COVID-19-Pandemie Nachsorge und Behandlung – Was muss in Zeiten von Corona beachtet werden?

Autor: Heiko Schwöbel

Geschwächte Patienten haben ein hohes Risiko, weshalb die Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion stets verfolgt werden müssen. (Agenturfoto) © demphoto – stock.adobe.com

Corona wird uns alle noch über Monate und Jahre im Griff behalten. Krebspatienten sind davon meist besonders betroffen. Sie, ihre Angehörigen und Freunde müssen umsichtig sein und darauf achten, dass die Behandlung, Vorsorge und Nachsorge nicht zu kurz kommen. Professor Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Urologie in Tübingen, beantwortet wichtige Fragen zu Krebs und Corona.

Sollen Krebsbehandlungen auch während der Coronapandemie begonnen oder fortgesetzt werden?
Krebs ist immer eine ernste Erkrankung. Sie muss unbedingt behandelt oder streng überwacht und die Therapie möglichst nicht unterbrochen oder aufgeschoben werden. Zumal dann, wenn die Gefahr für Leib und Leben der Krebserkrankung größer erscheint als die Folgen einer Coronainfektion. Daher soll, wenn immer möglich, die geplante Behandlung begonnen oder fortgesetzt werden. Das gilt für eine Operation genauso wie für eine Bestrahlung, Chemotherapie und die Behandlung mit anderen Medikamenten.

Was sollen Patienten machen, die keinen Termin für eine Behandlung oder Nachsorge bekommen?
Aufgrund der Coronakrise kam und kommt es immer wieder zu Engpässen in einzelnen Kliniken und Arztpraxen. In diesen Fällen rate ich Patienten immer dazu, sich auf die Suche nach einem anderen, vielleicht weiter entfernten Arzt zu machen. Zum Beispiel unter Zuhilfenahme diverser Servicetelefone. Dies ist allemal besser, als die Termine zu lange hinauszuschieben. Gelingt das nicht, sollen die Untersuchungen so rasch wie möglich nachgeholt und auf keinen Fall verschleppt werden.

Wir brauchen mehr Reserven!

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Urologie in Tübingen:

„Das deutsche Gesundheitssystem war zu keinem Zeitpunkt der Pandemie überfordert. Dies gelang uns nur unter Aufbietung aller Kräfte in den Krankenhäusern und Praxen. Dafür haben Pflegekräfte und Ärzte sehr oft und sehr weit über das erwartbare Maß hinaus gearbeitet. Dieses Engagement verdient unseren Dank. Meine persönliche Lehre aus der Coronakrise ist, dass ich mich noch stärker als bisher für Reserven in unserem Gesundheitssystem einsetzen werde. Dies gilt besonders für das medizinische Personal, aber auch für medizinisches Gerät und Medikamente.“

Welche Krebspatienten sind durch Corona besonders gefährdet?
Wir können heute noch nicht genau sagen, welche Patienten besonders gefährdet sind oder mit einem besonders schweren Verlauf der Krankheit konfrontiert werden könnten. Daher müssen sich alle mit den entsprechenden Maßnahmen schützen. Einzelne Publikationen zeigen, dass Chemotherapie-Patienten evtl. gefährdeter sind, während z.B. die Erkrankungen von Patienten mit Hormontherapie bei Prostatakarzinom einen günstigeren Verlauf nehmen. Allerdings ist klar, dass immungeschwächte Patienten ein sehr hohes Risiko tragen, schwer an Corona zu erkranken. Sie müssen sich daher selbst besonders schützen und müssen von der Umgebung besonders geschützt werden. Dazu zählen Patienten, die an Leukämie oder Lymphdrüsenkrebs erkrankt sind ebenso wie Patienten, deren Immunsystem durch Medikamente oder Bestrahlung geschwächt ist.

Wie sollen sich immungeschwächte Krebspatienten im Alltag schützen?
Das A und O ist Abstand. Das heißt, dass der Patient und seine engen Mitbewohner möglichst wenig Kontakt mit „Außenstehenden“ haben sollen. Busse, Bahn, Läden, Res­taurants und so weiter müssen strikt gemieden werden. Die Fahrten zu den Behandlungsterminen sollen, wenn immer möglich, mit dem eigenen PKW durchgeführt werden, der nicht von anderen Personen außerhalb des Haushalts genutzt wird. Zum anderen gilt es, penibel Sauberkeit und Hygiene einzuhalten. Dazu gehört Händewaschen genauso wie die Desinfektion von Türklinken, Lenkrädern, Computertastaturen und dergleichen, wenn andere Personen diese kurz vorher verwendet haben.

Können sich Patienten trotzdem mit Corona infizieren?
Die absolute Sicherheit wird es nie geben. Der Grund dafür ist einfach. Die Infektionsmöglichkeiten sind zahlreich und zudem dem Einzelnen oft unbekannt. Häufiges Händewaschen, Verzicht auf Händeschütteln, Mund-Nasen-Schutz und Abstand in der Kombination mit verringerten Kontakten mit „Fremden“ bringt in der Summe viel – die einzelne Maßnahme oft aber nur wenig. Es geht also darum, die Gefahr einer Infektion durch viele einzelne Maßnahmen zu verringern. Ein wichtiges Stichwort ist dabei die Corona-Warn-App!


Prof. Dr. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Urologie in Tübingen © Privat