Mundrachenkrebs Umfangreiche Diagnose: Vielfältige Möglichkeiten – stetige Verbesserungen

Autor: MPL-Redaktion

Am Anfang jeder Therapie steht ein umfangreiches Staging – das ist die Klärung des kompletten Tumor-Status. © iStock/kowalska-art

Bei diesem Tumor handelt es sich um einen bösartigen Schleimhauttumor im Mundrachenraum. Die fachsprachliche Bezeichnung lautet Oropharynxkarzinom. Diese Krebserkrankung kommt in Deutschland verhältnismäßig selten vor. Männer trifft sie deutlich häufiger als Frauen. Zum Oropharynx zählen die Bereiche ab dem weichen Teil des Gaumens, die Mandeln und der Zungengrund. Am häufigsten sind die Mandeln von der Krebsentstehung betroffen.

Bei einem Verdacht auf einen Mundrachenkrebs beginnen die Ärzte sofort mit dem sogenannten Staging. „Hinter dieser Bezeichnung stehen umfangreiche Diagnoseverfahren. Sie dienen dem Ziel, das Ausmaß der Tumorerkrankung einschätzen zu können. Nur so kann man letztlich eine patientenindividuelle Therapiestrategie festlegen“, sagt der Experte Professor Dr. Stefan Dazert. Er ist Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie der Ruhr-Universität Bochum am St. Elisabeth-Hospital.

Diagnostik – schauen, mit was man es zu tun hat

Üblich im Rahmen dieser Diagnostik ist die Endoskopie des Mundrachenraumes sowie der tieferen Speise- und Atemwege. Diese Spiegelung liefert erste Erkenntnisse über die Lage des Tumors. Gleichzeitig entnimmt der Arzt dabei Gewebeproben aus auffälligen Bezirken. Der Pathologe kann damit anschließend den Tumortyp genau bestimmen. „Der Patient erhält während dieser Untersuchung eine Intubationsnarkose. Er spürt also nichts davon, allenfalls später an der Stelle der Probeentnahme“, berichtet Prof. Dazert. Des Weiteren benötigen die Ärzte Fakten rund um die Tumorerkrankung. Sie bedienen sich dazu unterschiedlicher bildgebender Verfahren wie der Computertomographie (kurz CT), der Magnetresonanztomographie (kurz MRT) und der Sonographie, auch Ultraschall genannt.

„Mit CT und MRT bestimmen wir die exakte Ausdehnung des Tumors, zudem können wir einen eventuellen Befall der Halsweichteile und -gefäße ermitteln. Mit der Sonographie stellen wir einen möglichen Befall der Lymphknoten am Hals fest “, erläutert Prof. Dazert. Ganz wesentlich für die spätere Therapiestrategie sind zudem Informationen, ob das Oropharynxkarzinom Metastasen gebildet hat. Auch hierbei bedienen sich die Experten bildgebender Verfahren: So suchen sie mittels CT- und Röntgenaufnahmen in der Lunge nach Absiedlungen. Die Bauchorgane, vor allem die Leber, untersuchen sie hingegen mittels der Sonographie. „Leber und Lunge werden deshalb so genau untersucht, weil wir wissen, dass sich Metastasen eines Mundrachenkrebses dort häufig zuerst ansiedeln“, erklärt der Experte.

Stadien-Einteilung und Tumorkonferenz

Nach erfolgtem Staging sind die HNO-Ärzte nun in der Lage, der Krebserkrankung ein Stadium zuzuweisen. Auf Grundlage der erhobenen Untersuchungsergebnisse erfolgt zudem die anschließende Besprechung in einer interdisziplinären Tumorkonferenz. Das heißt, Experten sämtlicher an der Therapie beteiligten Fachrichtungen sitzen zusammen und überlegen, welche Behandlung für den entsprechenden Patienten die beste ist. Hauptverantwortlich sind hierbei der Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der Strahlentherapeut und der Onkologe. Auch Faktoren wie Alter und körperliche Verfassung des Patienten beeinflussen die Therapiestrategie.

Die Therapie der ersten Wahl bei einem Mundrachenkrebs ist die Operation. „Wenn der Tumor chirurgisch komplett entfernbar ist, sind das die günstigsten Voraussetzungen für eine vollständige Heilung“, sagt Prof. Dazert und führt aus: „Der Tumor sollte sich dafür in einem möglichst frühen Stadium befinden, keine oder nur umschriebene Metastasen gebildet haben und gut zu operieren sein. Das heißt, er sollte mit einem Sicherheitsabstand von mindestens fünf Millimetern im gesunden Gewebe entfernt werden können.“ Ob der Patient danach geheilt ist, hängt vom feingeweblichen Befund, der Histologie, ab. Gegebenenfalls ist eine weitere, sogenannte adjuvante Therapie erforderlich.

Zur Sicherheit Strahlen- und Chemotherapie

Eine adjuvante Therapie ist eine unterstützende Behandlung nach operativer Entfernung eines Tumors, um möglicherweise unerkannt im Körper verbliebene Krebszellen zu zerstören. Beim Mundrachenkrebs besteht diese aus einer gezielten Strahlentherapie, die bei Bedarf mit einer Chemotherapie kombiniert wird. „Der Strahlentherapeut bestimmt anhand eines Planungs-CT den genauen Zielbereich und kann so sehr präzise und richtig dosiert die ehemalige Tumorregion bestrahlen. Gleichzeitig wird das umgebende Gewebe weitestmöglich geschont, um die Nebenwirkungen zu reduzieren“, so der Experte. „Eine Bestrahlungstherapie dauert etwa sechs Wochen mit circa 30 Sitzungen.“

Je nach Lage des Tumors und der Größe des Eingriffes ist mit bleibenden Beeinträchtigungen nach einer Operation zu rechnen. „Wir versuchen natürlich alles, um Schlucken und Sprache zu erhalten. Gegebenenfalls können wir auch mit Geweberekonstruktionen entstandene Defekte im Mund-Rachen-Raum abdecken“, erklärt Prof. Dazert.

Radiochemotherapie in fortgeschrittenem Stadium

Die Therapie bei fortgeschrittenem Mundrachenkrebs beinhaltet ebenfalls meist eine Operation: Bei vielen Betroffenen können auch größere Tumoren mit den zugehörigen Halslymphknoten chirurgisch entfernt werden. Zusätzlich erfolgt hier eine Kombination aus Strahlentherapie und Chemotherapie, auch Radiochemotherapie genannt. Sehr ausgedehnte Tumoren werden mit einer primären Radiochemotherapie behandelt und nicht operiert.

An der Verbesserung der Behandlungserfolge wird stetig gearbeitet. Neue Therapieansätze sind durchaus vielversprechend. „Weisen Patienten etwa nach einer Erst- und Rezidivbehandlung weiterhin einen Tumorbefall auf, besteht nun die Möglichkeit, neue immunonkologische Substanzen anzuwenden. Ziel ist hierbei, mit speziellen Medikamenten das körpereigene Immunsystem so zu aktivieren, dass es wieder in der Lage ist, den Tumor zu bekämpfen“, sagt Prof. Dazert. „Wir glauben, dass es im Bereich der Immuntherapien künftig weitere Fortschritte geben wird.“


Prof. Dr. Stefan Dazert, Direktor Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie der Ruhr-Universität Bochum am St. Elisabeth-Hospital © Jakob Studnar