwehr

Die körpereigene Abwehr beziehungsweise das körpereigene Immunsystem bekämpft entartete Zellen. Bei Tumoren versagt der Abwehrmechanismus in verhängnisvoller Weise. Der Tumor lernt nämlich gewissermaßen, sich gegen das Immunsystem zu schützen.

Er kann ungehindert weiterwachsen. Die Fähigkeiten des körpereigenen Abwehrsystems bei Lungentumoren wieder zu nutzen, ist aber durch moderne Forschung mittlerweile gelungen. Die sogenannte Krebsimmuntherapie gilt als großer Hoffnungsträger der Onkologie. „Mit Immuntherapien befähigen wir die körpereigene Abwehr, den Tumor wieder zu erkennen und dann zu zerstören“, erklärt Dr. Golpon. „Dazu bekommen die Patienten spezielle Medikamente beziehungsweise Antikörper, die das Immunsystem entsprechend aktivieren.“

Auch testen die Onkologen Kombinationen der möglichen Behandlungsformen. Beispielsweise zeigen erste Untersuchungen, dass eine Immuntherapie in Verbindung mit einer Strahlentherapie den Behandlungserfolg möglicherweise verbessern könnte. „Denkbar sind hier unterschiedlichste Kombinationen. Diesbezügliche Studien werden uns für die Zukunft sicherlich weitere vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten bieten“, so die gute Nachricht vom Experten.


Priv.-Doz. Dr. Heiko Golpon. Der Lungenkrebsexperte leitet die pneumologische Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.