Körpereigene Abwehr nutzen Immuntherapie – erfolgreich gegen den Lungenkrebs

Autor: MPL-Redaktion

Die Immuntherapie wird zur neuen Waffe gegen den Tumor. © iStock/luismmolina

Nach wie vor gilt diese Krebsart als relativ gefährlich: Jährlich erkranken rund 36.000 Männer und 20.000 Frauen in Deutschland an einem Lungenkarzinom. Seit einigen Jahren verbessert sich die Prognose dank der Forschung allerdings stetig.

Dank sogenannter systemischer Therapien verzeichnen die Onkologen immer größere Behandlungserfolge bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorstadien. Über diese Fortschritte sprach Perspektive LEBEN mit Privatdozent Dr. Heiko Golpon. Der Lungenkrebsexperte leitet die Pneumologische Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Heutzutage stimmen Ärzte die Therapie individuell auf die persönliche Symptomatik des Patienten ab. Im Rahmen eines sogenannten Tumorboards bespricht sich der Pneumologe mit dem Pathologen, dem Onkologen, dem Chirurgen und Strahlentherapeuten.

Die Operation – erste Wahl bei frühen Stadien

Die Operation galt bisher als einzige kurative Behandlungsmethode. Denn nur wenn das Tumorgewebe vollständig entfernt werden kann, ist eine vollständige Heilung möglich. Das gilt jedoch nur für sogenannte nicht-kleinzellige Tumoren in frühen Stadien.

„Bei ungefähr einem Viertel der Diagnosen ist dies der Fall. Bei einer großen Mehrheit also liegen zum Zeitpunkt der Diagnose spätere Stadien vor. Ferner finden wir auch kleinzellige Typen“, stellt Dr. Golpon fest. „Mittlerweile können wir aber zunehmend auch diese Tumoren besser behandeln – mit systemischen Therapien.“

Systemische Therapien auf dem Vormarsch

Zu den systemischen Therapien zählen die Chemotherapie, die molekularbiologische oder zielgerichtete Therapie und neuerdings die Immuntherapie. Mithilfe einer Chemotherapie können die Onkologen beispielsweise versuchen, einen großen Tumor zu verkleinern, sodass er später operiert werden kann.

Liegen bereits Lymphknotenmetastasen vor, kombinieren die Experten eine Chemo- und Strahlentherapie. Sie sprechen dann von einem multimodalen Ansatz. Mit dieser Methode kann ebenfalls eine Heilung erreicht werden.

Im Falle von Tochterabsiedlungen in anderen Organen, auch Fernmetastasen genannt, wird versucht, den Tumor mit einer Systemtherapie einzudämmen.

Immer neue Erfolge

Aufgrund der sich rasant weiter entwickelnden Systemtherapien werden die Behandlungen immer erfolgreicher. Die neuen Verfahren sind genauer auf die Biologie des Tumors zugeschnitten. Die medizinische Forschung lernt rasch dazu. Mit speziellen Medikamenten, sogenannten Tyrosinkinasehemmern, wird der Tumor zielgerichtet bekämpft.

„Im Gegensatz zu Zytostatika bekämpfen diese Medikamente speziell den Tumor. Das ist ein bedeutender Unterschied“, betont Dr. Golpon und führt aus: „So verhindern sie beispielsweise die Zellteilung des Tumors, ohne dass hierbei gesunde, sich schnell teilende Zellen davon betroffen sind. Der Tumor kann dann nicht weiter wachsen und stirbt ab.“ Besonders hervorzuheben bei den systemischen Therapien ist die Immuntherapie.

Die körpereigene Abwehr nutzen

Unser Immunsystem bekämpft permanent mutierte beziehungsweise entartete Zellen im Körper. In seltenen Ausnahmen versagt es jedoch. Ein Tumor entsteht. Er kann ungehindert weiterwachsen. „Mit Immuntherapien können wir die körpereigene Abwehr wieder fit machen. Das Abwehrsystem erkennt dann den Tumor, greift ihn an und zerstört ihn“, beschreibt Dr. Golpon die Wirkungsweise.

Bei den Medikamenten handelt es sich um Antikörper, die in der Lage sind, das Immunsystem zur Krebsbekämpfung zu aktivieren. Das gelingt insbesondere bei Patienten, bei denen sich ein bestimmter Immunmarker, mit der Bezeichnung PD-L1, auf den Krebszellen nachweisen lässt.

Immuntherapie löst teilweise schon Chemo ab

Die neuen Systemtherapien verbessern die Prognosen von Lungenkrebspatienten in einem fortgeschrittenen Stadium deutlich. „Seit gut einem Jahr hat bei einigen Patienten im fortgeschrittenen Tumorstadium die Immuntherapie die Chemotherapie bereits als Erstlinientherapie abgelöst. Das ist ein Quantensprung“, sagt Dr. Golpon. „Unter einer Immuntherapie können wir bei etwa 20 Prozent dieser Patienten langfristig eine stabile Krankheitssituation herbeiführen. Das ermöglicht eine gute Lebensqualität.“

Noch vor wenigen Jahren standen für eine Stabilisierung der Tumorerkrankung keine adäquaten Therapien zur Verfügung. Und es geht immer weiter: Onkologen testen die Kombinationen von Immuntherapien mit anderen Behandlungsformen. Beispielsweise scheint eine Immuntherapie in Verbindung mit einer Strahlentherapie gute Erfolge aufzuweisen. Denkbar sind unterschiedlichste Kombinationen. Studien in diese Richtung laufen.

Hat die Chemotherapie als Erstlinientherapie in früheren Tumorstadien nicht angeschlagen, setzen die Experten ebenfalls eine Immuntherapie ein. „Die Immuntherapie kann den Tumor dann zumeist wirkungsvoller bekämpfen als eine weitere Chemotherapie“, erklärt Dr. Golpon.

Andere Nebenwirkungen

Ein weiterer Vorteil der Immuntherapie sind ihre deutlich geringeren Nebenwirkungen während der Behandlungen im Vergleich zur Chemotherapie. „Die Onkologen müssen sich allerdings auf andere, immunvermittelte Nebenwirkungen einstellen, die selbst nach dem Absetzen der Therapie noch auftreten können“, so Dr. Golpon. Dazu zählen unter anderen Darm-, Leber-, Lungen- oder Hautentzündungen.

Die gute Nachricht lautet dabei: Mit entsprechenden Medikamenten und vorbeugenden Maßnahmen bekommt man diese mittlerweile für den Patienten auch gut in den Griff.


Privatdozent Dr. Heiko Golpon, Leiter der Pneumologischen Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover © Privat