Normale Lebenserwartung Chronische myeloische Leukämie zielgerichtet zurückdrängen

Autor: Dietmar Kupisch

Bei der CML ist Kontrolle nicht mit der Heilung gleichzusetzen. © fotoliaxrender – stock.adobe.com

Sie ist eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks. Heilbar ist sie nicht. Doch dank spezieller Medikamente, dürfen die meisten Betroffenen heute von einer guten Lebensqualität und einem weitgehend beschwerdefreien Verlauf ausgehen. Perspektive LEBEN erklärt die Therapie.

Bei der chronischen myeloischen Leukämie, kurz CML, handelt es sich um eine anfangs schleichende Bluterkrankung, die unbedingt behandelt werden muss. „Andernfalls entsteht eine schneller verlaufende Form“, betont Professor Dr. Martin C. Müller. Der Experte ist Facharzt für Innere Medizin mit Spezialisierung auf Hämatologie und Onkologie und CEO des Institute for Hematology and Oncology (IHO) in Mannheim.

Knochenmarkuntersuchung empfohlen

Die CML entsteht aus einer veränderten Knochenmarkstammzelle, bei der es einen genetischen Defekt gibt. Diese genetische Veränderung wird auch Philadelphia-Chromosom genannt, da Forscher es einst in Philadelphia entdeckten. Im Knochenmark wird die normale Blutbildung verdrängt und die typischen Symptome einer Leukämie treten auf. Patienten fühlen sich beispielsweise abgeschlagen und müde, haben keinen Appetit oder verlieren Gewicht.

Funktion des Knochens

Das Knochensystem hat vielfältige Funktionen: Neben der Stützfunktion für den Körper bildet das Knochenmark innderhalb der Knochen die wichtigen Blutzellen.

Die Diagnose der CML erfolgt anhand von Blutanalysen. Zusätzlich empfehlen Hämatologen eine Knochenmarkuntersuchung. Sie liefert weitere wichtige Informationen, denn im Knochenmark können Chromosomen-Veränderungen entdeckt werden. Diese können entscheidend für die Prognose sein.

Spezielle Medikamente helfen dauerhaft

Betroffenen stehen zielgerichtete Medikamente aus der Gruppe der sogenannten Tyrosinkinasehemmer zur Verfügung. Tyrosinkinasehemmer bekämpfen die Erkrankung dort, wo sie entsteht: Bei der CML bildet das Philadelphia-Chromosom ein fehlerhaftes Eiweiß, das dazu beträgt, dass sich Leukämiezellen unkontrolliert teilen. Tyrosinkinasehemmer unterdrücken dieses Eiweiß und blockieren so die unablässige Zellteilung. Tyrosinkinase­hemmer gibt es als Tabletten oder Kapseln.

Die Medikamente können Nebenwirkungen hervorrufen. Dazu gehören Wassereinlagerungen, Übelkeit, Durchfälle, Kopf- oder Bauchschmerzen. „Wir bekommen etwaige Nebenwirkungen in der Regel gut in den Griff. Betroffene dürfen aber keinesfalls den Fehler machen, die Medikamente selbstständig zu reduzieren“, mahnt Prof. Müller und ergänzt: „Nebenwirkungen müssen dem behandelnden Arzt stets angezeigt werden. Der verändert dann die Therapie und verschreibt andere Medikamente.“

Therapievorgaben genau beachten

Patienten müssen sich genau an die Therapievorgaben des behandelnden Arztes halten. „Besonders wichtig ist die Einhaltung der exakten Dosierung der Medikamente. Bereits zehn Prozent weniger Tabletten können zu einem völligen Versagen der Therapie führen“, erklärt Prof. Müller. Auch sind die Rahmenbedingungen der Einnahme genau zu befolgen, wie etwa der zeitliche Abstand zu den Mahlzeiten. Zudem sollten Patienten ihre Therapie allen behandelnden Ärzten bekannt geben, damit keine unerwünschten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten.

Geheilt, wenn Krankheit nicht mehr nachweisbar

Die Einnahme der Tyrosinkinasehemmer erfolgt täglich. „Das ist die beste Möglichkeit, die Erkrankung zu kon­trollieren“, betont Prof. Müller und fügt hinzu: „Kontrolle ist nicht mit Heilung gleichzusetzen. Wobei wir immer zuversichtlicher werden, dass auch die Heilungsraten weiter steigen.“ Mediziner sehen eine CML als geheilt an, wenn sie selbst mit den empfindlichsten Messmethoden nicht mehr nachweisbar ist und der Patient keine Therapie mehr braucht – wohlwissend, dass meist noch vereinzelte bösartige Zellen im Körper vorhanden sind. Diese werden aber mit dem körpereigenen Immunsystem im Griff gehalten beziehungsweise bekämpft.

Normale Lebenserwartung

Erst wenn die CML nicht mehr nachweisbar ist, können die Medikamente abgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist eine engmaschige Kontrolle. „Wir wissen, dass wir mit der neuen Generation von Tyrosinkinasehemmern noch schnellere und noch höhere Heilungsraten erreichen“, so Prof. Müller.

Wichtig bei jeglichem Absetzen von Tyrosinkinasehemmern ist, dass für circa ein Jahr alle vier Wochen eine Verlaufsmessung im Blut erfolgt anstatt des sonst üblichen Drei-Monats-Intervalls. Sollte die Tumorlast, also die Zahl der bösartigen Zellen, wieder über einen Wert von 0,1 Prozent ansteigen, muss das Medikament wieder angesetzt werden, um den Patienten nicht zu gefährden.

Gelingt die Heilung nicht, müssen sich Patienten nicht sorgen. Denn der Begriff Heilungsrate ist bei dieser Krebserkrankung nicht gleichzusetzen mit Überlebensrate. „Im Gegenteil, die Lebenserwartung von CML-Patienten kann mittlerweile als eine normale betrachtet werden“, lautet die gute Nachricht von Prof. Müller. Sie müssen dann nur die Therapie fortsetzen, z.B. die Medikamente weiter einnehmen.


Prof. Dr. Martin C. Müller, Facharzt für Innere Medizin mit Spezialisierung auf Hämatologie und Onkologie und CEO des Institute for Hematology and Oncology (IHO) in Mannheim © Privat