Studien Wie Forschung den Patienten hilft

Autor: MPL-Redaktion

In Studien wird untersucht, ob neue Verfahren eine Verbesserung für die Patienten bringen. © iStock/Nomad

In klinischen Studien werden alle neuen Verfahren und Wirkstoffe auf Herz und Nieren getestet. Sie zeigen, ob und welche Verbesserungen im Kampf gegen den Krebs zu erwarten sind. Professor Dr. Wolfgang Bethge, Leiter des Zentrums Klinische Studien am Universitätsklinikum Tübingen, erläutert, warum solche Studien für Patienten so wichtig sind.

Warum müssen Studien durchgeführt werden?

Bis ein Medikament oder Verfahren im Kampf gegen den Krebs zugelassen werden kann, vergehen oft viele Jahre. In dieser Zeit werden mit Medikamenten unzählige Versuche unternommen. Vielen Fehlversuchen stehen oft nur einzelne Wirkstoffe gegenüber, die die Tests in den Laboren und in Tierversuchen erfolgreich bestehen. Dies alles ist jedoch noch keine Garantie dafür, dass die Medikamente auch bei Menschen tatsächlich helfen können, den Krebs oder die zu behandelnde Erkrankung zu bekämpfen. Daher müssen alle neuen Wirkstoffe in sogenannten klinischen Interventionsstudien auf Verträglichkeit und Wirksamkeit getestet werden. Nur wenn sie diese Hürde nehmen, können sie zugelassen und ggf. in Behandlungsleitlinien aufgenommen werden. Dies gilt nicht nur für Medikamente, sondern auch für Operationsverfahren und medizinische Geräte.

Wie werden Studien überwacht?

Studien dürfen in Deutschland nur mit einer entsprechenden Genehmigung durchgeführt werden. Zudem sind die strengen Regeln der „guten klinischen Praxis“ für klinische Interventionsstudien strikt einzuhalten. Darüber wachen zahlreiche Institutionen und Einrichtungen, wie zum Beispiel die Ethikkommissionen der Ärztekammern, der Universitäten und der Länder, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (Paul-Ehrlich-Institut) und die Überwachungsbehörden der Länder. Die Teilnahme an einer klinischen Studie ist nur mit Zustimmung der Patienten nach entsprechender ausführlicher Aufklärung, Bedenkzeit und auf freiwilliger Basis möglich. Die Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden.

Wie Iäuft eine Studie ab?

In Expertenkommissionen muss ermittelt und beschlossen werden, was der heute gültige Standard ist, mit dem die Patienten nach allen Regeln der Kunst zu behandeln sind. Zudem wird festgelegt, welche zusätzlichen oder anderen Verfahren und Wirkstoffe eingesetzt werden, die den bisherigen Standard übertreffen sollen. Der genaue Plan der Studie muss dann von der zuständigen Ethikkommission und der Bundesoberbehörde genehmigt werden. Anschließend werden alle Beteiligten der Studie ausführlich geschult – die Studie kann geöffnet und Patienten können aufgenommen beziehungsweise rekrutiert werden. Im Verlauf der Studie wird dann mit aufwendigen und standardisierten statistischen Methoden untersucht, ob die neuen Verfahren oder Wirkstoffe tatsächlich eine Verbesserung für die Patienten bringen. Wir beobachten während und nach der Studie gesundheitliche Effekte. Diese sind zum Beispiel die Tumorentwicklung, die Entzündungswerte oder die Überlebensdauer.

Wie wird der Standard gegen das Neue untersucht?

Ein Teil der Patienten wird mit dem festgelegten Standard behandelt. Diese Gruppe wird in den Studien als Kontrollgruppe bezeichnet. Der andere Teil der Patienten wird mit der neuen Methode oder dem neuen Wirkstoff behandelt. Diese Gruppe bezeichnen wir als die sogenannte Verumgruppe. Die Verteilung auf die Kontrollgruppe und die Verumgruppe erfolgt meistens nach dem Zufallsprinzip. Wir sprechen dann von sogenannten randomisierten Studien. Mit diesem Verfahren wollen wir ausschließen, dass durch den Arzt oder Patienten bereits eine Vor­auswahl der Behandlung getroffen wird. Sie könnte das Studienergebnis unter Umständen beeinflussen. Weiß weder der Patient noch der behandelnde Arzt, welche Patienten in der Kontroll- oder Verumgruppen sind, sprechen wir von doppelt verblindeten Studien.

Welche Studien gibt es?

Wir tasten uns über vier Stufen oder Phasen an die Zulassung von Medikamenten beziehungsweise Verankerung von Verfahren in den Therapiestandards vor. In den Vorstufen, den sogenannten Phase-0-Studien, werden Wirkstoffe in einer sehr kleinen Menge an sehr wenige Probanden verabreicht. Dabei wird untersucht, wie das Medikament im Körper aufgenommen, verteilt und verstoffwechselt wird. Damit sollen rasch und kostengünstig ungeeignete Wirkstoffe ausgeschlossen werden.

In Phase-I-Studien werden die Verträglichkeit und Nebenwirkungen an zehn bis 30 gesunden Probanden hinsichtlich der Darreichungsformen und der Dosierungen untersucht. Bei Krebsmedikamenten werden die Wirkstoffe meist an Tumorpatienten geprüft, zumal dann, wenn Zellgifte untersucht werden. Denn diese Medikamente können natürlich nicht an gesunden Menschen untersucht werden.

Phase-II-Studien werden in der Regel mit 100 bis 500 Patienten durchgeführt. Hier wird untersucht, ob die gewünschten therapeutischen Effekte erzielt werden, welche Nebenwirkungen auftreten und welche Dosis am besten geeignet ist.

Phase-III-Studien stellen den Beweis der Wirksamkeit, die Wechselwirkungen und Nebenwirkungen in den Mittelpunkt der Untersuchung. Je größer die Anzahl der Patienten in dieser Phase ist, umso aussagekräftiger ist die Studie. Nur dann kann relativ sicher gesagt werden, ob ein Verfahren oder Medikament eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zur Standardtherapie bringt.

Phase-IV-Studien werden nach der Zulassung durchgeführt. Sie untersuchen die langfristigen Effekte von Medikamenten und Therapien.

Wie profitieren Patienten von Studien?

In Deutschland werden alle Patienten mit den individuell besten Methoden, nach den Vorgaben von Therapieleitlinien, behandelt. In Studien dürfen daher nur neue Verfahren und Wirkstoffe untersucht werden, wenn zu erwarten ist, dass sie besser als der bisherige Standard wirken oder die Lebensqualität verbessern. Für die Studienteilnehmer heißt dies, dass sie mindestens so gut wie der bestehende Standard behandelt werden. Erfüllt das neue Verfahren oder der neue Wirkstoff die Erwartungen, werden die Patienten in der Studie unter Umständen besser als der Standard behandelt und profitieren so von der Studienteilnahme.

In klinischen Studien müssen Therapieentscheidungen von einer Gruppe von Studienärzten getroffen und kontrolliert werden. Dies hat zwei Effekte: Zum einen werden die Entscheidungen in der Gruppe besser abgesichert und zweitens von den Ärzten konsequenter umgesetzt. Davon profitieren Patienten immer – egal ob Verum oder Vergleichsgruppe. Dies haben Untersuchungen eindeutig bewiesen.


Professor Dr. Wolfgang Bethge, Leiter des Zentrums Klinische Studien am Universitätsklinikum Tübingen © privat